Frage an Matthias W. Birkwald von Christa B. bezüglich Bildung und Erziehung
Was tut DIE LINKE, um das Schul- und damit auch das Bildungssystem in Deutschland zu verbessern und allen Schülern die Chancen auf einen guten Schulabschluss zu ermöglichen?
Wie lassen sich die Chancen für Abiturienten aus sozial schwachen Familien verbessern, ein
Studium zu absolvieren?
Wie können die Verhältnisse an den deutschen Universitäten verbessert werden?
C. Birkwald
Sehr geehrte Frau Namensvetterin,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Bildung ist zwar im Wesentlichen ein Aufgabe der Bundesländer und seit kurzem hat der Bund hier sehr zu meinem und dem Bedauern der LINKEN noch weniger Zuständigkeiten. Aber genau das wollen wir ändern. Wir brauchen einen nationalen Bildungsrahmenplan, damit die Bildungsergebnisse über alle Länder hinweg vergleichbar sind. Die Menschen sollen immer mobiler werden, dann müssen Kinder auch problemlos von bayerischen Schulen auf solche im Rheinland, Sachsen oder Berlin wechseln können.
Das Bildungssystem in Deutschland ist derzeit sehr ungerecht. In keinem anderen Industrieland entscheiden Bildungsstand und Geldbeutel der Eltern so stark über den Bildungsweg der Kinder. Es fehlt an Lehrstellen und Studienplätzen. Schulgebäude sind marode, Klassen zu groß und Hörsäle überfüllt. Mein Partei, DIE LINKE, fordert darum eine gebührenfreie Bildung für alle, langes gemeinsames Lernen und eine ausreichende Finanzierung des Bildungswesens.
Aber im Einzelnen:
Bei der Bildungsfinanzierung fordert DIE LINKE, Bildung vollständig aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren und mehr Geld für Bildung. Gute Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. CDU/CSU, SPD und FDP wollen Bildungsausgaben durch höhere private Anteile durch Gebühren für das Studium, die Kita und für die schulische Ausbildung steigern. Das lehne ich schon seit langem hab und habe mich bereits vor Jahren im Rahmen des „Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren“ dafür eingesetzt, dass auch die Hochschulbildung kostenlos bleibt. Die Erfahrung zeigt, dass Studierende aus einkommensschwachen Familien durch Studiengebühren von der Aufnahme eines Studiums abgeschreckt werden. Das darf nicht so bleiben.
In der Schule steht DIE LINKE für eine Gemeinschaftsschule bis zur 10. Klasse. Das bedeutet: Keine soziale Auslese in der Schule und individuelle Förderung aller Kinder in kleineren Klassen und mit mehr Lehrerinnen und Lehrern sowie sozialpädagogischem Personal. CDU/CSU und FDP wollen Schülerinnen und Schüler weiter in Gymnasium, Real- und Hauptsuche einsortieren und behinderte Kinder in Sonderschulen abschieben. Die SPD schafft in der Praxis nur die Hauptschulen ab. Wir wollen eine Schule für alle. In meiner Heimatstadt Köln entspricht dies übrigens dem Elternwillen, die weit über 2000 Kinder für das nächste Schuljahr an Gesamtschulen anmeldeten. 861 wurde ein Platz an einer Gesamtschule verwehrt. Die Kölner LINKE sammelt derzeit Unterschriften, damit die Stadt Köln eine weitere Gesamtschule errichtet und so künftig der Elternwille realisiert werden kann.
Wer darf studieren? DIE LINKE will den Numerus Clausus und individuelle Auswahlverfahren der Hochschulen abschaffen und ausreichend Studienplätze finanzieren. Auch ohne Abitur soll studieren unter bestimmten Bedingungen möglich sein. Das Studium ohne Abitur ist für CDU/CSU und FDP kein Thema. CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP wollen vor allem Eliteuniversitäten für wenige fördern. DIE LINKE will das BAföG zum elternunabhängigen Vollzuschuss ohne Rückzahlung ausbauen. Gezahlt werden soll es für die durchschnittliche Studiendauer. SPD, CDU/CSU und Grüne haben das BAföG in ihren Regierungszeiten nicht einmal an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst. Wir LINKEN setzen uns für ein gebührenfreies Studium ein. Auch versteckte Gebühren wie Studienkonten oder Verwaltungsgebühren gehören m.E. abgeschafft. Das wäre eine Teillösung für die von Ihnen angesprochenen „Abiturienten aus sozial schwachen Familien“, denn sicher gehört da auch reichlich Förderung in der Ganztagsschule im Vorfeld dazu, damit das Abitur erfolgreich erlangt werden kann. CDU/CSU und FDP haben übrigens in mehreren Bundesländern bereits Studiengebühren eingeführt. Die Grünen fordern, dass man nach dem Studium Gebühren abbezahlen muss. Das alles fördert nur die soziale Selektion, die es abzuschaffen gilt.
