Frage an Mathias Volkmar Zschocke von Henning W. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Zschocke,
Chemnitz als auch Sachsen insgesamt leiden unter dem Umstand der Abwanderung und teilweise offensiven Abwerbung qualifizierter junger Menschen, allenvoran junge Frauen. Umgekehrt ist allerdings eine anteilige Kulmulierung "schlecht" qualifizierter junger Männer zu verzeichnen. An dieser Stelle darf jedoch nicht "Ausbildung" mit "Bildung" verwechselt werden. Da die Förderung dieser Menschen maßgeblich von Landesmitteln abhängig, aber die entsprechenden Schlüsselzuweisungen (gezählt werden die jungen Menschen insgesamt) rückläufig sind, droht hier der Umstand, dass diese zunehmend aus der Gesellschaft ausgeschlosse werden.
Was können und wollen sie in diesem Zusammenhang leisten?
Vielen Dank,
Henning Wünsch
Sehr geehrter Herr Wünsch,
vielen Dank für Ihre Frage. Mir ist sowohl das Problem der Abwanderung bewusst als auch das Problem der schlechten Bildungsergebnisse bei einem Teil der jungen Männer. Als Grüne haben wir in den vergangenen 5 Jahren auch bereits beide Themen aufgegriffen.
Zur Abwanderung:
Abwanderung von jungen Frauen wie von jungen Männern kann am besten dadurch aufgehalten werden, indem Angebote in der Region geschaffen und erhalten werden. Das sind zum einen Aus- und Arbeitsplätze, aber auch Angebote für Familien (von Kitas und Schulen hin zu Freizeit- und Beratungsangeboten), Gesundheitsversorgung und kulturelle Angebote.
Um Arbeit zu schaffen, setzen wir Grüne darauf, über intelligente Zukunftsinvestitionen das Handwerk (z.B. durch die Förderung energetischer Gebäudesanierung, Wartung von alternativen Energieanlagen) und die Bereiche der erneuerbaren Energien zu fördern. Wir wollen in bessere Bildung investieren, d.h. mehr ErzieherInnen in unsere Kitas, mehr LehrerInnen und SozialarbeiterInnen in unsere Schulen. Wir werden in Sachsen aufgrund der Alterung der Bevölkerung mehr Pflegepersonal brauchen. Hier liegen Beschäftigungspotentiale, aber der Beruf muss attraktiver werden. Auf Bundesebene haben wir uns schon in der Vergangenheit für eine Verbesserung der Ausbildung in der Pflege (und der damit einhergehenden verbesserten Bezahlung) und bessere Arbeitsbedingungen ein. Das sind Arbeitsplätze, die vor Ort gebraucht werden und die es jungen Menschen ermöglichen, in der Region zu bleiben, wenn sie dies wollen.
Um Freizeit-, Gesundheits- und Beratungsangebote zu erhalten, braucht
Sachsen eine kluge Strategie, die dezentrale und zentrale Versorgung
zusammenbringt. Wir brauchen zum einen zentrale Orte, wie z.B.
Gesundheitszentren, wo die regionalen Angebote der Gesundheitsversorgung
gebündelt werden, damit die ÄrztInnen, Pflegedienste etc. ihre Ressourcen -
Personal genauso wie Technik - an einem Ort sammeln können. Das erleichtert
die Arbeit und die Erreichbarkeit. Zugleich brauchen wir auch mobile
Krankendienste - wie z.B. Gemeindeschwestern, die die Grundversorgung von
Menschen, die regelmäßig Medikamente etc. brauchen, leisten können, damit
die Leute nicht jedes Mal den Weg ins Gesundheitszentrum auf sich nehmen
müssen. Gleiches gilt für die Versorgung mit Lebensmitteln, auch fahrbare
Leihbibliotheken sind eine Idee, um Wege zu verkürzen.
Zur Ausbildung:
Sie haben Recht, ein Teil der Jungen und jungen Männer in Sachsen zeigen schlechtere Bildungserfolge als Mädchen. Auch um dies zu beheben wollen wir GRÜNEN eine andere Schule, in der jeder und jede individuell gefördert wird. Diese neue Schulkultur soll dazu führen, dass die Zahl der jungen Menschen ohne Schulabschluss deutlich reduziert wird. Um die Disparität zwischen den Geschlechtern zu verändern, wollen wir Konzepte entwickeln, um Jungen gezielter anzusprechen und zu fördern. Dazu wollen wir auch mehr Männer als Erzieher, Grundschullehrer und Sozialpädagogen gewinnen.
Darüber hinaus wollen wir die Jugendarbeit im ländlichen Raum stärken: die Finanzierung pro Jugendlicher im Landkreis führt dazu, dass in einigen Landkreisen kaum ein Grundangebot an Jugendarbeit aufrecht erhalten werden kann. Wir Grünen sprechen uns gegen die Landesfinanzierung über eine Pauschale aus, sondern wollen einen Festbetrag, um auch in Gebieten mit wenigen Jugendlichen Jugenarbeit leisten zu können.
Um Ausbildung zu erleichtern, haben wir auf Bundesebene eine Modularisierung vorgeschlagen. Statt wie bisher den praktischen Teil der Ausbildung zwingend in einem Betrieb/Arbeitsstätte zu erwerben, kann die Praxiszeit auf verschiedene Betriebe aufgeteilt werden, so können auch kleine oder hoch spezialisierte Betriebe/Arbeitgeber Jugendliche ausbilden, die es vorher z.B. aus Geld- oder Personalmangel nicht getan haben. Organisiert wird das ganze von den Kammern und den Berufsschulen, um die fachlichen Standards zu wahren.
Die Berufsausbildung soll darüber hinaus auf in sich abgeschlossene Module umgestellt werden. Die bisher bekannten Abschlussprüfungen der Kammern bleiben aber erhalten genauso wie der Inhalt der Ausbildung, um Verzerrungen zu verhindern. Der Vorteil der Module ist folgender: zum einen können Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz erhalten, statt in Warteschleifen auszuharren, bereits Grundmodule belegen, wenn sie einen Ausbildungsplatz bekommen, können sie diese einbringen und haben Zeit gewonnen. Zum anderen ist es einfacher, wenn jemand eine Weile aussetzen muss, z.B. um sich um ein Kind zu kümmern, in die Ausbildung zurückzukehren. Bereits abgeschlossene Module können eingebracht werden, es muss nur noch der Teil absolviert werden, der noch fehlt. Ähnliches bei einem Umzug: statt am neuen Ort noch einmal neu anfangen zu müssen, kann das bisher gelernte ganz genau nachgewiesen werden und muss nicht noch einmal belegt werden.
Für die Betriebe/Arbeitsstätten bestehen keine Nachteile: sie wissen, was ihre Auszubildende bisher gelernt und erreicht haben und was sie noch lernen müssen. Auch für die Auszubildenden ist es nicht komplizierter: die bisherigen Lerninhalte bleiben die gleichen, festgelegt von den Berufskammern. Daran orientieren sich die Berufsschulen und die betrieblichen Einsatzorte und legen den Ablauf der Ausbildung dementsprechend fest. Durch die Module ist es für die Auszubildenden auch übersichtlicher zu sehen, ob sie das, was die Kammern als Ausbildungsinhalte fordern, auch tatsächlich lernen. Allein das Belegen aller Module für einen Beruf und das Bestehen der Abschlussprüfung führt zum Abschluss der Ausbildung und zum erlangen eines anerkannten Berufsabschluss. Eine Modularisierung der Ausbildung führt daher nicht zu Lohndumping.
mit freundlichen Grüßen
Volkmar Zschocke