Frage an Michael Kießling von Stefan F. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Kießling,
vielen Dank für die schnelle Antwort auf meine Frage bzgl. der Impfpflicht: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/michael-kiesling/question/2019-07-20/319755
Die Masernimpfung an sich wird nicht in Frage gestellt, die geplante Impfpflicht aber sehr wohl. Als Wähler habe ich die Erwartungshaltung, dass die Politik sich bei so wichtigen Entscheidungen, die Eingriffe in Grundrechte bedeuten, alle Informationen, die Ihnen aufgetischt werden, auch einmal kritisch zu hinterfragen und sich selbst ein Bild zu machen und nicht nur ungeprüft wiederkäuen. Lassen Sie uns nicht mit Kanonen auf Spatzen (der falschen Zielgruppe) schießen.
Als neutralen Einstieg in das Thema kann ich Ihnen die Lektüre von http://impf-info.de von einem Münchener Kinderarzt empfehlen, der ebenfalls Mitglied der Vereins "Ärzte für individuelle Impfentscheidung" ist. Dieser Verein hat im übrigen vor kurzem dem Petitionsausschuss über 143.000 Stimmen von mündigen Bürgern überreicht, die auch gehört und ernst genommen werden sollten - und zwar bitte noch vor einer vorschnellen Gesetzeszustimmung: https://www.openpetition.de/petition/online/deutschland-braucht-keine-impfpflicht . In der Petition werden
Die Zahlen der WHO, die Sie nennen, klingen auf den ersten Blick sehr alarmierend, sieht man jedoch genauer hin, stellt man fest, dass sich an der Situation Deutschlands absolut nichts verändert hat. Ich bitte darum, sich dies zu vergegenwärtigen.
Ich würde Sie höflichst um erneute Stellungnahme bitten und um ein klares Statement, ob Sie dem Gesetzesentwurf zustimmen werden. Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
S. F.
Sehr geehrter Herr F.,
vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie erneut Stellung zur aktuellen Debatte zum Thema Impfpflicht nehmen und mich um Auskunft bitten. Wie Sie wissen, halte ich es für besonders wichtig, eine offene und differenzierte gesellschaftliche Diskussion zu diesem Thema zu führen.
Aber klar ist: Impfungen gehören zu den wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen. Gleichzeitig schützt die Impfung nicht nur die geimpften Personen selbst, sondern insbesondere indirekt auch die Menschen, die sich nicht selbst impfen lassen können.
Bei Masern beispielsweise, die in dem Gesetzesentwurf thematisiert werden, bedeutet eine niedrige Impfquote ein hohes Gesundheitsrisiko. Weltweit sind Masern weiter auf dem Vormarsch, im Jahr 2018 haben sich die Infektionszahlen weltweit verdoppelt. Dies ist besonders deshalb schwer zu akzeptieren, da gut verträgliche und hochwirksame Impfstoffe zur Verfügung stehen. Gleichzeitig existiert keine spezifische Behandlung gegen die Krankheit. Das hat zur Folge, dass bei einer Ansteckung lediglich die Symptome behandelt werden können. Dies ist besonders problematisch vor dem Hintergrund, dass besonders schutzbedürftige Gruppen aus verschiedenen Gründen nicht selbst aktiv geimpft werden können und deshalb auf hohe Impfquoten angewiesen sind. Dazu gehören neben Neugeborene bis neun Monate auch ältere Menschen, chronisch Erkrankte oder Schwangere. Das Robert Koch-Institut schätzt die Zahl der Gruppe auf rund 2 Prozent der Bevölkerung, d.h. rund 1,7 Millionen Menschen. Schutzimpfungen sind aus diesem Grund neben dem individuellen Schutz also auch für die öffentliche Gesundheit von Bedeutung.
Zur Verhinderung der Zirkulation von Masern brauchen wir eine Impfquote von mindestens 95 Prozent für die erste und zweite Schutzimpfung. Bis zum Schuleingang waren im Jahr 2016 über 97 Prozent der Kinder einmalig gegen Masern geimpft. Die Impfquote für die zweite Impfung lag im Durchschnitt bei 92,9 Prozent, sie stagniert bereits seit 2011 mehr oder weniger zwischen 92 Prozent und 93 Prozent. Trotz wiederholter Informationskampagnen und einer zum Teil hohen medialen Aufmerksamkeit, insbesondere zu Zeiten von Ausbrüchen, konnten diese Impfquoten bisher nicht weiter verbessert werden. Eltern konnten in einigen Fällen scheinbar nicht von der Notwendigkeit der zweiten Impfung überzeugt werden.
