Frage an Matthias Gastel von Friederike B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Gastel,
Zum Thema Impfpflicht contra individuelle Impfentscheidung bei Masern möchte ich gerne wissen welche Haltung sie dazueinnehmen.
Seit dem Frühjahr 2019 wird die Diskussion über eine Impfpflicht in Deutschland mit bisher beispiellosem Nachdruck geführt. Es werden Menschen, die die Impffplicht in Frage stellen als Impfgegner bezeichnet. Durch diese Verdrehung oder auch Lüge wird von Anfang an eine fachliche Diskussion unmöglich. Es geht aber nicht um ein "Für oder Gegen" sondern darum, dass Eltern und auch Ärzte selber das Recht haben zum Wohle des Kindes zu entscheiden und zu beraten. Ich denke diese Entscheidung kann Herr Spahn nicht einfach bestimmen.
Aus meiner Sicht beruhte die gesamte politische und die Diskussion in den Medien von Anfang an in wesentlichen Teilen auf Falschbehauptungen. Es gibt keine wie behauptet ansteigende Masernzahlen in Deutschland, und auch keine wie behauptet sinkende Durchimpfungsraten oder angeblich steigende Impfmüdigkeit - keine dieser unendlich wiederholten Behauptungen stimmt.
Auch vermisse ich Stimmen im Bundestag, die sich fachlich mit diesem Thema auseinandersetzen und damit eigenständig eine Position beziehen.
Dürfte ich sie auf die Seite
www.impf-info.de/faktencheck-masern mit den offiziellen Zahlen der deutschen Gesundheitsbehörden verweisen. Oder etwas Kurzes, https://impfpflichtspahn.de/pdfs/Faktencheck_Masernschutzgesetz.pdf
Sehr viele Fachleute zum Thema Impfen (sei es beim Robert Koch Institut der Bundesregierung, seien es die Vorsitzenden der STIKO) stehen skeptisch bis ablehnend einer Impfpflicht gegenüber.
Auch geschieht mit der geplanten Impfpflicht ein tiefer Eingriffe in zentrale Grundrechte unserer Verfassung, wie z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht der Eltern, die Erziehung und Pflege ihrer Kinder selbst zu bestimmen.
Darum meine Frage nach ihrer Position zu diesem Thema.
Mit freundlichen Grüßen
F. B.
Sehr geehrte Frau B.,
Herzlichen Dank für Ihr Schreiben zum Impfen
Nach wie vor gibt es in Deutschland sowohl bei einzelnen Bevölkerungsgruppen als auch in manchen Regionen erhebliche Impflücken, d.h. die Impfquote ist nicht hoch genug, um einen sicheren Schutz der Menschen vor Masern zu gewährleisten. Gesundheitsminister Jens Spahn hat nun unter dem nicht ganz zutreffenden Label „Impfpflicht“ einen Gesetzentwurf zu einer verbindlichen Masern-Impfung für Kinder und Beschäftigte in Kitas und Schulen vorgelegt. Zum größten Problem, den sehr bedenklichen Impflücken bei Erwachsenen, hat er kein gezieltes Konzept. Es sind nämlich knapp 97 Prozent der Kinder einmal gegen Masern geimpft und knapp 93 Prozent haben auch die notwendige zweite Masernimpfung. Aber bei den über 30jährigen liegen die Impfquoten unter 50 Prozent.
Die Bundestagsfraktion der Grünen hat nun einen Antrag zu Masern und anderen Infektionskrankheiten beschlossen („Masern und andere Infektionskrankheiten endlich eliminieren – Solidarität und Vernunft fördern, Impfquoten nachhaltig steigern https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/099/1909960.pdf. Unser Ziel ist es, diese Erkrankungen anders als Spahn nicht nur mit Worten sondern auch mit Taten zu besiegen.
Unsere Vorschläge sind z.B. aufsuchende Impfangebote in Schulen, Kitas, Betrieben usw. und Impferinnerungen beim Aufsuchen von Ärztin oder Arzt und Krankenhaus. Wichtig wäre auch, dass Kinderärzte Erwachsene impfen dürfen. Dann können ungeimpfte Eltern sich zusammen mit ihren Kinder impfen lassen. Wir halten eine entsprechende Verankerung im SGB V für dringend erforderlich, um das bundesweit umzusetzen.
In unserem Antrag sprechen wir uns auch dafür aus, für Kinder und Beschäftigte einen ausreichenden Impfschutz zur Voraussetzung für den Besuch insbesondere der Kita zu machen. Uns hat das Argument insbesondere von Eltern überzeugt, dass dadurch Kinder, die nicht geimpft werden dürfen, weil sie noch zu jung sind oder aus medizinischen Gründen, am besten vor der Ansteckung durch Masern geschützt werden können.
Wir schlagen in unserem Antrag außerdem vor, dass Hausärztinnen und Hausärzte ihre Patientinnen und Patienten gezielt einladen, um ihren Impfschutz zu vervollständigen. Ein digitaler Impfpass soll sicherstellen, dass niemand mehr nach seinem Impfpass suchen muss und die Informationen zum Impfstatus immer aktuell sind. Eine App auf dem Smartphone könnte dann daran erinnern, dass eine Impfung fällig ist.
Für all diese Dinge ist wichtig, dass der öffentliche Gesundheitsdienst wieder gestärkt wird. Er wird seit Jahrzehnten kaputt gespart, es fehlt an Personal - Ärztinnen und Ärzte dort werden schlechter bezahlt. Doch die Gesundheitsämter in den Kommunen können am besten erkennen, wo eine problematische Impflücke besteht und wie sie gezielt angegangen werden kann. Sie kennen die Probleme und können beispielsweise gezielt in Schulen und Kitas gehen oder Impfkampagnen für Erwachsene steuern.
Angesichts der geringen Impfquoten bei Erwachsenen zeigt sich: Die Forderung nach einer generellen gesetzlichen Impfpflicht geht am Kern des Problems vorbei. Sie ist außerdem kontraproduktiv, weil sie auch Menschen vor den Kopf stoßen kann, die gar keine prinzipiellen Einwände gegen Impfungen haben. Das könnte die Akzeptanz nicht nur bei Masern sondern auch bei anderen Impfungen schädigen. Wir sind der Auffassung, dass die Menschen durch Aufklärung und Informationen dazu bewegt werden können, ihren Impfschutz zu vervollständigen. Drohungen mit Sanktionen und Einschüchterung halten wir für den falschen Weg. Sie richten Schaden an und untergraben das notwendige Vertrauen der Menschen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Gastel