Sehr geehrter Herr Frieser, was sagen Sie zu dem Skandal um Frau Roth bei der Berlinale ? Ist Frau Roth noch tragbar ? Sollte es nicht personelle Konsequenzen geben ?
Sehr geehrter Herr E.,
vielen Dank für Ihre Frage. Die Berliner Filmfestspiele waren ein trauriges Schauspiel. Weite Teile des Kulturbetriebes sind seit dem 07. Oktober in keiner Weise an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den komplexen Ursachen des Nahost-Konflikts interessiert, sondern betreiben eine einseitige Täter-Opfer-Umkehr. Der unrühmliche Höhepunkt dieser selbstgefälligen und geschichtsvergessenen Inszenierung war die Abschlussgala der Berlinale. Ein gut vernetztes und noch besser subventioniertes Milieu gefällt sich selbst in der Rolle des moralischen Mahners – mit Gratismut und berührt von der eigenen „Haltung“. Die einzige Demokratie im Nahen Osten wurde auf offener Bühne als „Apartheits-Staat“ diffamiert. Dagegen kein Wort zu den Verbrechen und der Gewaltherrschaft der Hamas, kein Wort zu den israelischen Geiseln und kein Wort zu den ausländischen Millionengeldern, die in die palästinensischen Terrortunnel geflossen sind.
Claudia Roth hat eine Aufarbeitung des Abends angekündigt. Es sei zu klären, wie künftig sichergestellt werden könne, dass die Berlinale ein Ort ist, der „frei von Hetze, Antisemitismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und jeglicher Form von Menschenfeindlichkeit“ ist. Sie wolle dazu mit der künftigen Intendantin der Berlinale sprechen. Mit Blick auf den unverhohlenen Antisemitismus auf der Documenta, der letztendlich folgenlos blieb, mache ich mir ehrlich gesagt wenig Hoffnung auf eine echte Aufarbeitung. Es braucht aber endlich klare Signale von Seiten der Politik, die hier nicht zuletzt im Sinne der Steuerzahler eine rote Linie ziehen muss: Antisemitismus hat nichts mit Kunstfreiheit zu tun. „Perspektiven des globalen Südens“ haben in Deutschland nichts verloren, wenn sie antisemitisch sind. Diese klare Haltung erwarte ich von einer Kulturstaatsministerin.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Frieser