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Matthias W. Birkwald
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Frage von Birgit D. •

Frage an Matthias W. Birkwald von Birgit D. bezüglich Wirtschaft

Wenn die Finanztransaktionssteuer eingeführt ist und die Reichen stärker besteuert werden, wenn es gelänge, den Lobbyismus in die Schranken zu verweisen und die Verstrickungen zwischen Politik und Wirtschaft aufzulösen, wie könnte es dennoch gelingen, Deutschland als Investitionsstandort attraktiv zu halten und Kapitalflucht zu vermeiden?

Angenommen, wir würden die hiesige Waffenproduktion fast komplett einstellen. Was wäre mit solchen Arbeitsplätzen, wie könnte Ersatz dafür beschafft werden? Ich fürchte, dass dort leider eine Menge Arbeitsplätze dran hängen, ebenso wie im Bereich der Kernenergie, die wir hier zwar nicht mehr haben wollen, aber nach wie vor gerne exportieren. Auch wenn ich die meisten Standpunkte der Linken teile, ist mir noch nicht klar geworden, was für ein Wirtschaftskonzept die Linken haben und wie Arbeitsplätze und Wohlstand langfristig gesichert werden sollen.

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau D.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Ihre Sorgen kann ich nachvollziehen, allerdings zeigt die Erfahrung der vergangenen Jahre: Das Wohl und Wehe des Investitions- und Wirtschaftsstandorts Deutschland hängt zum Glück nicht davon ab, dass die "Reichen" und Vermögenden bei uns im Land nur gering besteuert werden und mit Samthandschuhe angefasst werden müssten.

Ich bin nach allen uns vorliegenden Informationen fest überzeugt: Es gäbe keine massive Kapitalflucht und Produktionsverlagerung, wenn endlich eine gerechte, nach finanzieller Leistungsfähigkeit strukturierte, Einkommens-, Vermögens-, Erbschafts- und Unternehmensteuer durchgesetzt werden würde, wie wir LINKEN sie vorschlagen. Wohin sollte die gesamte Produktion auch für welchen Zweck verlagert werden? Die Steuer- und Abgabenhöhe ist bei betriebswirtschaftlich nüchtern kalkulierenden Unternehmen immer nur ein Aspekt für ihre Entscheidungsfindung und selbst hier ist sie nicht einmal ausschlaggebend.

Wenn es anders wäre, dann hätten die massiv gestiegenen Einkommen, Gewinne und Vermögen in den vergangenen Jahrzehnten bei den oberen zehn Prozent der Bevölkerung und Spitzenunternehmen ja zu vergleichbaren exorbitanten Investitionen und einem Wirtschaftswachstum sondergleichen führen müssen. Stattdessen haben wir aber sinkende und viel zu geringe Investitionen in der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand - und zwar ebenfalls seit Jahrzehnten!

Der kommende industrielle, technologische Strukturwandel wurde und wird in vielen Bereichen schlicht verschlafen, obwohl übermäßige Finanzmittel in den großen Unternehmen vorhanden waren und vorhanden sind (siehe Automobil- und Energiebranche, chemische Industrie etc.).

Die notwendigen Investitionen in zentralen Schlüsselbranchen lassen sich auch ohne Probleme weiter finanzieren, selbst wenn alle unsere Vorstellungen einer gerechten Besteuerung durch- und umgesetzt werden würden. Dafür werden allein schon die Einnahmen und Umsätze bei vielen Unternehmen sowie Kreditmöglichkeiten bei den Finanzinstituten sorgen, die dann endlich wieder realwirtschaftlich sinnvolle Mittel für Investitionen, Forschung und Entwicklung bereitstellen könnten. Die überwiegende Mehrheit der kleinen und mittleren Unternehmen würden mit unseren Vorschlägen sowohl bei den Steuern und Abgaben sogar entlastet, wie auch die meisten Selbstständigen und Freiberufler und Freiberuflerinnen.

Ich sage immer: Geld ist wie Mist: Auf einem Haufen stinkt's - gut verteilt düngt's.
Die Angst vor der Finanztransaktionssteuer ist meines Erachtens ebenso unbegründet. Mit ihr wird weder das notwendige Kredit- und Einlagengeschäft bei den Banken und Sparkassen verhindert, noch die Investitionsfinanzierung beschränkt werden. Einzig hoch spekulative und ökonomisch wie sozial massiv schädliche Spekulationen würden "besteuert" bzw. in der Spitze vermindert. Nicht mehr und auch nicht weniger.

Ein sozial-ökologischer Umbau erfordert - neben neuen und anderen Investitionen - unzweifelhaft einen technologischen und industriellen Strukturwandel. Deshalb sind etwa auch die aktuell noch in der deutschen Wehr- und Sicherheitstechnik direkt Beschäftigten rund 135.000 Personen mit ihren Qualifikationen viel sinnvoller einzusetzen. Der Waffenexport hat weder Konflikte gelöst und unser aller Leben sicherer gemacht (schon gar nicht im Rest der Welt), noch rechtfertigt sich aus beschäftigungspolitischen Gründen eine Ewigkeitsgarantie dieser Branche. Ähnliches gilt für die Beschäftigten in der Atomwirtschaft und in vielen Unternehmen mit Risikotechnologie. Die zivile Luft- und Raumfahrt, die Digitalisierung, die Energiewende, der Mobilitätswandel, die Abkehr von der Kohlenstoffwirtschaft, die nachhaltige Ver- und Entsorgung und unzählige weitere Felder bieten Alternativen für die vielen qualifizierten, hoch motivierten Männer und Frauen aus den Branchen, die aus unterschiedlichen Gründen langfristig ökonomisch, sozial und auch politisch nicht sinnvoll sind. Hier gibt es - wie immer - nur die Notwendigkeit und soziale Verantwortung, den rationalen, gesteuerten und mit den Beteiligten abgestimmten Strukturwandel und die Konversion mit den notwendigen Finanzmitteln und wirtschafts- wie ordnungspolitischen Möglichkeiten umzusetzen. Genau dafür steht DIE LINKE mit ihren finanz-, steuer-, wirtschafts- und sozialpolitischen Forderungen.

In der Hoffnung, Ihnen zu Ihrer Zufriedenheit geantwortet zu haben und mit der Bitte um Ihre Erst- und vor allem um Ihre Zweitstimme (die zählt!) für DIE LINKE am 24. September verbleibe ich
mit den besten Wünschen für Sie und
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Matthias W. Birkwald MdB

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