Frage an Matthias W. Birkwald von Andrea S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Birkwald,
mir ist bewusst, dass Sie mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz mitten im parlamentarischen Verfahren sind.
Können Sie sich vorstellen, welche große Erwartungen und vor allem Hoffnung die Betroffenen haben?
Das Gesetz welches ich für ein sehr gutes halte, zielt auf die richtige Personengruppe, den es führt dazu, dass die mittlere und einfache Bevölkerungsschicht entlastet werden soll.
Gerade deswegen finde ich es sehr zynisch, dass sich ausgerechnet die Kommunen querstellen!
Ist Ihnen bewusst, wie stark momentan die Sozialämter die Bürger finanziell ausquetschen und belasten? Ist Ihnen bekannt, dass die Sozialämter die Angehörigen bei der Heranziehung zur Deckung der Kosten wie Schwerverbrecher behandeln und die Gesetze einseitig und teils willkürlich auslegen?
Können Sie mir sagen, wie ich so für mein späteres Leben vorsorgen soll um nicht in die Altersarmut abzurutschen, wenn das Gesetz nicht kommen sollte?
Daher würde ich gerne von Ihnen wissen, was Sie tun möchten, dass das Gesetz erst gar nicht in den Vermittlungsausschuss kommt? Was können Sie dem Bundesrat anbieten, dass er dem Gesetz am 29.11.2019 zustimmt?
Könnte das Gesetz überhaupt noch zum 01.01.2020 Inkrafttreten, wenn es in den Vermittlungsausschuss geht? Wann könnte es dann frühestens Inkrafttreten?
Was passiert mit dem Gesetz, wenn der SPD-Bundesparteitag sich entschließt aus der GroKo auszusteigen und es im Vermittlungsausschuss liegt?
Sie sehen, dass es viele Fragezeichen und Ängste gibt.
Können wir betroffenen dazu beitragen den Bundesrat zu überzeugen? Vielleicht reicht es auch schon aus, wenn Sie einen Blick hinter die Kulissen werfen (https://www.familienrecht-heute.de/forum/board/16-elternunterhalt/ ) um Überzeugungsarbeit leisten zu können.
Mich umtreiben Ängste, Sorgen und Schamgefühl gegenüber meiner Familie aus dieser Situation nicht mehr herauszukommen. Bitte tun Sie alles um uns endlich den psychische Druck zu nehmen.
Beste Grüße
A.S.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich, soweit es mir möglich ist, gern beantworte. Ängste, dass das Angehörigenentlastungsgesetz nicht zum 01. Januar 2020 oder möglicherweise gar nicht in Kraft treten wird, kann ich sehr gut verstehen. Wir LINKEN haben das Gesetz eben deshalb nicht abgelehnt, weil die Aufhebung des Elternunterhalts gerade Normal- und Niedrigverdienende entlastet. Pflegebedürftige Menschen sind außerdem nicht mehr gezwungen, nur deshalb nicht in ein Pflegeheim zu gehen, weil sie den Kindern nicht auf der Tasche liegen wollen.
Das ist gut, aber es reicht nicht. Es fehlt eine Lösung, wie die Mehrausgaben, die wahrscheinlich auf die Kommunen zukommen, gerecht finanziert werden. Denn das Gesetz wird zu steigenden Ausgaben in der Hilfe zur Pflege führen. Nicht nur weil die Einnahmen aus dem Elternunterhalt für die Kommunen wegfallen – diese Summe ist gar nicht so groß – sondern weil sich möglicherweise mehr Menschen für einen heimplatz entscheiden, den sie aus eigener Tasche nicht bezahlen können.
Hier lässt die Bundesregierung sowohl die Kommunen als auch die Familien mit Pflegebedarf allein. Letztendlich geht es doch darum, Sozialhilfe in der Pflege überflüssig zu machen. Das bedeutet: Nicht nur die Heimkosten müssen sinken. Alle Pflegesachleistungen – ob ambulant oder stationär – sollen nach unserer Auffassung von der Pflegeversicherung finanziert werden. Diese Pflegevollversicherung wollen wir durch eine konsequent solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung finanzieren. Wenn die Bundesregierung dazu schweigt und die schön gerechneten Belastungen allein den Kommunen zuschiebt, wird ein dringendes Problem nur verschoben, aber nicht gelöst.
Zum parlamentarischen Verfahren kann ich nur teilweise antworten. Geht das Gesetz in den Vermittlungsausschuss, kann es dennoch rückwirkend zum 01. Januar2020 in Kraft treten. Solange der Vermittlungsausschuss allerdings tagt, gilt das Gesetz nicht, wird also nicht vollzogen. Als Bundestagsabgeordnete können wir nur noch wenig tun, um zu verhindern, dass der Vermittlungs-ausschuss angerufen wird. Das entscheiden die Länder und DIE LINKE wirkt leider nur in drei Länderregierungen mit.
Sie können als Betroffene öffentlich über Petitionen Einfluss nehmen, falls es wirklich noch zu einer Verzögerung kommt, oder sich direkt auch an den Bundesrat und den Vermittlungsausschuss wenden. Wir Abgeordneten der LINKEN werden sowohl intern als auch öffentlich betonen, dass das Gesetz schnell in Kraft treten muss, möglichst ohne Verzögerung zum 01. Januar 2020. Denn viele betroffene Menschen mit Pflegebedarf und ihre Familien haben keine Zeit (mehr), auf Entlastung zu warten.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Matthias W. Birkwald