Frage an Martina Stamm-Fibich von Günther S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie stehen Sie zur Legalisierung von Cannabis? Sehen Sie die momentane Prohibition als ein sinnvolles Mittel zum Jugend- und Verbraucherschutz sowie der Vorbeugung von weiteren Abhängigen?
Nach welchem Modell (Portugal, Kanada, Niederlande, USA, Philippinen etc.) würden Sie sich einen weiteren Verlauf der Drogenpolitik in Deutschland wünschen und warum?
Schlussendlich, sehen Sie andere Drogen als größere Gefahr für unsere Gesellschaft und welche Mittel würden Sie als die effektivsten einschätzen um weitere negative Folgen von Drogen einzuschränken?
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Cannabis in Deutschland.
Ich bin der Meinung, dass sich eine verantwortungsvolle Drogenpolitik in erster Linie daran messen lassen muss, ob sie wirksamen Gesundheits-, Verbraucher- und Jugendschutz ermöglicht. Gemessen daran ist die bisherige Cannabis-Verbotspolitik ganz offenkundig gescheitert. Deshalb setze ich mich für eine Reform der bisherigen Cannabis-Politik ein.
Wir brauchen eine Cannabis-Politik, die Konsumentinnen und Konsumenten wirksam schützt, den Handel mit Cannabis reguliert und gesellschaftliche Realitäten im 21. Jahrhundert anerkennt. Deshalb glaube ich, dass es notwendig ist, in einem ersten Schritt kommunale Modellprojekte zur regulierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu ermöglichen und gleichzeitig Prävention und Frühintervention zu stärken.
Die derzeitige Kriminalisierung und Stigmatisierung der Cannabis-Konsumentinnen und -Konsumenten verhindert wirksame Präventions- und Aufklärungsarbeit. Deshalb ist es sinnvoll, den Besitz kleiner Mengen Cannabis künftig nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen, sondern als Ordnungswidrigkeit zu behandeln. Das würde den Zugang zu den Konsumentinnen und Konsumenten erheblich erleichtern.
Cannabis-Konsum gehört heute wie Alkohol-Konsum zur Lebensrealität in unserer Gesellschaft. Der Konsum von Cannabis lässt sich praktisch genauso wenig verhindern wie der von Alkohol. Im Gegensatz zu Alkohol ist es bei Cannabis aufgrund der bisherigen Verbotspolitik aber derzeit weder möglich Qualität und Wirkstoffgehalt zu kontrollieren, noch lässt sich ein vernünftiger Jugendschutz gewährleisten. Gerade junge Menschen leiden aber besonders unter den Folgen der Verbotspolitik.
Die Entkriminalisierung würde außerdem Strafverfolgungsbehörden und Justiz erheblich entlasten, da ein Ordnungswidrigkeitenverfahren mit deutlich geringerem Aufwand bearbeitet werden kann als ein Strafverfahren. Das würde Ressourcen für wirksame Prävention und Aufklärung sowie für einen konzentrierten Kampf gegen den illegalen Drogen-Großhandel frei machen.
Dass eine solche liberale Drogenpolitik erfolgreich sein kann, sehen wir beispielsweise in Portugal. Dort ist der Drogenkonsum allgemein und insbesondere bei jungen Menschen durch eine liberale Drogenpolitik stark gesunken.
Zum Abschluss möchte ich noch anmerken, dass ich nichts davon halte, die Gefahrenpotenziale verschiedener Drogen gegeneinander aufzuwiegen. Weil die Palette der auf der Straße erhältlichen Drogen sehr breit ist und sich die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen je nach Substanz stark unterscheiden, müssen wir uns jede Droge einzeln anschauen und dann genau überlegen, welche Maßnahmen für den Schutz der Bevölkerung am meisten Sinn machen. Für den Fall Cannabis kann ich Ihnen jedoch versichern, dass ich eine Verbotspolitik für gescheitert halte.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Stamm-Fibich