Frage an Matthias Gastel von Stefan K. bezüglich Menschenrechte
Der Richter Jens Gnisa, ehemaliger Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, warnt ausdrücklich vor dem neuen Infektionsschutzgesetz. Das Gesetzt habe "mit seinem Demokratieverständnis nichts mehr zu tun".
Siehe hier für seine Kritikpunkte: https://www.berliner-zeitung.de/news/richter-zu-infektionsschutzgesetz-nichtachtung-der-justiz-und-dauerlockdown-li.151817
Falls Sie planen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen: was ist Ihre Meinung zu den Krititkpunkten von Richter Jens Gnisa?
Sehr geehrter Herr Kösling,
danke für Ihre Anfrage, auf die ich gerne etwas ausführlicher ausgehe. Mich erreichen in diesen Tagen sehr viele Fragen zum Infektionsschutzgesetz. Aktuell kennen wir noch nicht die Änderungen, wie sie in einige Tagen zur Abstimmung stehen werden, da Gespräche hierzu noch laufen und offenbar selbst in den Regierungsfraktionen noch Änderungsbedarfe am ursprünglichen Gesetzentwurf gesehen werden. Daher kann ich hier lediglich allgemeine Aussagen und Positionierungen vornehmen.
Vorab: Kein Grundrecht steht für sich. Vielmehr müssen diese immer wieder aufs Neue miteinander abgewogen werden. Im konkreten Fall geht es um das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit einerseits und die Freiheitsrechte andererseits. In der Gewichtung dieser Rechtsgüter kann man zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ohne dass dadurch Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat verletzt werden. Leider immer wieder vorgebrachte Vergleiche mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte sind absurd und disqualifizieren womöglich berechtigte Argumente gegen die geplante Gesetzesänderung.
Wir teilen grundsätzlich den im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Weg, stärkere bundeseinheitliche Vorgaben im Infektionsschutz zu machen und sind bereit, ein sehr zügiges Verfahren im Bundestag, ggf. auch innerhalb der nächsten Woche, mit zu ermöglichen. Wir halten den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung jedoch an mehreren Stellen für dringend nachbesserungsbedürftig.
Wir fordern seit Monaten einen Stufenplan mit bundesweit einheitlichen (wissenschaftsbasierten) Maßnahmen, die entsprechend der regionalen, lokalen Situation angepasst werden. Der Gesetzentwurf sieht eine solche inzidenzbasierte Differenzierung bei den Maßnahmen vor. Des bedeutet, dass die Menschen in Regionen mit niedrigen Inzidenzwerten nicht den gleichen Beschränkungen unterliegen wie diejenigen, die in Gebieten mit hohen Inzidenzwerten leben und damit einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind.
Eine abschließende Meinung meiner Fraktion und auch bei mir persönlich zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes liegt noch nicht vor. Meine Fraktion hat am Sonntag einen Brief an das Kanzleramt und die beiden Regierungsfraktionen geschickt und an neun Stellen Änderungen am Gesetzentwurf gefordert. In dem Brief wird auch darauf hingewiesen, dass alleine die Positivtestungen nicht ausreichen: Die Konzentration auf die Inzidenz ist zu eng und sollte durch einen Wert ersetzt werden, der aussagekräftiger für das Infektionsgeschehen und dessen Beherrschung ist. Es geht um einen Intensitätswert, der mehrere Indikatoren zusammenzubringen. Dafür könnten die Inzidenz, der Anteil der positiven Tests an der Gesamtzahl der Tests, die 7-Tagesinzidenz bei über 60-Jährigen sowie die Belegung der Intensivstationen zusammengefasst werden.
Da ich sehr viele Veranstaltungen rund um „Corona“ durchgeführt habe (gesundheitliche Risiken durch das Virus, Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit verschiedener Maßnahmen, soziale Auswirkungen der Beschränkungen, Fragen der Demokratie usw.), verweise ich auf meine Homepage: https://www.matthias-gastel.de/zum-thema/gesundheit/
Ich hoffe, damit zur Information, zur besseren Einschätzung unserer und meiner Einstellung und einer sachlichen Diskussion beigetragen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Gastel, MdB