Frage an Matthias W. Birkwald von Uta S. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Birkwald,
aus einem Artikel in der Welt erfuhr ich, dass Sie - wie ich- Probleme in den Bestimmungen des schnell gestrickten Gesetzes zur Mütterrente sehen und sich im Bundestag damit auseinander setzen. Das Gleiche hatte ich von einem SPD Mann Vorort erwartet, der aber nichts davon hielt. Ich habe 3 Kinder, bekomme aber nur für 2 Mütterrente. Grund: 4 Wochen vor der Geburt zogen wir von Deutschland in die Schweiz, wo mein Mann eine Weiterbildungsstelle an einer Uniklinik annahm. Diese hatte er sich selbst gesucht, war also nicht vom vorigen Arbeitgeber geschickt worden. 2 Jahre später zogen wir wieder nach Deutschland, und dieses gerade 2-jährige Kind habe ich so lange erzogen, bis es flügge war. Wie Sie wissen, bekomme ich kein Geld, weil ich an dem Stichtag nicht in Deutschland lebte. Ich weiß, dass es nicht so absurd ist, wie die Geschichten der Adoptiveltern, aber ich empfinde es als absolut ungerecht, dass ich , obwohl ich 3 Kinder großgezogen habe, davon noch jahrelang als Alleinerziehende, so behandelt werde, als hätte ich nur 2 gehabt. Meine Einsprüche sind von der Rentenvericherung abgewiesen worden. Der Widerspruchsbescheid, den ich erst nach dem Artikel in der Welt wieder hervorgeholt habe, gibt mir noch bis zum 21. Juni Zeit, um Klage zu erheben. Wegen - in meinen Augen- frustrierender Aussichtslosigkeit hatte ich das Schreiben abgeheftet. Keine Ahnung, was ich nun noch tun könnte. Vielleicht haben Sie ja einen Rat.
Herzlichen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Liebe Frau Simon,
zunächst bitte ich um Entschuldigung, dass ich aufgrund der hohen Termindichte und Arbeitsbelastung in der vergangenen Woche erst heute dazu komme, auf Ihre Anfrage zu antworten.
Sie nehmen in Ihrem Schreiben Bezug auf unseren Antrag zur Anerkennung der Kindererziehungszeiten (Mütterrente) für Adoptiveltern. Hintergrund ist ja die Tatsache, dass für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, das zweite Jahr jetzt pauschal einen Entgeltpunkt als Aufschlag gezahlt wird. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind wird aber nach § 307d SGB VI nur dann berücksichtigt, wenn in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde. Zusätzlich gilt auch noch in § 56 ein sehr strenges Territorialprinzip. Nach § 56 Abs. 3 SGB VI wird die Kindererziehungszeit nur anerkannt, wenn gilt: "Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat." Ein Widerspruch gegen die geltende Rechtslage, die hier auf den ersten Blick korrekt angewandt wurde, erscheint mir deshalb nicht erfolgsversprechend.
Es gibt aber - wie so oft im Rentenrecht - auch Ausnahmeregelungen. So heißt es in § 56 Abs. 3 auch: "Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war."
Diese Formulierung ist aber relativ vage und war Gegenstand von gerichtlichen Überprüfungen. Ich empfehle Ihnen deshalb eine kompetente und individuelle Rechtsberatung bei einer Gewerkschaft oder einem Sozialverband wie dem VdK, um prüfen zu lassen, ob Sie eine Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen können.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias W. Birkwald MdB