Wie kann es sein, dass die Linke sich offen gegen Rüstungsexporte ausspricht und dennoch für Verteidigungswaffen an die Ukraine plädiert?
Sehr geehrter Herr Birkenwald,
Fehlende Einheit in der Linken-Fraktion hindert viele junge Menschen an ihrer Wahl, obgleich sie durchaus oft linke Sorgen und Beweggründe teilen.
Sehr geehrte Frau R.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Hier scheint ein Missverständnis vorzuliegen: Meine Fraktion und Partei DIE LINKE haben sich jeweils immer unmissverständlich gegen Waffenlieferungen ausgesprochen, übereinstimmend mit unserer Ablehnung von Rüstungsexporten.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die vielen Toten bei Zivilisten und Soldaten auf beiden Seiten – oft junge Menschen, die an der Entscheidungen in diesem Krieg keinen Anteil und ihr ganzes Leben noch vor sich hatten – sorgen auch bei mir für Entsetzen. Ich teile die Sorge vieler Menschen um die Zukunft Europas und die Möglichkeit einer künftigen Friedensordnung.
Gerade deswegen lehnen meine Fraktion DIE LINKE und ich die Lieferung weiterer Waffensysteme Deutschlands und des „Westens“ an die Ukraine ab. Sie vergrößern die Gefahr, von Vladimir Putin als faktischer Kriegseintritt Deutschlands und/oder weiterer NATO-Staaten gewertet zu werden. Dies würde die Lage massiv verschlimmern. Die Drohungen Putins, notfalls Atomwaffen zum Einsatz zu bringen, sollten meines Erachtens nicht leichtfertig abgetan werden. Deswegen unterstütze ich vor allem all jene diplomatische Bemühungen, die Waffenruhe-, Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen auf den Weg bringen könnten.
In diesem Sinne habe ich den Aufruf „Stoppt die Eskalation - Stoppt den Krieg!“ mitgezeichnet, den u.a. die früheren Bundestagsabgeordneten der LINKEN, Christine Buchholz und Tobias Pflüger, sowie die LINKE Europaabgeordnete Özlem Alev Demirel aus Düsseldorf initiiert haben.
Darin heißt es u.a.:
„Die Lieferung von Schützen- und Kampfpanzern wird den Krieg nicht beenden, im Gegenteil: es droht eine weitere Eskalation.
Deswegen stellen wir uns unmissverständlich gegen die Lieferung von Marder-Schützenpanzern, Leopard2-Kampfpanzern und weiterer Waffen.
Es ist ein unverzüglicher Waffenstillstand nötig, um das Sterben und Leiden zu beenden. Ein Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine ist ebenso nötig wie eine scharfe Kritik daran, dass die NATO ihre Interessen höher bewertet als eine rasche Friedenslösung.
Zugleich setzen wir uns für die Rechte der Geflüchteten aus der Ukraine und Russland ein und organisieren praktische Solidarität mit ihnen.“
Unter http://stoppt-die-eskalation.de/aufruftext/ können Sie den Aufruf nachlesen.
Ob des wirklich nicht optimalen Auftretens meiner Partei in der Öffentlichkeit in der jüngeren Zeit kann ich nachvollziehen, warum Sie den Eindruck erhalten haben, dass es in dieser Frage widersprüchliche Beschlüsse und Aussagen der Partei gebe. Ich wünsche mir auch, dass Partei Meinungsverschiedenheiten künftiger solidarisch und nicht über die Öffentlichkeit austragen möge, um jenen Eindruck „fehlender Einheit“ zu mindern, der bei Ihnen angekommen ist.
Auf ein möglichst baldiges Ende des furchtbaren Blutvergießens, einen nachhaltigen Frieden und eine Hinwendung zu Rüstungskontrolle und -konversion hoffend, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen,
Ihr Matthias W. Birkwald MdB