Frage an Martina Stamm-Fibich von Christoph J. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Fibich,
Sie sind schon zu Ihrem Standpunkt zum Fracking gefragt worden. Mich würde interessieren, wie Sie Ihr Eintreten dafür, gegen mehr als 60 % der Bevölkerung begründen. Sicherlich treten Sie guter Weise für den Erhalt oder die Schaffung von Arbeitsplätzen ein. Aber, und das illustriert Herr Gabriel leider immer wieder, wenn dies auf Kosten der Zukunft der Bevölkerung gemacht wird, ist das äußerst kurzsichtig. Das zeigen die SPD Umfragewerte. Ich kann einfach nicht mehr SPD wählen.
Ich bitte um Zusendung Ihrer Antwort, und auch wie Sie Ihr Eintreten für Glyphosat rechtfertigen. Die Behauptungen der chemischer Industrie, dass deren Gutachten wissenschaftlich seien (wes Brot ich ess des Lied ich sing...), und alle anderslautenden als unwissenschaftlich abgetan wurden müssen doch auch Ihnen spanisch vorkommen. Das ist doch weiß Gott nichts Neues, das kennen wir doch alles schon, z.B. aus früheren Zeiten als die Tabakindustrie lange so Erfolg hatte.
Hochachtungsvoll
C. Jäschke
Sehr geehrter Herr Jäschke,
vielen Dank für Ihre Fragen zu den Themen Fracking und Glyphosat. Bedauerlicherweise hat sich meine Antwort auf Ihre Anfrage durch die Gesetzesvorhaben im Gesundheitsbereich während der letzten Monate ein wenig verzögert.
Wenn ich mich recht erinnere, ist Ihnen meine Einschätzung zum Fracking Gesetz am 24. Juni 2016 zugegangen. Gerne füge ich Ihnen meine Antwort auf Ihre Frage nochmals an:
Die nun gefundene Regelung zum Fracking halte ich für einen großen Erfolg. Sie ist der Durchbruch nach jahrelangen Verhandlungen. Das wurde erreicht durch ein großes Engagement der Zivilgesellschaft und durch die vielen Rückmeldungen von zumeist kritischen Bürgerinnen und Bürgern in den Wahlkreisen.
Die Fraktion der SPD im Bundestag hat diese Anregungen aufgenommen und das vorliegende Gesetzespaket durchgesetzt, das Fracking wie in den USA verbietet. Es hat sehr lange gedauert bis nach der Einbringung des Gesetzespakets im Mai 2015 nun im Juni 2016 die abschließende Beratung erfolgen konnte. Von einem Eilverfahren, wie von einigen behauptet, kann keine Rede sein. Es war höchste Zeit, dieses Gesetz auf den Weg zu bringen und wir sind froh, dass uns der Abschluss nun gelungen ist.
Nun zur Sache selbst: Die SPD-Bundestagsfraktion hat auf der Grundlage des Koalitionsvertrages mit CDU und CSU ein optimales Ergebnis erzielt. Und das gegen heftige Widerstände der Wirtschaftspolitiker in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Im Ergebnis gibt es jetzt eine doppelte Sperre gegen das Fracking im Schiefergestein wie wir es aus den USA kennen. Zum einen gibt es ein unbefristetes Verbot, das Ende 2021 vom Bundestag überprüft werden soll. Nur eine Mehrheit des Bundestages kann das Verbot wieder aufheben. Ansonsten besteht das Verbot weiter. Bis dahin können maximal vier Probebohrungen durchgeführt werden. Zum anderen haben - als zweite Absicherung - die jeweiligen Bundesländer die Möglichkeit die Probebohrungen zu untersagen. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft hat bereits erklärt, davon Gebrauch zu machen.
Für uns als SPD war es zentral, dass der Deutsche Bundestag über das weitere Verfahren zum Fracking im Schiefergestein entscheidet. Auch damit haben wir uns gegenüber CDU und CSU durchgesetzt. Das war uns wichtig, weil wir nicht wollten, dass sich demokratisch legitimierte Abgeordnete ihrer Verantwortung entledigen. Denn wir sind insbesondere den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Wahlkreis verpflichtet.
