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Mathias Papendieck
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Frage von Sascha M. •

Deutschland und Polen unterzeichneten ein Abkommen zur Vertiefung der Oder auf 1,80 Meter. Hochwasser- und Umweltexpert:innen sowie Umweltverbände lehnen dies ab. Wie ist Ihre Position zum Oderausbau?

Sehr geehrter Herr Papendieck,

Deutschland und Polen unterzeichneten 2015 ein Regierungsabkommen, um die Grenzoder vorgeblich für den Hochwasserschutz durch tiefgehende Eisbrecher sowie für die Binnenschifffahrt zu vertiefen. Auch soll Schwedt für Küstenmotorschiffe erreichbar werden.

Statt der Oder mehr Raum zu geben wurden seit dem Hochwasser 1997 im Wesentlichen nur die Deiche erhöht. Die Vertiefung der Grenzoder nach der Stromregelungskonzeption gemäß Abkommen ist auch nicht hochwasserneutral.

Gegen die Umweltentscheidung zum Ausbau der Grenzoder durch die Republik Polen haben Umweltverbände Widerspruch eingelegt. Zur Umsetzung des Abkommens für die deutsche Seite begann die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes dieses Jahr mit einer strategischen Umweltprüfung.

Ich frage Sie deshalb: Welche Position vertreten Sie zu dem angestrebten Oderausbau gemäß dem Abkommen von 2015?

Mit freundlichen Grüßen
S. M.

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Antwort von
SPD

Vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Oderausbau. Das von Ihnen erwähnte Abkommen stammt von 27. April 2015 und wurde in Warschau von beiden Seiten unterzeichnet. Die besagten 1,80 Meter meinen im Abkommen "[...] Schwachstellen mit dem Ziel, eine Wassertiefe von 1,80 Meter mit einer mittleren jährlichen Überschreitungswahrscheinlichkeit von mindestens 80 Prozent oberhalb und mindestens 90 Prozent unterhalb der Warthemündung [...] zu erreichen. Die Auslegung der im Ankommen beschriebenen Bestrebungen ist differenziert.

Schon bei der Geschwindigkeit der Umsetzung dieser Ziele konnte man in den darauffolgenden Jahren Unterschiede zwischen den Vertragspartnern wahrnehmen. Während in Polen bereits gebaut wurde, wurde in Deutschland noch geprüft. Dazu kamen in den vergangenen Jahren stark veränderte Bedingungen für die Oder. Die Sommer waren sehr heiß und sehr trocken. Der Fluss war teils monatelang unbefahrbar. Von 1,80 Meter konnte keine Rede sein. Es machten sich auf verschiedenen Ebenen Zweifel breit, ob denn selbst ein Ausbau, die im Abkommen gewünschten Bedingungen bewirken könnte. Zurecht! Denn auch, wenn es sich um einen Vertrag zwischen Deutschland und Polen handelt, können sich die Bedingungen so stark verändern, dass eine Neubewertung der Ausgangslage erforderlich wird und es ist dann aus meiner Sich zu prüfen, ob die angestrebten Ziele noch verhältnismäßig sind. Lagen die Temperaturen im Jahresmittel zwischen 2004 und 2013 bspw. nur in drei Jahren bei über 10°C, so waren es im Vergleichszeitraum 2014 bis 2023 acht Jahre! Zur Verdeutlichung sehen Sie bitte anhängende Datei "Temperatur und Niederschlag Brandenburg".´ Es kam in den vergangenen zwei Jahren noch erschwerend der erhöhte Salzgehalt und das Entstehen der Goldalge im Fluss mit der Folge des massenhaften Fischsterbens hinzu. Schon das sollte meines Erachtens nach ein Grund sein, die Pläne zu hinterfragen und ggf. neu zu gestalten.

Nach allem, was man über die Oder und ihre Besonderheiten, was Hoch- und Niedrigwasser betrifft weiß, habe ich Zweifel daran, ob man die Oder zu einer leistungsfähigen Wasserstraße ausbauen kann, wie es im Ankommen beschrieben wird. Der Transport auf der Oder wäre zwar unter perfekten Bedingungen umweltfreundlicher, da das Verhältnis von CO²-Ausstoß und Tonnage besser ist als auf der Straße. Jedoch muss sich selbst der umweltfreundlichste Weg finanziell und auch operativ lohnen, wenn Unternehmen ihn beschreiten sollen. Eine unberechenbare Wasserstraße, die auch nach dem Ausbau nicht mit Sicherheit ganzjährig befahren werden kann, ist ein Risiko, was kein Unternehmen in der Region (zumindest auf deutscher Seite) tragen möchte. Die Meinungen gehen hier auseinander, was die Wasserverhältnisse der Oder nach dem Ausbau angeht. Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob der angestrebte Zustand überhaupt erreicht werden kann.

Meiner Ansicht nach kann ein Projekt von solchem Ausmaß nicht ohne die Beteiligung beider betroffenen Länder, Deutschland und Polen, durchgeführt werden. Eine einseitige Entscheidung kann nicht nur negative ökologische Folgen haben, sondern auch das Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen unseren Nationen beeinträchtigen. Bei den Konferenzen zur Oder mit Polen in den vergangenen Jahren gewann ich oftmals den Eindruck, dass wirtschaftliche Interessen bei vielen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern im Vordergrund stehen. Es liegt mir fern, dies zu verurteilen. Ich plädiere jedoch klar für eine Lösung, die die Prämissen aller beteiligter Länder berücksichtigt. Letztlich lebt die Oderregion auch vom Tourismus und auch das ist ein Wirtschaftsargument. Hier punktet gerade die Naturbelassenheit des Flusses und seiner Landschaften.

Ökosysteme kennen keine politischen Grenzen und sollten daher ganzheitlich betrachtet werden. Es ist wichtig, dass die Interessen aller beteiligten Parteien berücksichtigt werden, um nachhaltige und umweltfreundliche Lösungen zu finden. Dies erfordert von beiden Seiten Kompromissbereitschaft und den Willen zur Kooperation. Ein einseitiges Vorgehen könnte in der Bevölkerung Unverständnis und Ablehnung hervorrufen, was in der aktuellen politischen Landschaft besonders kontraproduktiv wäre. Daher spreche ich mich dafür aus, den Oderausbau als Zeichen der Zusammenarbeit und der gemeinsamen Entscheidungsfindung anzugehen.

Nur durch eine enge Abstimmung und partnerschaftliche Zusammenarbeit können wir sicherstellen, dass die Maßnahmen zum Oderausbau sowohl ökologisch vertretbar als auch im Interesse beider Länder sind. Wir haben hier die Möglichkeit, gemeinsam ein starkes Zeichen zu setzen und zu zeigen, dass wir im Sinne unserer Umwelt und unserer Bürger Hand in Hand arbeiten können. Diese Möglichkeit sollten wir nicht vertun.

Ich entschuldige aufrichtig die deutlich zu späte Antwort und nehme mir vor, nun regelmäßig die auf Abgeordentenwatch an mich gerichteten Fragen zu beantworten.

 

 

 

 

 

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