Wie unterstützen Sie das Wechselmodell, die hälftige Kinderbetreuung nach Trennung und Scheidung durch Mutter UND Vater als gesetzlichen Regelfall? - (Regelfall = Ausnahmen sind möglich)
Viele Kinder verlieren nach Trennung und Scheidung innerhalb von 2 Jahren dauerhaft den Kontakt zu einem Elternteil (meist zum Vater) mit oft lebenslangen psychischen Belastungen, wenn ihre Eltern im Streit um das Sorgerecht vor Gericht ziehen. Viele deutsche Familiengerichte lasten die Kinderbetreuung nach alter patriarchaler Sitte den Müttern auf und entlasten bzw. degradieren Trennungsväter zu Wochenendbesuchsvätern im 14-Tage-Takt.
In Nachbarländern wie Belgien ist hingegen die hälftige Betreuung (alias Wechselmodell / Doppelresidenz / alternierende Obhut) durch beide Elternteile als gesetzlicher Regelfall verankert, mit durchweg positiven Folgen: weniger überlastete Allein-Erziehende, weniger behördliche Eltern-Kind-Entfremdung, weniger Gerichtsverfahren, glücklichere Kinder. Ausnahmen von der Regel werden auf Antrag gerichtlich festgelegt.
Andreas Wunderlich

Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Für die SPD steht fest: Kinder brauchen beide Eltern – auch nach einer Trennung. Studien zeigen, dass eine verlässliche Beziehung zu Mutter und Vater für die psychische Stabilität von Kindern entscheidend ist. Deshalb wollen wir im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) eine gesetzliche Grundlage schaffen, die es Gerichten ermöglicht, das Wechselmodell im Einzelfall und nach einer sorgfältigen Kindeswohlprüfung anzuordnen.
Wir sind jedoch überzeugt, dass es keine starre gesetzliche Regel geben darf. Jede Familie ist anders, jede Trennung individuell – was zählt, ist das Wohl des Kindes. Deshalb wollen wir die Gerichte in die Lage versetzen, das für das Kind beste Betreuungsmodell zu bestimmen – sei es das Wechselmodell, das Residenzmodell oder eine andere Lösung, die beiden Eltern eine aktive Rolle ermöglicht.
Dass es sich hierbei um ein vielschichtiges gesellschaftliches Thema handelt, zeigte auch eine Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 13. Februar 2019. Dort hat die Mehrheit der Sachverständigen sich gegen eine Festlegung des Wechselmodells als gesetzlichen Regelfall ausgesprochen. Die individuellen Bedürfnisse der Kinder sollten im Mittelpunkt stehen – nicht ein pauschales Modell.
Wir wollten in der aktuellen Legislaturperiode genau hier ansetzen: Die Ampel-Regierung hat es sich zum Ziel gesetzt, das Kindschaftsrecht zu reformieren. Ziel war es, im Gesetz ausdrücklich festzuschreiben, dass das Gericht das Wechselmodell – sei es als hälftige Betreuung (symmetrisches Wechselmodell) oder mit einem erheblichen Betreuungsanteil (asymmetrisches Wechselmodell) – anordnen kann, wenn dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Bereits nach geltendem Recht ist dies möglich, doch das Gesetz lässt diese Möglichkeit bislang nicht klar genug erkennen. (https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2024_Reform_Kindschaftsrecht.html)
Leider konnte diese wichtige Reform aufgrund des Scheiterns der Regierung und der daraus resultierenden vorgezogenen Neuwahlen nicht mehr zu Ende geführt werden. Am Ende fehlte schlicht auch die notwendige Zeit, um die Reform abzuschließen.
Unser Ziel ist es, Familien in ihren unterschiedlichen Lebensrealitäten im Sinne einer modernen und gleichberechtigten Familienpolitik gerecht zu werden.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Mieves