Michael Kießling MdB_Quelle Oliver Grüner
Michael Kießling
CSU
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Frage von Marlon M. •

Würden Sie einem Antrag zu einem AfD-Verbotsverfahren zustimmen?

Michael Kießling MdB_Quelle Oliver Grüner
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 31. Januar.

Das Thema eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens beschäftigt derzeit viele von uns.

Die CSU im Bundestag hat sich geschlossen dazu entschieden, dem Gruppenantrag zur Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD nicht beizutreten, da wir den Versuch eines Parteiverbots zum jetzigen Zeitpunkt für juristisch nicht erfolgversprechend und politisch kontraproduktiv einschätzen.

Folgende Erwägungen haben zu dieser Entscheidung geführt:

Laut dem Bundesverfassungsgericht ist eine Partei verfassungswidrig, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf abzielt, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen, zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Allein das Vertreten extremistischer Positionen ist in unserer Parteiendemokratie als politisch zugespitzter Meinungskampf prinzipiell von den Grundrechten gedeckt, auch wenn uns das missfällt. Zudem müssen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Erreichen der von der Partei verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.

Diese Voraussetzungen sind mit Blick auf die AfD – zumindest derzeit – aller Voraussicht nach nicht erfüllt. Zwar führt das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall auf Rechtsextremismus. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat diese Einschätzung bestätigt. Eine Einstufung als „Verdachtsfall“ ist aber nicht gleichzusetzen mit den – erheblich höheren – Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an das Verbot einer Partei stellt. Wir gehen eher davon aus, dass bei der AfD die Voraussetzungen eines Parteiverbots (noch) nicht erfüllt sind und die Verfassungsschutzämter nicht über hinreichendes Beweismaterial für ein Verbotsverfahren verfügen.

Ein Verbotsverfahren dauert – selbst im Erfolgsfall – mehrere Jahre, bei der NPD waren es vier Jahre. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall eines erfolgreichen Verbotsantrags könnte sich die AfD also vermutlich noch an der Bundestagswahl in vier Jahren beteiligen und sich dabei als vermeintliche „Märtyrer“ inszenieren.

Dem Gruppenantrag fehlt unserer Meinung nach die erforderliche Tatsachengrundlage in Form einer umfassenden Materialsammlung, die nur durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter für Verfassungsschutz erstellt werden kann. Eine fundierte Entscheidung jedoch erfordert eine solche Grundlage. Das Bundesverfassungsgericht verlangt außerdem, vor Einleitung eines Verbotsverfahrens „strikte Staatsfreiheit“ gegenüber der Partei herzustellen. Das bedeutet: Die Begründung eines Verbotsantrages darf nicht auf Beweismaterialien beruhen, deren Entstehung auf das Wirken von V-Leuten oder verdeckten Ermittlern zurückzuführen ist. Eine solche Garantie kann jedoch nur die Bundesregierung oder die Landesregierungen geben. Nur sie können daher einen überzeugenden Beweisantrag erstellen.

Bei so ungewissen Erfolgsaussichten ist es politisch unklug, ein Verbotsverfahren zu betreiben. Ein Antrag auf Einleitung eines Verbotsverfahrens müsste erst das parlamentarische Verfahren im Bundestag durchlaufen. Im Innenausschuss könnte die AfD wegen ihres Fraktionsstatus zudem eine öffentliche Sachverständigenanhörung beantragen.

Das größte Problem sehen wir darin, dass im parlamentarischen Verfahren die Nachrichtendienste des Bundes und der Länder im Innenausschuss unter Anwesenheit der AfD berichten müssten, welche Erkenntnisse über die AfD vorliegen. Dies würde der AfD ermöglichen, Rückschlüsse auf ihre Quellen und Informationswege zu ziehen. Dadurch könnte sie ihre Märtyrer-Rolle öffentlich ausbauen. Sollte ein Verbotsantrag scheitern, erhielte die AfD zudem ein verfassungsgerichtliches „Gütesiegel“ und würde als verfassungsgemäße Partei gelten. Dieses Risiko halten wir für nicht tragbar.

Ein Verbot der Zustimmung zur AfD halten wir für einen Trugschluss. Stattdessen sollten die demokratischen Kräfte die AfD politisch und inhaltlich stellen. Wir setzen auf Ursachenbekämpfung statt Symptombehandlung: Die drängenden Probleme in Deutschland müssen gelöst werden, um den weit verbreiteten Frust in der Bevölkerung gerecht zu werden. Deshalb bringt unsere Fraktion zu den Themen, die die Bevölkerung bewegt, Gesetzentwürfe und Anträge ein.

Kurzum: Die CSU im Bundestag lehnt die Beteiligung an einem Gruppenantrag zur Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD ab. Nach intensiver Abwägung der rechtlichen und politischen Argumente sehen wir keine ausreichende Grundlage für ein erfolgreiches Verbotsverfahren. Die Lösung liegt in der Bewältigung politischer und gesellschaftlicher Probleme, nicht im Versuch eines Verbots. Das wollen wir als Union bei einer Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl im Februar erreichen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen damit unsere Position verständlich darlegen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Kießling

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