Wie erklären Sie die unterschiedliche Besteuerung von Medikamenten in der Human - und der Tiermedizin?
Sehr geehrter Herr Mieves.
Auf Medikamente in der Apotheke zahle ich 19% MwSt, in der Tiermedizin werden nur 7% MwSt erhoben.
Mittlerweile bin ich an einer chronisch lympathischen Leukämie (CLL) erkrankt. In der ersten einjährigen Therapie wurden neben Infusionen auch Tabletten verordnet. Diese kosteten insgesamt ca. 72.000 €. Also ein Nettowert von ca. 60.500 €. Darauf wurden ca. 11.500 € MwSt erhoben. In der Tiermedizin wären dies nur ca. 4.200 € MwSt gewesen. Ein Unterschied von ca. 7.300 €, die dem Bundeshaushalt zu gute kommen. Dadurch werden die Krankenversicherung erheblich belastet, was sich natürlich auf die Beiträge auswirkt.
Nach meiner Überzeugung sollten Medik amente in der Humanmedizin komplett von der Mehrwertsteuer befreit sein. Die Erkrankungen der Bürger sollten nicht zur Finanzierung des Haushaltes beitragen!
Sehr geehrter Herr P,
zunächst einmal wünsche ich Ihnen alles Gute. Eine solche Erkrankung stellt Sie und Ihre Nächsten vor große persönliche Herausforderungen. Ich bin sehr froh, dass Sie in Deutschland nicht noch Sorgen haben müssen, dazu noch finanziell in den Ruin getrieben zu werden, um sich lebenswichtige Medikamente leisten zu können. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland ist ein gutes. Die Sozialdemokratie hat damit einen historisch wichtige Errungenschaft erstritten und stets verteidigt. Perspektivisch wünsche ich mir eine Bürgerversicherung für alle, bis dahin arbeite ich dafür, die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichern. In der Einnahmenseite stehen dabei z. B. die Beitragsbemessungsgrenze, dieser Grenzwert wird jährlich an die Einkommensentwicklung angepasst. Damit wird gewährleistet, dass die soziale Absicherung stabil bleibt. Auf der anderen Seite stehen die Ausgaben der GKV, die sich dynamisch entwickeln. Die Ausgaben für Medikamente sind dabei nicht der Bereich, der außergewöhnlich schnell teurer wird. 50,2 Mrd. EUR wurden 2023 in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Arzneimittel ausgegeben, was einem Anteil von 16,4 Prozent an den Ausgaben insgesamt entspricht. Wir sehen aber, dass einzelne Medikamente in letzter Zeit besonders teuer geworden sind. Das müssen wir beobachten. Als SPD stärken wir eine stabile GKV und eine gute Versorgung. Ich finde es sehr beeindruckend, dass Sie sich im Zuge Ihrer Behandlung auch noch Gedanken um die Solidargemeinschaft machen. Ich grüße Sie herzlich und als Ihr direkt gewählter Abgeordneter beantworte Ihre Frage gerne.
Grundsätzlich, und dazu hat unser Kanzlerkandidat und Bundeskanzler Olaf Scholz gerade einen Vorstoß gestartet, dient der ermäßigte Steuersatz für Dinge des täglichen Bedarfs. Für Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Milch und Milchprodukte sowie Backwaren fällt eine Mehrwertsteuer von sieben Prozent an. Diese will Olaf Scholz auf fünf Prozent senken. Besonders bei niedrigeren Einkommen wirkt sich das unmittelbar aus. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz wird bei Dingen des Grundbedarfs angewendet, und das ist in erster Linie Nahrung. Futtermittel und Haltung von Vieh unterliegen ebenfalls dem ermäßigten Steuersatz. Tierarzneien werden aber mit 19% besteuert. Wie es sich mit ins Futter gemischten Medikamenten verhält, kann ich Ihnen nicht beantworten.
In verschiedenen Ländern der EU werden Arzneimittel mit verschiedenen Steuersätzen versehen. Das ist eine politische Entscheidung, die jedes Land innerhalb der europäischen Regeln treffen kann. Hier wird noch zwischen erstattungsfähigen Arzneien unterschieden und solchen, die z.B. nicht verschreibungspflichtig sind, aus Kostengründen oder wegen mangelndem Heilerfolg nicht im Leistungskatalog enthalten sind oder nicht notwendige oder unwirtschaftliche Arzneimittel. Ihre Forderung bezieht sich auf die erstattungsfähigen Arzneimittel.
Die Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer kommt sowohl dem Bundes- als auch den Länderhaushalten zugute. Das Aufkommen für die Umsatzsteuer betrug 2023 293,0 Mrd. € und damit 32,0% der gesamten Steuereinnahmen. Jeder Änderungsvorschlag zieht also sofort eine Diskussion über Gerechtigkeits- und Haushaltsfragen nach sich. "Steuern" sollen schon dem Namen nach Konsumanreize oder -abschreckung setzen und die Nachfrage beeinflussen bzw. ein Stück weit steuern. Zumindest bei notwendigen, verschreibungspflichtigen Medikamenten gäbe es bei einer Reduzierung diese Steuerungswirkung eben nicht - der Absatz bliebe gleich. Die GKV-Finanzen würden natürlich entlastet, aber nicht so substanziell, dass wir damit das System auf lange Zeit abgesichert hätten. Dazu hat die SPD und Karl Lauterbach unter anderem die Krankenhausreform auf den Weg gebracht. Im Krankenhausbereich war eine besonders große Preissteigerung zu verzeichnen. Außerdem laufen wir demographisch in eine Situation, in der uns Fachkräfte in der Versorgung fehlen, hier können wir uns teure Doppeluntersuchungen schlicht nicht mehr leisten, weder von den Kosten noch von der Arbeitszeit. Die elektronische Patientenakte für alle Versicherten in der GKV als Opt-Out-Lösung war mir in dieser Legislatur daher ein wichtiges Anliegen und das haben wir zusammen erreichen können. Ich werde trotzdem Ihren Vorschlag noch einmal mit den Fachkolleginnen und Kollegen diskutieren. Ich danke Ihnen für Ihre Anregung.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Mieves