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Frage von Margot F. •

Frage an Michael Paul von Margot F. bezüglich Soziale Sicherung

Ist es zumutbar,daß eine Rentnerin ,die von einem Unternehmen durch den Versorgungsvertrag des verstorbenen Ehemannes (abgesehen von einem Minianteil der kleinen gesetzlichen Rente) allein die Krankenkassenbeiträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze zahlen muß.Bei steigender Beitragsbemessungsgrenze alljährlich zehrt sich ein etwas höherer Versorgungsbetrag auf.
Ein aktiver leitender Angestellter bezahlt die Hälfte.Ein Kassenwechsel soll allen Bürgern möglich sein. Wäre ich nicht 80 Jahre,so könnte ich in die Privatkasse wechseln mit höheren Ansprüchen.Beamte mit Beihilfeberechtigung sind extrem bevorzugt.

Freundliche Grüße
M. Fourné

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Fourné,

wir haben in Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme weltweit. Es bietet jeder Bürgerin und jedem Bürger eine Gesundheitsversorgung auf höchstem Niveau. Dies schließt auch den Zugang zu medizinischen Innovationen für jedermann mit ein. Dieses hohe Versorgungsniveau gilt es zu schützen und für künftige Generationen zu erhalten. Es soll sichergestellt bleiben, dass auch in Zukunft jeder einen direkten Zugang zu einer exzellenten Gesundheitsversorgung erhält.

Wir wollen, dass das weltweit führende Gesundheitswesen in Deutschland auch bezahlbar bleibt. Die Gesundheitsausgaben werden jedoch für eine immer älter werdende Bevölkerung und wegen des medizinischen Fortschritts in Zukunft weiter steigen. Neben langfristig wirkenden Strukturmaßnahmen in der Gesundheitsversorgung sind angesichts des prognostizierten Defizits von elf Mrd. Euro im Jahr 2011 kurzfristig wirkende Sparmaßnahmen notwendig geworden.

Damit gewährleistet ist, dass die Finanzierung unserer Gesundheitsversorgung auf viele Schultern verteilt wird, werden alle in einem fairen Paket beteiligt: die Leistungserbringer, die Arbeitgeber, die gesetzlichen Krankenkassen, deren Mitglieder und alle Steuerzahler. Das ist gerecht, ausgewogen und für alle zumutbar.

Insgesamt besteht die Reform aus drei Bestandteilen:

• einer Zuwachsbegrenzung der Ausgaben für die Leistungserbringer,
• der Stärkung der Finanzierungsgrundlage und
• einem ohne zusätzliche Antragsstellung umsetzbaren Sozialausgleich über das Steuersystem.

Wir streben neben den kurzfristigen Zuwachsbegrenzungen auch strukturelle Reformen im System an, um dauerhaft den Ausgabenzuwachs zu begrenzen. Dies wird einhergehen mit mehr Wettbewerb für die Krankenkassen und die Leistungserbringer, mehr Wahlfreiheit und Eigenverantwortung für den Einzelnen sowie mit Bürokratieabbau.

Im Einzelnen:

• Keine Einschnitte zu Lasten der Patienten: Unser oberstes Ziel ist es, die Exzellenz des deutschen Gesundheitswesens zu erhalten. Die Menschen werden weiterhin die beste medizinische Behandlung bekommen und am medizinischen Fortschritt teilhaben können. Wir haben erreicht, dass diese Gesundheitsreform keine höheren Eigenleistungen, keine Abstriche vom Leistungskatalog, keine Leistungsausgrenzungen und keine Priorisierung von medizinischen Maßnahmen wie in anderen Ländern vorsieht. Unser Gesundheitssystem bleibt hervorragend.

• Substantielle Sparanstrengung: Gespart wird vor allen Dingen bei den Arzneimittelausgaben und bei den Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenversicherungen. Darüber hinaus begrenzen wir Ausgabensteigerungen. Im Rahmen der Zuwachsbegrenzungen werden wir im Jahr 2011 rd. 3,5 Mrd. Euro und im Jahr 2012 rd. 4 Mrd. Euro einsparen.