Woher will DIE LINKE das Geld nehmen? Nun, von 2009 an wollen wir ein jährliches öffentliches Investitionsprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro, die für Bildung, Klimaschutz, Verkehr, Gesundheit und eine Energiewende verwendet werden. Davon müssen im Rahmen eines nationalen Bildungspaktes jährlich rund 18 Milliarden Euro mehr von Bund und Ländern in Bildung investiert werden. Ein Zukunftsfonds, der mit 100 Milliarden Euro ausgestattet ist, steht den Unternehmen zur Verfügung, die sich in Produkten und Verfahren sozial und ökologisch weiterentwickeln wollen. Zusammen sollen so zwei Millionen zusätzliche, nach Tarif bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden, davon eine Million - nach skandinavischem Vorbild - bei öffentlichen Dienstleistungen – vor allem in den Bereichen Kinderbetreuung, Bildung und Gesundheit. Unser Steuerkonzept sieht deutliche Verbesserungen auf der Einnahmeseite der Staatsfinanzen vor. Mit einer Vermögensteuer, einer gerechten Erbschaftssteuer, einem Spitzensteuersatz von 53% wie unter der Regentschaft von Helmut Kohl und einer Börsenumsatzsteuer ließe sich dreistellige Milliardenbeträge erwirtschaften, die u.a. auch eine gute Bildung für alle ermöglichte. Das ist wichtig, denn Deutschland steckt in einer Bildungskrise. Dagegen regt sich berechtigter Protest: Mit dem Bildungsstreik im Juni dieses Jahres haben viele Schülerinnen, Schüler, Auszubildende und Studierende für grundlegende Bildungsreformen demonstriert. DIE LINKE hat den Bildungsstreik unterstützt und wird weiter für einen bildungspolitischen Richtungswechsel streiten. Das Bildungswesen in Deutschland gleicht soziale Unterschiede nicht aus. Im Gegenteil: Mit der Schule werden sie noch größer. Internationale Vergleiche wie die PISA-Studie zeigen, dass Grundkompetenzen wie Lesen und Verstehen bei einem Teil der Jugendlichen nur unzureichend entwickelt sind. Die systematische Ausgrenzung von sozial Benachteiligten, Migrantinnen und Migranten, von chronisch Kranken und Menschen mit Behinderungen ist in Deutschland so extrem wie in keinem anderen europäischen Land. Die Zahl der Schulabbrecherinnen und -abbrecher steigt. Es ist ein Skandal, dass es in Deutschland nach wie vor rund vier Millionen funktionale Analphabetinnen und Analphabeten gibt. Wer die Schule nicht erfolgreich absolviert, hat kaum Chancen auf einen Ausbildungsplatz und damit auf eine gute Berufsperspektive. Bildung ist für DIE LINKE eine der zentralen Voraussetzungen für Selbstbestimmung und individuelle Gestaltung des Lebens sowie für ein verantwortungsvolles, solidarisches Miteinander in einer demokratischen Gesellschaft. Bildung eröffnet Wege für die persönliche Entwicklung eines Menschen und für berufliche Perspektiven. Deshalb muss Bildung allen Menschen frei und in gleichem Maße zugänglich gemacht werden. DIE LINKE kämpft für eine chancengleiche Bildung von Anfang an. Dazu gehören vielseitiges, praxisorientiertes Wissen und Können, interkultureller Austausch, systematische und den Bildungsweg kontinuierlich begleitende Förderung beider Sprachen von zweisprachig aufwachsenden Kindern, Umweltbewusstsein und Sozialkompetenz, ästhetische Erfahrung, ein humanistisches Gesellschafts- und Geschichtsverständnis, Kritik- und Urteilsfähigkeit.
In allen Bundesländern dominieren derzeit Schulformen, die Kinder frühzeitig abhängen. Gemeinschaftsschulen, die längeres gemeinsames Lernen und individuelle Förderung verbinden, sind immer noch die Ausnahme. Einzelne Bundesländer haben mit Studiengebühren die Bildung weiter kommerzialisiert und neue soziale und kulturelle Barrieren eingeführt. Im kommenden Jahrzehnt droht ernsthafter Lehrermangel; aktuell fehlen 80 000 Fachkräfte für eine gute frühkindliche Bildung. Zu wenige junge Menschen schaffen es bis zur Hochschulreife und beginnen ein Studium. Auch darum wollen wir das Sozialstaatsgebot im Grundgesetz konkretisieren und soziale Grundrechte wie das Recht auf Arbeit, Wohnung, Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit und Erholung, verfassungsrechtlich verankern.
In diesem Sinne und
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Matthias W. Birkwald