Frage an Michael Link von Alfred B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Link,
nachdem soeben die "Gesundheitsreform" verabschiedet wurde, sträuben sich mir die Haare. Wie kann man eigentlich eine banale Beitragserhöhung inkl. Freibrief für die Krankenkassen, bei Bedarf Zusatzbeiträge zu erheben - bei gleichzeitiger Schonung der Industrie dem Wähler bzw. mir als Reform verkaufen?
Eine Reform die den Namen verdient hätte, wäre z.B. eine Einordung der Medikamente nach Wirksamkeit, offenlegung der Produktionskosten und Spannen der Industrie, Öffnen der Zulassungen für Ärzte und Apotheker usw usw. - alles heilige Kühe mit entsprechender Klientel.
Auch Ihnen ist bekannt, mit welchen Mitteln die Pharmaindustrie inkl. Zwischenhändler versucht, ihre Medikamente an den Arzt zu bringen ("Schulungen", "Seminare", Gratispackungen...). Ich beneide Hr. Rösler nicht um seinen Job - aber soetwas hätte jeder als Reform verkaufen können. Also nochmals die Frage: Warum wird auch diese "Reform" zulasten des Steuerzahlers gemacht?
Sehr geehrter Herr Bulenz,
danke für Ihr Mail. Gerade in unserer Region Heilbronn sind die Gesundheitsbeschlüsse heiß umstritten. Deshalb will ich gerne meine Sicht der Dinge darstellen. Niemand freut sich, wenn zusätzliche Einkünfte begrenzt, Beiträge erhöht oder Ausgaben reduziert werden müssen. Beliebtheitspunkte kann man damit nicht gewinnen. Aber man muss angesichts eines Defizits von 11 Milliarden Euro der gesetzlichen Krankenversicherung deutlich machen, dass die Alternative der Zusammenbruch vieler Kassen und die Reduzierung der Leistungen für die Versicherten oder aber noch höhere Beiträge wären.
Die Reformen des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes und der GKV-Finanzierung treffen alle Akteure im Gesundheitswesen. Bei der Pharmaindustrie werden rund 2 Milliarden Euro eingespart und die Preisgestaltung zukünftig auch für patentgeschützte - und entsprechend hochpreisige - Arzneimittel geregelt. Die Krankenhäuser werden in 2011 durch die Halbierung der Grundlohnrate und andere Maßnahmen mit 500 Millionen Euro belastet. Auch die Zahnärzte müssen 2011 und 2012 mit der halben Grundlohnrate auskommen. Die Neuregelung der hausarztzentrierten Versorgung wird circa 500 Millionen Euro einbringen und die Nullrunde bei den Verwaltungskosten der Kassen circa 300 Millionen Euro. All dies summiert sich in 2011 auf 3,5 Milliarden Euro und in 2012 auf circa 4 Milliarden Euro. Da dies noch immer nicht ausreicht, um das Defizit zu decken, ist eine Anhebung der Arbeitnehmerbeiträge um 0,3 Prozent und eine Rückführung der Arbeitgeberbeiträge auf das Vor-Krisen-Niveau nötig. Und auch das reicht nicht aus. Es müssen für 2011 zusätzlich 2 Milliarden Euro aus Steuermitteln dem Gesundheitsfonds zugewiesen werden. Diese Rechnung macht zweierlei deutlich. Erstens: Werden alle an der Sanierung des Gesundheitswesens, das wir von Ulla Schmidt übernommen haben, beteiligt. Zweitens: War es absolut notwendig, einen Systemwechsel einzuleiten, damit wir nicht jedes Jahr ein GKV-Defizit ausgleichen müssen.
Die Neuregelungen im GKV-Finanzierungsgesetz mit den einkommensunabhängigen Zusatzbeiträgen entkoppeln die Gesundheitskosten von den Arbeitskosten und stützen die Konjunktur. Der neue Sozialausgleich schützt Geringverdiener vor der finanziellen Überforderung. Und die kassenindividuellen Zusatzbeiträge sind ein Marktmechanismus, der die Bürger zu einer kritischen Überprüfung ihres Beitrages und gegebenenfalls zum Wechsel in eine günstigere Kasse motivieren kann.
Die Beschlüsse kein Wunderwerk, aber der Einstieg in eine echte Reform ist gemacht.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Link