Warum ist laut dem Gesetzesentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes keine Betäubung bei einigen Amputationen zur Anpassung von Tieren an Haltungssysteme in der Landwirtschaft vorgeschrieben?
Beispiele hierfür wären
• Kastrationen von Schafen und Ziegen im Alter von bis zu vier Wochen
• Das Kürzen des Schwanzes von unter vier Tage alten Ferkeln
• Das Abschleifen der Eckzähne von unter acht Tage alten Ferkeln
• Das Abschneiden des krallentragenden letzten Zehengliedes bei „Masthahnenküken“ während des ersten Lebenstages
Sehr geehrte Frau R.,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Tierhaltung und Tierschutz in Deutschland.
Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützen wir grundsätzlich Bemühungen zur Verbesserung des Tierschutzes. Für uns ist klar, dass Tiere nicht so gezüchtet werden sollen, dass Schmerzen, Leiden oder Schäden damit verbunden sind. Den geplanten Änderungen am Tierschutzgesetz durch die aktuelle Bundesregierung stehen wir jedoch aus verschiedenen Gründen kritisch gegenüber.
Der vorgelegte Gesetzentwurf würde unserer Einschätzung nach erhebliche zusätzliche Kosten für die Landwirte bedeuten, insbesondere im Hinblick auf Stallumbauten, die auf rund 900 Millionen Euro geschätzt werden, sowie etwa 100 Millionen Euro jährlicher Folgekosten. In Anbetracht der ohnehin schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Landwirtschaft erscheint es uns wenig zielführend, die Branche jetzt mit weiteren finanziellen Belastungen zu konfrontieren. Dies wiegt umso schwerer, nachdem die Bundesregierung zum Jahreswechsel Kürzungen der finanziellen Unterstützung für die Landwirtschaft angekündigt hat, was bereits zu massiven Protesten geführt hat.
Ein weiterer Punkt der Kritik betrifft die Verschärfung des Strafrahmens bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz sowie diverse Verbote, die im Entwurf vorgesehen sind. Maßnahmen dieser Art auf rein nationaler Ebene könnten zu einer Verlagerung der Tierhaltung ins Ausland führen – eine Entwicklung, die weder im Interesse des Tierschutzes noch der deutschen Landwirtschaft wäre. Bereits heute sehen wir einen deutlichen Rückgang der Tierhaltung in Deutschland, bedingt durch verschärfte gesetzliche Vorgaben und unzureichende politische Rahmenbedingungen. Die geplanten Änderungen würden die Situation durch erhöhte Bürokratie und weitere Kosten nur verschärfen.
Aus unserer Sicht ist die Novelle des Tierschutzgesetzes in der vorliegenden Form daher weder verhältnismäßig noch zielführend. Wir können einer Politik, die die große Mehrheit der verantwortungsvollen Tierhalterinnen und Tierhalter derart belastet, nicht zustimmen.
Zudem möchte ich betonen, dass Deutschland bereits über eines der fortschrittlichsten Tierschutzgesetze weltweit verfügt. Viele wichtige Fortschritte im Tierschutz wurden maßgeblich unter unionsgeführten Bundesregierungen beschlossen, wie zum Beispiel das Verbot der Tötung von Eintagsküken, das seit dem 1. Januar 2022 in Kraft ist, oder der Ausstieg aus der Kastenstandhaltung. Nach einer Übergangsfrist dürfen Sauen nur noch in Gruppen gehalten werden und verbleiben nur noch für kurze Zeit nach dem Abferkeln im Kastenstand.
Generell sind wir der Auffassung, dass wir den Tierschutz verstärkt im europäischen Kontext harmonisieren sollten. Themen wie die Standards in der Nutztierhaltung, die Bedingungen für Tiertransporte oder der illegale Welpenhandel lassen sich nur durch eine enge Zusammenarbeit auf EU-Ebene sinnvoll regeln. Nationale Alleingänge gefährden hingegen die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft im Binnenmarkt der EU und sind in der Praxis schwer umsetzbar.
Zum aktuellen Stand: Heute, am 14. Oktober, findet eine öffentliche Anhörung zur Novelle des Tierschutzgesetzes statt, in der Sachverständige ihre Einschätzungen zu den geplanten Änderungen abgeben werden. Inwieweit diese Stellungnahmen im weiteren Gesetzgebungsprozess berücksichtigt werden, bleibt abzuwarten.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kießling