Frage an Michael Link von Birte S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Link,
ich habe von den Plänen gehört, den NC für das Medizinstudium fallen zu lassen, um dem Ärztemangel zu begegnen. Ich selbst bin Anästhesistin (30 J.) und habe bislang 100% gearbeitet. Dabei blieb unserer Familie von meinen Gehalt 600,-!!! Wie kommt diese erbärmliche Summe zustande? Wenn ich nicht arbeite, hat mein Mann Steuerklasse 3 und somit ein höheres Nettoeinkommen. Dann haben wir als größten Kostenpunkt noch 2 Kleinkinder, deren Betreuung zu organisieren nicht nur sehr schwierig, sondern eben auch kostspielig war. Jetzt bekommen wir das dritte Kind und ich habe ganz aufgehört zu arbeiten, denn nun wäre die Kinderbetreuung so teuer, daß sie mein gesamtes Gehalt auffressen würde. Das heißt eine gesuchte Ärztin weniger auf dem Arbeitsmarkt. Im Kollegium sind wir sehr viele Frauen, denen es ähnlich geht. Das bedeutet für unser Haus mit 800 Betten, daß während sie händeringend jeden verfügbaren Leiharzt zu deutlich höheren Preisen einkaufen, ein Teil des vertrauten Stammpersonals zuhause sitzt und Kinder hütet. Für das Haus bedeutet es zudem, daß die Qualität sinkt, da die Leihärzte nie so vertraut mit den Abläufen sind oder das Restpersonal sich in zahlreichen Überstunden überarbeitet, während die Kosten steigen, da die Leihärzte aufgrund mehrerer Faktoren teurer bezahlt werden müssen. Macht das Sinn? Als Schnittstelle zur Familienpolitik: Es fehlt nicht nur eine adäquate Kinderbetreuung, sondern sie müßte auch bezahlbar sein. Oder Ärzte verdienen einfach zuwenig, wenn sie mit drei Kindern nicht mehr arbeiten können. Was ist Ihr Vorschlag, solchen Problemen entgegen zu treten?
Mit freundlichen Grüßen,
Birte Schulze
Sehr geehrte Frau Schulze,
vielen Dank für Ihre Frage und verzeihen Sie die späte Antwort. Sie sprechen die Problematik des Ärztemangels an und Sie schildern Ihre Situation als Frau und Mutter im Arztberuf. Ihre Fragen möchte ich Ihnen folgend beantworten.
Der demographische Wandel stellt unsere Gesellschaft vor die große Herausforderung, eine flächendeckende ärztliche Versorgung der Bevölkerung auch zukünftig zu gewährleisten. Dabei spielt nicht nur die steigende Zahl älterer Menschen, die häufig mehrfach von Krankheiten betroffen sind, eine Rolle, sondern auch die in den nächsten Jahren steigende Zahl der aus Altersgründen aus der Versorgung ausscheidenden Ärztinnen und Ärzte. Während der Ärztemangel heute auf bestimmte Regionen beschränkt ist, wird sich dieses Problem in Zukunft deutlich ausweiten.
Die FDP setzt sich für eine qualitativ gute, flächendeckende ärztliche Versorgung in Ost und West ein. Das setzt voraus, dass genug junge Menschen den Arztberuf ergreifen wollen und eine ausreichende Zahl von Ärzten dazu bereit ist, diesen Beruf in diesem Land auszuüben. Es bedarf eines gemeinsamen Kraftaktes aller Beteiligten auf allen Ebenen, um den in den nächsten Jahren steigenden Bedarf an medizinischer Versorgung decken zu können. Die FDP begrüßt die Initiative der Bundesregierung zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung und hält insbesondere folgende Maßnahmen für erforderlich:
1. Die Ärzte müssen die Freude an ihrer Arbeit zurückgewinnen. Bürokratische Anforderungen und Kontrollen müssen auf das notwendige Mindestmaß zurückgeführt werden. Es muss wieder mehr Zeit für die Betreuung der Patienten bleiben. Die FDP will deshalb Ärzte von überzogenen bürokratischen Anforderungen befreien und dafür sorgen, dass sie eine leistungsgerechte Vergütung im Rahmen eines einfachen und transparenten Rahmens erhalten.
2. Auch für Ärztinnen und Ärzte ist ein Gleichgewicht privater und beruflicher Interessen entscheidend für Freude und Motivation am Beruf. Diesem Bedürfnis muss über eine entsprechende Gestaltung der Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern und im niedergelassenen Bereich Rechnung getragen werden.
