Wie stehen Sie zur Entwicklung des Luftkampfsystems der Zukunft (Future Combat Air System/FCAS), dessen gigantische Kosten für Entwicklung 100 Mrd. und Anschaffung auf 500 Mrd. € geschätzt werden?
Das von Deutschland, Frankreich und Spanien ins Leben gerufene Jahrhundertprojekt der Luftwaffen FCAS ist ein System, das zwischen 2040 und 2080 einsetzbar sein soll. Im Zentrum von FCAS steht ein bemanntes oder unbemanntes atomwaffentragendes Kampfflugzeug der noch zu entwickelnden 6. Generation mit Tarnkappeneigenschaften. Geplant ist, es sowohl mit bewaffneten weitgehend autonom agierenden Drohnenschwärmen, mit der „Eurodrohne“, mit anderen Flugzeugen, Satelliten, Kriegsschiffen und Heereseinheiten in Echtzeit zu verbinden. Künstliche Intelligenz durchdringt alles. Sein Finanzvolumen übertrifft das bisher größte militärische EU-Projekt, den Eurofighter, um das Fünffache. Eine Gigantomanie ohne Gleichen, die letztlich die EU militärstrategisch autonom machen soll, um eine weltweite Luftüberlegenheit erreichen zu können. In der nächsten Legislatur stehen Entscheidungen an zum Bau eines flugfähigen Kampfflugzeuges (Demonstrators) für mehr als 3,5 Mrd. Euro.
Sehr geehrter Herr C.,
recht herzlichen Dank für Ihre Nachfrage.
Wir teilen grundsätzlich Ihr Anliegen, dass wir in Zeiten knapper Kassen und hoher Staatsverschuldung sehr genau darauf achten müssen, wofür wir das Geld ausgeben. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Prävention, soziale Absicherung und Zukunftsinvestitionen sind. Vor diesem Hintergrund halten wir das Ziel der NATO, dass jedes Mitgliedsland mindestens 2 % des Bruttoinlandsprodukts für Militär aufwenden soll, für nicht nachvollziehbar und diskussionsbedürftig. Die haushaltspolitischen Prioritäten müssen angesichts der Corona-Pandemie und der Klimakrise auf den Prüfstand.
Angesichts der Weltlage teilen wir aber auch nicht die Auffassung, dass man bei der Bundeswehr und bei der Rüstung beliebig kürzen und sparen kann. Die Bundeswehr ist ein notwendiger Bestandteil deutscher, europäischer und internationaler Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Für ihren Auftrag muss die Bundeswehr angemessen ausgestattet und finanziert sein. Es ist heute weder aus finanzieller noch technischer Sicht sinnvoll, komplexe Großprojekte rein national zu beschaffen. Multinationale und europäische Beschaffungsprojekte machen auch politisch Sinn. Sie können zum Abbau von rüstungsindustriellen Überkapazitäten und zum Aufbau europäischer Fähigkeiten führen. Viele Großprojekte wie der TORNADO, TIGER, EUROFIGHTER oder A-400 M zeigen, dass es den Partnernationen oft an einer gemeinsamen politischen Vorstellung und effektiven Managementstruktur fehlt. Die Projekte laufen daher oft zeitlich, finanziell und technisch aus dem Ruder. Insbesondere mit Blick auf FCAS sind auch hier noch zahlreiche Fragen offen.
Für uns ist klar: Wir stellen die universellen Menschenrechte, zivile Krisenprävention und gewaltfreie Lösung von Konflikten ins Zentrum deutscher Außenpolitik. Dazu gehört es, den vielfachen und strukturellen Ursachen von Krisen und Gewalt den Boden zu entziehen und Friedenschancen zu stärken. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und die Pariser Klimaziele sind global vereinbarte Fahrpläne zur Krisenprävention. Auch die EU- und NATO-Staaten müssen alles unternehmen müssen, um diese Ziele zu erreichen. Sowohl die internationale Klimafinanzierung als auch die Einhaltung der Zusagen zur globalen Entwicklungsfinanzierung sind Investitionen , die Frieden und Sicherheit zu Gute kommen. Wir wollen nicht nur bis 2025 das Ziel erreichen, 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit bereit zu stellen. Uns geht es auch darum, weitere 10 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung aufzubringen. Dafür machen wir uns stark.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Gastel