Portrait von Martina Bunge
Martina Bunge
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Martina Bunge zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Dr. Ralf B. •

Frage an Martina Bunge von Dr. Ralf B. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Dr. Bunge!

Ich beziehe mich auf Ihre Antwort vom 13.02.09 und bedanke mich dafür.

Erlauben Sie mir, auf zwei Punkte näher einzugehen.

1. Das Regelleistungsvolumen im Bereich Nordrhein.
Wie Sie richtig darstellen, liegt es im Durchschnitt bei ca. 30.000 Euro pro Quartal, also 10.000 pro Monat. Davon abzuziehen sind Kosten für Miete, Personal und Sachkosten, ebenfalls durchschnittlich rund 60%. Somit bleibe 4000 Euro brutto vor Steuern. Da man als Selbständiger ja alle Lohnnebenkosten komplett selbst trägt, der paritätische Arbeitgeberanteil also nicht existiert, bleibt summasummarum (bei Steuerklasse 1) ein Nettolohn von vielleicht 2200 Euro.

Daß Sie damit nicht für eine Attraktivitätssteigerung für Hausärzte sorgen, können Sie sich sicher vorstellen. Denn nun komme ich zu dem 2. Punkt, den Zusatzleistungen.

2. diese bezeichnen insbesondere die Präventivleistungen, die DMP-Programme und Leistungen außerhalb des RLV wie bspw. die Akupunktur. Das Problem der DMP-Programme ist aber, daß hier der Arzt "Werbung" machen muß. Dadurch wird meines Erachtens nach das sensible Arzt-Patienten-Verhältnis massiv gestört. Da das RLV für die Einnahmeseite zu gering ist, werden also niedergelassene Ärzte (erlebe das selber als Weiterbildungsassistent) aus pekuniären Gründen Akupunktur betreiben sowie DMP und Check-ups im Schnellverfahren abreißen.

Es ist für einen Normalsterblichen zwar nahezu unmöglich, einen fachlich guten Arzt von einem fachlich schlechten zu unterscheiden, aber ein ohnehin guter Arzt, der sowieso das immer machte, was jetzt nur durch DMP und Check-up zu finanzieren ist, kommt jetzt in die Schublade des Geschäftsmann-Arztes.

Sehe Sie auch diese Gefahr?

Ich bedanke mich für Ihre Antwort und verbleibe
mit freundlichen Grüßen,

Ralf Bettker

Portrait von Martina Bunge
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Bettker,

vielen Dank für Ihre Frage.

Ich finde es sehr vernünftig, nicht allein die Frage der Höhe der Honorierung zu betrachten. Es ist wichtig die Anreize zu betrachten, die mit Vergütungen einhergehen. Und es ist wichtig, das Arzt-Patienten-Verhältnis zu bedenken.

Das grundsätzliche Problem liegt darin, dass es unterschiedliche Interessen gibt. Da gibt es das Interesse der Ärztinnen und Ärzte und das Interesse der Patientinnen und Patienten. Zudem gibt es das Interesse der Ärzte an der Gesundheit der Patienten und das Interesse an einer guten Vergütung.
Handelt der Arzt als Unternehmer, versucht er möglichst viele Einnahmen bei möglichst wenig Arbeit oder Kosten zu erzielen. Die Interessen der Ärzte als Unternehmer und die Interessen des Patienten widersprechen sich.

Unter diesen Umständen und bei der derzeitigen Organisation ärztlicher Leistungen, müssen wir mit den momentanen Möglichkeiten der Vergütung Probleme bekommen:

Möglichkeit 1: Vergüte ich Leistungen pauschal, dann wird der Arzt oder die Ärztin dazu verleitet, möglichst wenig Leistungen für die Pauschale zu erbringen. Dies ist bei den Fallpauschalen der Fall. Der Patient oder die Patientin wird hier nicht optimal versorgt, weil evtl. notwendige Leistungen nicht erbracht werden. Das führt zu Unterversorgung.

Möglichkeit 2: Vergüte ich Leistungen nicht pauschal, dann wird die Ärztin oder der Arzt dazu verleitet, möglichst viele Leistungen zu erbringen bzw. abzurechnen. Dies trifft auf Leistungen außerhalb der Fallpauschalen zu. Dazu zählen auch die IGeL Leistungen. Der Patient wird hier nicht optimal versorgt, weil zu viele Leistungen erbracht werden oder die Leistungen zu schnell erbracht werden. Das führt zu Über- und/oder Fehlversorgung.

Beides stört meines Erachtens das Verhältnis zum Patienten.
Dieses Dilemma ist aber bereits in dem Dilemma des Arztes angelegt, der zugleich Unternehmer und Leistungserbringer sein muss.

Wie kommen wir da raus?

Mir fallen dazu drei Alternativen ein:

1. Die Ärztinnen und Ärzte wären nicht gleichzeitig Kaufleute. Sie würden pauschal vergütet. Die Belohnung für ihre Mühe müsste außerhalb des Geldes liegen - z.B. durch die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten.

2. Ärztinnen und Ärzte müssten für die Gesundheit der Patientinen und Patienten vergütet werden, nicht für ihre Bemühungen. Beispielsweise könnte ein Arzt für eine bestimmte Menge an Personen zuständig sein. Je besser er seine Arbeit machte, desto weniger Arbeit hätte er auf Dauer. Dies läge dann im Interesse sowohl der Patientinnen als auch der Ärztinnen. Hierzu gibt es derzeit Modellprojekte in den Niederlanden.

3. Ärztinnen und Ärzte würden für die Qualität ihrer Arbeit und nicht allein für die Quantität vergütet. Leider fehlt es derzeit an einem Instrument, mit dem die Qualität eines Arztes bestimmt werden kann. Es ist ja nicht zwingend die Ärztin am Besten, die die meisten Patienten hat und am meisten abrechnet. Qualität erfordert Zeit. Qualität und Quantität widersprechen sich in der Regel. Es müssten also Möglichkeiten zur Messung der Qualität entwickelt werden. Diese würde dann besonders gut honoriert.

Wenn Sie meine Ideen betrachten, wird Ihnen auffallen, dass keine der Alternativen von heute auf morgen umsetzbar ist. Ich denke dennoch: wir müssen in solche und noch ganz andere Richtungen denken, um zu vernünftigen Lösungen im ambulanten Bereich zu kommen.

Bis dahin müssen wir uns in den oben beschriebenen Dilemmas bewegen. Das bedeutet: es gibt bis dahin keine optimale Lösung. Und es bedeutet: Je wichtiger Ärztinnen und Ärzten ihr Verdienst ist, desto schwieriger ist es, die gute Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Dies ist unabhängig davon, wie die Bezahlung organisiert wird. Die Unternehmerperspektive der Ärztinnen und Ärzte ist ein Hindernis der guten Versorgung.

Ich stimme Ihnen zu: hier muss etwas getan werden.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Bunge