3. Der Anteil weiblicher Ärzte steigt. Damit wächst der Handlungsdruck, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen. Das bedeutet flexiblere Arbeitszeitmodelle, die Ermöglichung von Anstellungsverhältnissen nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in niedergelassenen Arztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren sowie die Schaffung ausreichender Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder.
4. Ein hoher Prozentsatz von Medizinern geht mittlerweile nicht mehr dem Arztberuf nach, sondern nimmt z.B. eine nichtärztliche Tätigkeit bei Krankenkassen, Medizinischem Dienst oder Behörden auf. Es muss versucht werden, diesen Trend zu wenden. Das kann durch eine Steigerung der Attraktivität des Arztberufes gelingen, aber auch durch eine differenziertere Auswahl der Medizinstudenten im Hinblick auf die späteren Anforderungen und nicht nur anhand der Abiturnoten. Darüber hinaus können die Länder weitere Maßnahmen zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum auf den Weg bringen. Über eine Landarztquote gegebenenfalls in Kombination mit entsprechend ausgestalteten Stipendien haben die Länder die Möglichkeit, das Niederlassen in strukturschwachen Regionen für den medizinischen Nachwuchs attraktiv zu machen. Es muss zudem überdacht werden, bei der Festlegung der Ausbildungskapazitäten in der Medizin nicht nur den Bedarf für die medizinische Versorgung der Bevölkerung,
sondern den Arbeitsmarkt für Mediziner insgesamt zu berücksichtigen. Die FDP sieht die Notwendigkeit, die Medizinstudienplätze bundesweit dauerhaft um 10 Prozent zu erhöhen. Sie unterstützt zu diesem Zweck den vom nordrhein-westfälischen Innovationsminister, Andreas Pinkwart, vorgeschlagenen Ärztepakt. Bund und Länder sollen den Aufwuchs in einer Ergänzungsvereinbarung zum Hochschulpakt verlässlich regeln.
5. Diejenigen, die sich entscheiden, den Arztberuf tatsächlich ergreifen zu wollen, müssen auf dem Weg dorthin unterstützt werden. Das bedeutet u.a., dass die Weiterbildungsabschnitte in Klinik und Praxis besser koordiniert werden müssen.
6. Ärzte, die bereit sind, sich in unterversorgten Gebieten niederzulassen, müssen entsprechende Unterstützung erfahren. Die FDP begrüßt, dass bereits heute in bestimmten Regionen Maßnahmen ergriffen worden sind, wie z. B. die Zahlung von Investitionskostenzuschüssen und Umsatzgarantien für Ärzte, die bereit sind, sich in unterversorgten Regionen niederzulassen, höhere Wegegebühren für Hausbesuche, sowie eine Entlastung niedergelassener Ärzte durch eine Neuordnung des Notdienstes. Diese Maßnahmen müssen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit evaluiert und im Erfolgsfall ausgeweitet werden. Unbeschadet der Änderungen durch das Vertragsarztänderungsgesetz müssen Vorschläge wie die Ausweitung der Möglichkeiten, Zweigpraxen zu betreiben, die Tätigkeit von Ärzten in Einrichtungen der Kassenärztlichen Vereinigungen zu ermöglichen, die Kooperation mit Krankenhäusern zu verbessern usw. gerade für den ländlichen Raum wohlwollend geprüft werden.
7. Um eine umfassende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auch in Zukunft sicher zu stellen, muss festgestellt werden, welche Aufgaben Ärzte selbst übernehmen müssen und welche Aufgaben von anderen Berufsgruppen übernommen werden können. Dabei geht es zum einen um die Entlastung von Verwaltungstätigkeiten. Zum anderen sind die Ärzte gefordert, die Bedingungen zu formulieren, unter denen ärztliche Aufgaben delegiert werden können.
Wo zurzeit ein Mangel an Ärzten besteht, muss flexibel reagiert werden. Dafür gibt es kein Patentrezept, sondern verschiedene Ansätze, die im Einzelfall wirksam sein können. Die FDP legt dabei die Priorität auf die Sicherstellung einer Versorgung über freiberuflich tätige Ärztinnen und Ärzte. Die Möglichkeiten zur Stärkung der Versorgung in diesem Bereich z.B. auch über eine verbesserte Bedarfsplanung sollen ausgeschöpft werden bevor andere Instrumente in Betracht kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Link