Im Bereich der Arzneimittel wurde bereits ein Einsparvolumen von rd. 1,1 Mrd. Euro für 2011 mit dem GKV-Änderungsgesetz realisiert. Darüber hinaus werden weitere Maßnahmen erfolgen, die das Einsparvolumen im Arzneimittelbereich auf rund 2 Mrd. Euro erhöhen.

Die Verwaltungsausgaben der gesetzlichen Krankenkassen werden auf den Stand von 2010 eingefroren. Das führt zu Einsparungen von 300 Mio. Euro.

Im Krankenhausbereich werden insgesamt rd. 500 Mio. Euro eingespart, indem zum einen der Zuwachs der Vergütung auf die halbe Grundlohnsummenrate reduziert wird. Dadurch sinken die Ausgaben um 150 Mio. Euro. Für alle Krankenhäuser und somit auch für kleine Krankenhäuser und Häuser in ländlichen Regionen bleiben Zuwächse damit möglich. Zum anderen werden die Vergütung von vereinbarten Mehrleistungen begrenzt und so weitere 350 Mio. Euro eingespart. Es wird damit einen zwar begrenzten, aber immer noch ausreichenden Anreiz für leistungsstarke Häuser geben, sich weiterzuentwickeln und bedarfsgerechte Kapazitäten auszubauen.

Auch bei den Zahnärzten wird die Vergütung nur mit der halben Grundlohnsummenrate erhöht. Dafür konnte vereinbart werden, dass noch im Laufe der Legislaturperiode die seit langem geplante und im Koalitionsvertrag festgelegte Ost-West-Angleichung der Vergütung der Zahnärzte umgesetzt wird.

Bei den Ärzten wird im Bereich der außerhalb der Gesamtvergütung vereinbarten Mehrleistungen ein Einsparpotenzial von rd. 350 Mio. Euro anvisiert. Es bleibt aber bei einem moderaten Zuwachs der Gesamtvergütung. Das ist auch notwendig, um den Anstieg der krankheitsbedingten Leistungen zu finanzieren und die Vergütungsunterschiede zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen der verschiedenen Länder anzugleichen. Im Bereich der hausarztzentrierten Versorgung wird das Vergütungsniveau dieser Verträge auf das der Regelversorgung begrenzt. Das gilt allerdings nicht für rechtskräftige Verträge, sondern nur für Neuverträge und noch nicht abgeschlossene Schiedsstellenverfahren. Damit werden befürchtete zusätzliche Ausgaben von rund 500 Mio. Euro vermieden.

Ärzten und Krankenhäusern wird somit nichts weggenommen. Es gibt 2011 aber weniger Zuwachs. Dies wird angesichts der Steigerungen auf hohem Niveau in den letzten Jahren nicht zu einer Verschlechterung der Qualität des Gesundheitswesens führen.

Das für 2011 erwartete Defizit in Höhe von elf Mrd. Euro ist allein durch Begrenzungen der Zuwächse nicht zu verhindern, wenn die Gesundheitsversorgung auf heutigem Niveau, ohne Leistungsausgrenzung, ohne Rationierung, ohne Wartelisten und ohne höhere Zuzahlungen bestehen bleiben soll.

Wir werden daher auch wie folgt das Finanzierungssystem weiterentwickeln:

• Rückkehr zum Beitragssatz vor der Wirtschaftskrise: Die Zahlen aus der Wirtschaft geben Anlass zur Freude. So konnte die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung Ende Juni 2010 verkünden, dass die Finanzkrise in weiten Teilen überstanden ist. Vor diesem Hintergrund kann der im Konjunkturpaket II reduzierte Beitragssatz für die gesetzliche Krankenversicherung Ende dieses Jahres wieder auf sein ursprüngliches Niveau angehoben werden. Mit dann 15,5 % befinden sich die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung ab dem 1.Januar 2011 auf dem Niveau vom 1.Januar 2009. Davon tragen die Arbeitgeber wie zuvor 7,3%, die Arbeitnehmer 8,2%. Für die Zukunft gilt außerdem, dass der Arbeitgeberbeitrag festgeschrieben wird. Künftige Kostensteigerungen durch den medizinischen Fortschritt und den zunehmenden Behandlungsbedarf aufgrund der demografischen Entwicklung werden über den Zusatzbeitrag finanziert. Die beitrags- und zusatzbeitragsfreie Familienmitversicherung bleibt aber selbstverständlich erhalten.

