Wie will die EU verhindern, dass nach der Befreiung der Ukraine, in der Ukraine nicht ebensolche Verhältnisse entstehen, wie sie im Kosovo nach der Befreiung durch den Westen entstanden sind ?
Sehr geehrte Herr Link,
das ukrainische Volk bringt - voller Hoffnung auf ein besseres Leben - enorme Opfer, um in die westliche Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft aufgenommen zu werden.
Wie will die EU verhindern, dass nach der Befreiung der Ukraine, in der Ukraine nicht ebensolche Verhältnisse entstehen, wie sie im Kosovo nach der Befreiung durch den Westen entstanden sind ?
Zu einem sehr wichtigen Punkt frage ich ganz konkret : Wird sich die EU dafür einsetzen, dass wieder aufgebauter / neu gebauter Wohnraum Eigentum der Bewohner wird, oder wird sich die EU eher dafür einsetzen, dass besagter Wohnraum in den Besitz privater Wohnungsunternehmen übergeht.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd H.
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Zunächst möchte ich bestärken, dass ich ebenfalls tagtäglich von dem Mut und der Willenskraft des ukrainischen Volks beeindruckt bin. Dem Einsatz für ihr Recht auf Freiheit und Frieden sowie die Verteidigung der demokratischen Werte gegen die brutalen Aggressionen von Putins Regime müssen wir unseren höchsten Respekt zollen. Das bedeutet für mich ganz klar: Die umfassende humanitäre, finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine im engen Schulterschluss mit unseren internationalen Partnern muss entschieden fortgesetzt werden. Nur so werden wir unserer Verantwortung gerecht und können den Ukrainerinnen und Ukrainern angesichts der russischen Verbrechen zur Seite stehen.
Für diese weitreichende Unterstützung hat sich die Bundesregierung aktiv eingesetzt, und wird dies weiter tun. Laut Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel ist Deutschland der weltweit größte Geber für die Ukraine nach den USA. Die Gesamtsumme unserer bilateralen Unterstützungen beträgt bisher 14 Milliarden Euro. Ein Teil dieser Unterstützung dient auch dem von Ihnen erwähnten Wiederaufbau der Ukraine. Wie es die ukrainische Regierung und Nichtregierungsorganisation immer wieder betonen, ist der Wiederaufbau ein Prozess, der nicht nur in der Nachkriegszeit stattfinden wird, sondern bereits jetzt notwendig ist, um kritische Infrastruktur zu schützen und somit die wesentlichen Lebensgrundlagen für die Bevölkerung zu erhalten.
Beim Wiederaufbau des Wohnraums nach dem Kosovo-Konflikt in 1998/1999 kam es zu problematischen Eigentumsverhältnissen, die es in der Ukraine zu vermeiden gilt. Dafür legten die sogenannten „Lugano-Prinzipien“ der Luganokonferenz den Grundstein. Im letzten Sommer kamen eine breite Menge an Geberstaaten, Nichtregierungsorganisationen und Finanzinstituten mit der Ukraine in Lugano zusammen und sicherten massive finanzielle Mittel zu sowie skizzierten die Prinzipien dessen Ausschüttung. Es wurde sich darauf geeinigt einen transparenten, rechtstaatlichen, grünen und marktwirtschaftlichen Wiederaufbauprozess zu garantieren. Dementsprechend sollen private Unternehmen eingebunden, die grüne Transformation vorangebracht und die Rechtsstaatlichkeit systematisch gestärkt werden, um Vetternwirtschaft und Korruption einzudämmen. Weitere Details zur praktischen Umsetzung werden bei den Folgekonferenzen in dem Vereinigten Königreich in 2023 und Deutschland in 2024 vereinbart werden.
Die Lugano-Prinzipien sind demnach als Versicherung des Privateigentums zu werten. Sie lassen hoffen, dass die Zuordnung der Wohnräume (renovierter und neu errichteter Wohnräume) nach klaren demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien und Regeln erfolgt. Dennoch gilt, dass Deutschland und die EU die Prozesse eng begleiten werden, aber die Ukraine für die Strukturen und Organisation des Wiederaufbaus selber verantwortlich ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Link