Der Gesetzentwurf sieht deshalb für Personen, die in bestimmten Einrichtungen betreut werden oder arbeiten die Pflicht vor, einen ausreichenden Impfschutz oder eine Immunität nachzuweisen. Der Fokus liegt damit auf Personen, die in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen regelmäßig mit anderen Personen in Kontakt kommen. Wenn der Nachweis nicht vorgelegt wird oder er ergibt, dass ein Impfschutz erst später vervollständigt werden kann, lädt das zuständige Gesundheitsamt die betroffene Person oder deren Erziehungsberechtigte zu einer Beratung ein. Kommt die Person der Verpflichtung des Nachweises trotz Aufforderung nicht nach, kann das Gesundheitsamt ein Verbot der Ausübung von Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstige Tätigkeiten, bei denen Kontakt zu den dort Betreuten besteht erlassen. Zudem dürfen die genannten Gemeinschaftseinrichtungen nicht betreten und benutzt werden – auch nicht zu Veranstaltungen. Dieses Verbot gilt nicht, wenn Personen der gesetzlichen Schul- oder Unterbringungspflicht unterliegen. Kommen nachweispflichtige Personen dieser Pflicht nicht nach, werden sie in letzter Instanz gemäß der bereits geltenden Rechtslage des Infektionsschutzgesetzes sanktioniert. Das bedeutet konkret das Begehen einer Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 2500 Euro geahndet wird.
Obwohl die Freiwilligkeit der Impfentscheidung selbst unberührt bleibt, folgt aus der Vorgabe, dass bestimmte Personen einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern aufweisen müssen, ein mittelbarer Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG). Der Eingriff ist jedoch durch die damit verfolgten öffentlichen Ziele des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt. Auch wird durch den mit einer Impfpflicht einhergehenden Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit der Wesensgehalt des Grundrechts nicht angetastet, da die Zielsetzung eines solchen Eingriffes gerade die Erhaltung der Unversehrtheit ist. Für Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen gemäß des Gesetzentwurfs beruflich tätig werden möchten, bedeutet die Regelung eine subjektive Berufszulassungsbeschränkung und somit einen Eingriff in das Grundrecht der Freiheit der Berufswahl (Artikel 12 Absatz 1 Satz 1 GG). Der Eingriff ist durch die damit verfolgten Zwecke des Schutzes der öffentlichen Gesundheit als wichtiges Gemeinschaftsgut gerechtfertigt.
Neben den neuen Regelungen bleiben selbstverständlich die Standards der gesetzlich geltenden Meldepflichten erhalten, sodass mögliche Nebenwirkungen von Impfungen wie bisher sehr ernst genommen werden und Impfstoffe laufend überprüft werden. Somit ist sichergestellt, dass Impfstoffe auch nach der Zulassung einer kontinuierlichen Sicherheitskontrolle unterliegen. Das Risiko von Schutzimpfungen gegen Masern ist für gesunde Menschen als gering einzustufen, das gilt auch für Kombinationsimpfstoffe, die möglicherweise ausschließlich zur Verfügung stehen. Die vorgesehenen Regelungen finden eine breite Unterstützung in der Gesellschaft. Kampagnen gegen das Vorhaben sollten nicht dazu führen, die Sicherheit von Impfstoffen und die Bedeutung von Schutzimpfungen in Zweifel zu ziehen. Impfungen gehören zu den größten Errungenschaften unserer medizinischen Entwicklung und haben zahlreiche Menschenleben gerettet.
Deswegen halte ich es für richtig, dass wir darüber debattieren und entscheiden werden, eine Masernimpfpflicht überall dort einzuführen, wo Menschen täglich in engen Kontakt miteinander kommen. Egal ob in der Kita, bei der Tagesmutter oder in der Schule – wir wollen möglichst alle Kinder vor einer Masernansteckung schützen. Und da die bisherigen Bemühungen nicht zu einer Erhöhung der Impfquoten auf die notwendige Höhe von 95 Prozent geführt haben, sollte man die Einführung einer Impfpflicht zur Steigerung der Impfquoten und zu einem verstärkten Gesundheitsschutz insbesondere für Kinder und die Schwächsten in unserer Gesellschaft durchaus in Betracht ziehen.
Ich kenne sowohl die Argumente der Impfgegner als auch die der Befürworter und werde diese sowie die mir vorliegenden Fakten nochmals gewissenhaft gegeneinander abwägen und dann einen finalen Entschluss fassen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kießling