• Weiterentwicklung der Zusatzbeiträge: Wir schaffen eine Perspektive für die Zukunft unseres Gesundheitssystems. Jeder kann auch künftig unabhängig von Alter, Geschlecht und Einkommen am medizinisch-technischen Fortschritt teilhaben. Die flächendeckende Versorgung mit Ärzten und Krankenhäusern bleibt garantiert. Um Beschäftigung zu erhalten, werden die demografisch bedingt unvermeidlichen Kostensteigerungen der Zukunft über den weiterentwickelten einkommensunabhängigen Zusatzbeitrag finanziert.

Die Zusatzbeiträge stehen den Krankenkassen unmittelbar zu und werden von ihnen in voller Höhe direkt beim Versicherten eingezogen. Damit erhalten die Krankenkassen einen Teil ihrer Beitragsautonomie, die sie durch die Einführung des Gesundheitsfonds verloren haben, zurück. Gleichzeitig besteht hiermit die Möglichkeit, auf regionale Versorgungsstrukturen individuell zu reagieren.

Zusatzbeiträge werden von den Kassen als fester Betrag nach ihrem jeweiligen Finanzbedarf erhoben. Dabei soll niemand überfordert werden – deshalb wird es einen Sozialausgleich geben und die Möglichkeit, aus einer Kasse mit hohen Zusatzbeiträgen jederzeit in eine günstigere Kasse zu wechseln. Der Sozialausgleich wird im Falle der Bedürftigkeit durch eine entsprechende Absenkung des Arbeitnehmerbeitrages ausgeglichen, ohne dass dafür ein Antrag gestellt werden muss. Niemand wird zum Bittsteller.

Mit den beschriebenen Maßnahmen wird das prognostizierte Defizit in 2011 in voller Höhe ausgeglichen. Damit ist gewährleistet, dass im nächsten Jahr weiterhin die meisten Krankenversicherungen keinen Zusatzbeitrag von ihren Mitgliedern erheben müssen. Dies bedeutet gleichzeitig, dass durch diese Gesundheitsreform zeitnah auch keine zusätzlichen Steuergelder benötigt werden.

Die Finanzreform des Gesundheitssystems garantiert auch in Zukunft allen Bürgerinnen und Bürgern einen direkten Zugang zu Gesundheitsleistungen auf höchstem Niveau zu bezahlbaren Preisen. Um dieses nicht nur heute sondern auch für zukünftige Generationen sicherzustellen, ist es sachgerecht, die Lasten hierfür auf alle Beteiligten zu verteilen. Denn nur so wird es möglich sein, dass auch in Zukunft jeder die Leistungen erhält, die er im individuellen Krankheitsfall benötigt.

Im Hinblick auf Ihre Anmerkung zur Bevorzugung der Beamten durch die Beihilfeberechtigung müssen Sie berücksichtigen, dass sich auch die Vielzahl der Pensionäre, wie Sie als Rentnerin in einer privaten Krankenversicherung versichern muss. Daher zahlen etwa 98% der Pensionäre aus ihrem bereits voll versteuerten Ruhegehalt Beiträge in die private Krankenversicherung und die Pflicht-Pflegeversicherung ein. Im Durchschnitt zahlt eine Pensionär so monatlich Beiträge in Höhe von 180 € als Alleinstehender bzw. 360 € als Verheirateter, sofern er 40 Jahre Beamter und seit dem Eintritt in das Beamtenverhältnis bei einer privaten Krankenkasse versichert war.

Die restlichen 2 Prozent der Pensionäre zahlen sehr hohe Beiträge in die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung. Da es für sie keinen Arbeitgeberzuschuss vom Staat im Ruhestand gibt, können sich die bisher gezahlten Beiträge im Extremfall verdoppeln. Eine Bevorzugung der Beamten ist daher in dem von Ihnen genannten Maß nicht gegeben.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Auskunft dienlich gewesen zu sein.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Dr. Michael Paul