Frage an Martina Stamm-Fibich von Norbert H. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Frau Stamm-Fibich,
ich bitte Sie um Mitteilung wie Sie sich im Abstimmungsverfahren zur unten erwähnten Neuregelung verhalten haben. Falls Sie mit - ja - zur Änderung gestimmt haben, bitte ich Sie mir Ihre Beweggründe mitzuteilen.
Danke und freundliche Grüße
N. H.
Neuregelung im Rahmen des Paragraph 44 des Bundesnaturschutzgesetzes "....Zudem kann auch für Vorhaben privater Träger die Ausnahmevorschrift des § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 5 in Anspruch genommen werden, wenn zugleich hinreichend gewichtige öffentliche Belange ihre Realisierung erfordern. Zu diesen Belangen gehört der Ausbau der Erneuerbaren Energien."
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an meiner Haltung zur vom Deutschen Bundestag beschlossenen Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG). Ich habe der Novellierung des BNatSchG zugestimmt.
Sie sprechen die Neuregelung zum sogenannten "Tötungs- und Verletzungsverbot" in § 44 BNatSchG bzw. die damit verbundenen Ausnahmevorschriften in § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 5 BNatSchG an. Hier wurde im Gesetz lediglich die sogenannte Signifikanzrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts übernommen (§ 44 Absatz 5 BNatSchG). Ein Verstoß gegen das Tötungs- und Verletzungsverbot setzt voraus, dass ein Bauvorhaben das Tötungsrisiko einer Art signifikant erhöht. Der unvermeidliche Verlust einzelner Tiere durch ein Vorhaben stellt nicht automatisch einen Verstoß dar. Der Begriff "Signifikanz" ist als unbestimmter Rechtsbegriff des obersten deutschen Verwaltungsgerichts seit etwa zehn Jahren etabliert. Wir haben durch das Gesetz die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in das BNatSchG übernommen.
Insgesamt ändert sich durch das Gesetz nichts an der bestehenden Rechtslage, vielmehr geht es um eine Klarstellung der rechtlichen Vorschriften: Danach liegt ein Verstoß gegen das Tötungs- und Verletzungsverbot nur dann vor, wenn sich z.B. durch eine Baumaßnahme das Risiko, dass Tiere zu Schaden kommen, deutlich erhöht. Dies bedeutet eine Baumaßnahme darf das Risiko, dass Tiere zu Schaden kommen, nicht deutlich erhöhen. Diese Einschränkung des Tötungs- und Verletzungsgebotes dient nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie soll sicherstellen, dass ein unvermeidbarer Verlust einzelner Tiere durch ein Vorhaben nicht automatisch immer zu einem Verstoß gegen das artenschutzrechtliche Tötungs- und Verletzungsverbot führt. Die geltenden Standards wurden weder erhöht noch abgeschwächt. Die Übernahme der Rechtsprechung in das Gesetz erhöht allerdings die Rechtssicherheit und -klarheit, insbesondere für Naturschützer und -planer. Wir gewährleisten so ein hohes Schutzniveau für gefährdete Arten in Deutschland und erhöhen die Rechtssicherheit bei Planung und Durchführung von Vorhaben. Auf diesem Wege möchten wir den Naturschutz und den notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien weiterhin erfolgreich miteinander vereinbaren. Sowohl der Naturschutz als auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien liegen grundsätzlich im öffentlichen Interesse.
Zur Novelle des BNatSchG fand am 17. Mai eine öffentliche Anhörung im Umweltausschuss des Deutschen Bundestags statt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat die Bedenken, die in den Stellungnahmen und der Anhörung vorgebracht wurden, sehr ernst genommen. In der Anhörung des Umweltausschusses zum BNatSchG wurde vielfach kritisiert, dass die Formulierung im Gesetzentwurf nicht eindeutig sei und zu Missverständnissen und zu Falschinterpretationen führen könne. Wir haben diese Anregung aufgenommen und nunmehr die Formulierung "und diese Beeinträchtigung unvermeidbar ist" in § 44 Absatz 5 Satz 2 Nummer 1 des Gesetzentwurfes nach Bundestags-Drucksache 18/11939 durch "und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen, nicht vermieden werden kann" ersetzt. Die neue Formulierung war bereits Teil der Gesetzesbegründung. Die Anwendung der gebotenen fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen impliziert dabei deren sachgerechte Ausführung.
Entscheidend ist für mich, dass es durch die Übernahme der Rechtsprechung in das Gesetz zu keiner Absenkung der naturschutzfachlichen Standards zu keiner Privilegierung von einzelnen Baumaßnahmen kommt.
Mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes hat das Parlament zudem noch wesentliche Verbesserungen am Regierungsentwurf vorgenommen. Dies gilt in erster Linie für den Meeresschutz, wo wir Schutzgebietsmöglichkeiten erweitert und auf Betreiben der SPD-Bundestagsfraktion eine Einvernehmensregelung des federführenden Umweltministeriums mit Nutzerressorts verhindert haben. Die Naturschutzverbände loben uns ausdrücklich für diese Verbesserungen.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Stamm-Fibich