Bevor die Fracking-Debatte vor einigen Jahren begann, gab es bereits Erdgasförderung in Deutschland, hauptsächlich in Niedersachsen. Dort wird seit über fünfzig Jahre ebenfalls eine Art Fracking betrieben, die sich aber fundamental von dem Fracking unterscheidet, das wir aus den USA kennen. Ohne diese Art des zusätzlichen Frackings in der herkömmlichen Erdgasförderung würde diese über kurze Zeit zum Erliegen kommen.
Wir wissen, dass auch die herkömmliche Erdgasförderung mit Risiken verbunden ist. Unser Ziel war und ist es aber nicht, die Erdgasförderung in Deutschland komplett zu beenden. So sehen es auch die Landtagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen in Niedersachsen und Baden-Württemberg, wo sie in Regierungsverantwortung sind und in entsprechenden Landtagsentschließungen bzw. in Koalitionsverträgen, wo sie klar zwischen der unkonventionellen und der konventionellen Erdgasförderung unterscheiden.
Mit dem neuen Gesetzespaket gibt es neue Regelungen auch für diese Form der Erdgasförderung. Dazu gehören mehr Prüfungen auf umweltverträgliche Formen der Förderung und der Entsorgung von Abfällen und eine bürgerfreundlichere Regelung bei Erdbebenereignissen durch eine Umkehrung der Beweislast.
Aus meiner Sicht haben wir als SPD nicht nur unser Bestes gegeben, sondern waren auch sehr erfolgreich. Für Deutschland ist das Gesetzespaket ein Stoppschild für Fracking wie von der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gefordert. Und es gibt auch ein international vielbeachtetes Signal, dass Deutschland die Energiewende ohne Fracking vorantreibt.
Sie sprechen auch das Thema Glyphosat an. Seit langem warnen Ärzte, Wissenschaftler, Umwelt- und Verbraucherverbände vor den gesundheitlichen und ökologischen Folgen des übermäßigen Glyphosateinsatzes. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Wirkstoff als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. Vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung und der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit werden diese Bedenken nicht geteilt. Am 29. Juni 2016 hat die EU-Kommission die Europa-Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat um bis zu 18 Monate verlängert.
Die widersprüchlichen wissenschaftlichen Beurteilungen haben in der Gesellschaft zu einer großen Besorgnis geführt. Als Sozialdemokratin nehme ich diese Sorgen sehr ernst. Auch ich sehe die erneute Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat äußerst kritisch. Ich bin aber der Meinung, dass wir für den Glyphosateinsatz in der Landwirtschaft zunächst eine gesundheits- und umweltverträgliche Alternative brauchen. Forschung und Entwicklung müssen gestärkt werden, damit wir gemeinsam mit der Landwirtschaft den Ausstieg aus dem Glyphosateinsatz und den Umstieg auf solche Alternativen organisieren können.
Bis dahin wollen wir die Anwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft auf ein Mindestmaß reduzieren und effizienter gestalten. In vielen Fällen ist die Anwendung schon heute überflüssig, wie zum Beispiel bei der Stoppelbearbeitung nach der Ernte und vor der Aussaat der Folgekultur.
Am größten ist die Gefahr der Fehlanwendung und Überdosierung jedoch bei der privaten Nutzung. Wir setzen uns deshalb in der Großen Koalition für ein Verbot von glyphosathaltigen Herbiziden in Haus- und Kleingärten und auch im kommunalen Bereich ein. Wir wollen verhindern, dass auf Spielplätzen und in öffentlichen Gärten Glyphosat gespritzt wird.
Denn solange die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit unklar sind, wollen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dem Vorsorgeprinzip folgen und sicherstellen, dass die Menschen so wenig wie möglich damit in Berührung kommen.
Die großen Baumarktketten haben bereits verantwortungsvoll gehandelt und Unkrautvernichtungsmittel mit Glyphosat aus ihrem Sortiment genommen. Auch in ihrem Interesse kann es nur sein, wenn wir zügig eine Regelung schaffen, die für den gesamten Handel gilt.
Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Bedenken in der Wissenschaft und in der Bevölkerung gegenüber Glyphosat ernst nimmt und einen konkreten Ausstiegsplan für die Anwendung in der Landwirtschaft erarbeitet, der dann auch anderen EU-Mitgliedstaaten als Vorbild dienen kann.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Stamm-Fibich