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Mathias Papendieck
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Frage von Dr. Heiko Z. •

Wie stehen Sie zum Paradigmenwechsel bei Tierversuchen in Brandenburg, kurz vor den Wahlen, ohne Abstimmung mit Koalitionspartnern und Betroffenen?

Sehr geehrter Herr Papendieck, im Bund diskutieren die Grünen in der gebotenen Sachlichkeit und mit allen Beteiligten über machbare Wegen zur Reduktion von Tierversuchen. In Brandenburg bestimmen dagegen Verbote und Einschränkungen das behördliche Vorgehen (Nachweise: 2347-06-2023-27/28/31/33/37/40/44/51-G). Die Ministerin, Frau Ursula Nonnemacher, die verantwortliche Staatssekretärin, Frau Dr. Antje Töpfer und die Behörde lehnen bisher alle Versuche ab, den dringend benötigten Dialog zu den Folgen für Forschung und Gesundheitswirtschaft aufzunehmen. Betroffen sind Tierversuche zur Prüfung und Zulassung von neuartigen Medizinprodukten, solche, die unmittelbar der Heilung von schwer verletzten oder erkrankten Patienten dienen. Betroffen sind Tierversuche zum Zweck der ärztlichen Fortbildung, solche, die von Ärzten und deren Assistenzpersonal langjährig mit Erfolg und nachweislichem Nutzen für die Behandlung ihrer Patienten in Anspruch genommen wurden. Diese entfallen nun ersatzlos.

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Die Durchführung von Tierversuchen ist gesetzlich auf Bundesebene geregelt (siehe Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Versuchstierverordnung), wodurch Tierversuche grundsätzlich genehmigungspflichtig sind. Stellt ein Unternehmen einen Antrag auf Tierversuche, ist dies immer eine Einzelfallentscheidung, welche im Bundesland Brandenburg durch das vom Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) als zuständige Behörde vorgenommen wird. Grundsätzlich muss in jedem Antrag der Genehmigung eines Tierversuchs dargelegt werden, dass das angestrebte Ergebnis nicht durch andere Methoden erreicht werden kann.

Dieser oben beschriebene, aktuelle Stand der Genehmigungsverfahren resultierte aus der Änderung der Tierschutz-Versuchstierverordnung. So unterlagen Versuche zur Aus-, Fort- und Weiterbildung bis Dezember 2021 lediglich der Anzeigepflicht, nun aber einem vollen Genehmigungsverfahren. Die Übergangsfrist zu bereits genehmigten bzw. angezeigten Versuchsvorhaben endete im Dezember 2023. Hintergrund der beschriebenen Änderung der Tierschutz-Versuchstierverordnung war ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland, in dem eine unzureichende Umsetzung der Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere beanstandet worden war. Die Änderungen dienen daher in erster Linie der Anpassung an geltendes EU-Recht und stellen in der Tat eine Verschärfung der Rechtslage dar.

Die Zahl der wissenschaftlichen Tierversuche in Brandenburg ist in den vergangenen fünf Jahren zurückgegangen. Gab es 2018 noch 89 Vorhaben, waren es im Jahr 2023 nur 53. In den vergangenen fünf Jahren sind nur fünf Tierversuche abgelehnt worden. Das betraf 2018 einen Fall, bei dem die Sachkunde nicht ausreichend nachgewiesen werden konnte. In den vergangenen beiden Jahren stoppte das LAVG jeweils zwei Projekte, da nicht ausreichend erklärt werden konnte, weshalb sie unerlässlich seien. Es ist somit aus den Zahlen ersichtlich, dass Tierversuche in Brandenburg über die Jahre hinweg abnehmen, da Alternativmethoden gefunden wurden, welche Tierversuche obsolet machen. Gleichzeitig spielen sie in der medizinischen Forschung und der Aus- und Weiterbildung von Mediziner*innen nach wie vor eine substantielle Rolle. Hier verweise ich auf die Drucksache 7/9078, in welcher sich die Landesregierung zu einer kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE zu dem Thema äußert.

In Ihrer Frage sprechen sie einen Paradigmen-Wechsel an, welcher sich Ihrer Wahrnehmung nach in Brandenburg überraschend und unabgesprochen vollzogen habe. Die Notwendigkeit von Tierversuche bei der Prüfung und Zulassung neuer Medizin- und Kosmetikprodukte wird zunehmend gesamtgesellschaftlich hinterfragt. Auch Brandenburg folgt dieser generellen Entwicklung und arbeitet auf Zulassungsprozesse hin, welche möglichst frei von Tierversuchen sind und somit das 3-R-Prinzip (Replacement, Reduction und Refinement) als ethische Handlungsgrundlage umsetzen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass künftig vollumfänglich auf Tierversuche verzichtet wird, sollte es keine entsprechenden Alternativen geben, um wichtige neue Medikamente für Menschen auszutesten. Dies sehen Sie auch an den bereits genannten Zahlen. Ich würde somit weniger von einem Paradigmenwechsel sprechen, sondern von einer Anpassung der Tierversuche an ethische Standards (3-Regel-Regel) sowie einem gesetzlichen Wechsel vom Anzeige- zum Genehmigungsverfahren als grundsätzliche Praxis, um nicht zwingend notwendige Tierversuche zu vermeiden.

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