Frage an Martin Lindner von Thomas B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Lindner,
hinsichtlich der stetig steigenden Gefangenenzahlen im Jugendvollzug, bei gleichzeitigem massiven Stellenabbau, ist der Erziehungsauftrag gemäß Jugendgerichtsgesetz m. E. nicht mehr umzusetzen.
Wie betrachten Sie diese Entwicklung ?
Um der Überbelegung im Jugendstrafvollzug zu begegenen, ist der Jugendstrafanstalt Berlin ein zusätzlicher Bereich (ca. 80 Haftplätze) zugesprochen worden. Allerdings ist bislang kein Personal für die Inbetriebnahme des Bereiches in Aussicht gestellt.
Wie kann ein neuer Bereich ohne das nötige Personal eröffnet werden ?
Mit freundlichem Gruß
Thomas Bestmann
Personalratsvorsitzender
der JSA Berlin
Sehr geehrter Herr Bestmann,
vielen Dank für Ihre kleine Zustandsbeschreibung, die sich mit unserer Kritik am Berliner Strafvollzug deckt. Die Situation in den Berliner JVA´s ist seit Jahren dramatisch. Der jetzige Senat hat den Themen bisher viel zu wenig Beachtung geschenkt. Insbesondere der Personalmangel durch Stellenstreichungen und erhebliche Krankheitsquoten (siehe Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion "Wie krank sind die Vollzugsbediensteten" vom März 2006: http://www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/15/KlAnfr/ka15-13346.pdf), sowie die steigende Überbelegung sind hier zu nennen.
Unsere Kritik an den fehlenden Personal- und Betreiberkonzepten wurden pauschal mit dem Hinweis auf den anstehenden Neubau der JVA Heidering beantwortet, als würde dieser Neubau alle Probleme lösen. Neben den fiskalischen Fragen, die der 85-Mio-Bau aufwirft, konnte uns die Justizverwaltung bis heute nicht die Frage beantworten, wie der Betrieb mit dem derzeitigen Personalstand überhaupt möglich sein soll.
Damit bin ich wieder bei der heutigen Situation, also am Ausgangspunkt Ihrer Frage. Die Situation im Jugendstrafvollzug macht mir als Liberalen besondere Sorgen. Die Zahl der Justizvollzugsbeamten und der Sozialarbeiter hat in den letzten Jahren rapide abgenommen. (siehe die Antwort auf unsere kleine Anfrage "Verwahrvollzug in der Jugendstrafanstalt Berlin?" vom Februar 2006: http://www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/15/KlAnfr/ka15-13257.pdf)
Das ehemals fortschrittliche Wohngruppenkonzept der Jugendstrafanstalt kann unter den derzeitigen Bedingungen nicht mehr das leisten, was es eigentlich leisten muss. Statt den Jugendlichen Wege in eine straffreie Zukunft aufzuzeigen und Hilfe anzubieten, findet in weiten Teilen ein reiner Verwahrvollzug statt. Bei jungen Menschen, die sich in ihrer Prägungsphase befinden, ist eine intensive Betreuung aber sehr wichtig.
Die FDP-Fraktion hat durch parlamentarische Anträge (z.B. "Neue Denkweisen-statt neuer Knäste" http://www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/15/DruckSachen/d15-4169.pdf) eigene Vorschläge zum Abbau der Überbelegung eingebracht. Zudem sind wir für eine Verbesserung der Personalsituation in der JVA´s. Polizei- und Justizvollzug sind die Bereiche, in denen die FDP von Personalkürzungen absehen möchte. Die notwendigen Beiträge zur Konsolidierung des Haushalts können im Bereich der Strafanstalten aus unserer Sicht durch die stärkere Einbindung privater Firmen erfolgen. In einigen Bundesländern werden bis zu 50 % der Aufgaben von Dritten wahrgenommen. Die so erzielten Einsparpotenziale sollen dann der Stärkung der Sozialarbeit insbesondere im Jugendstrafvollzug dienen.
Wir werden auch darauf achten, dass der Resozialisierungsgrundsatz kein Opfer der neu erlangten Kompetenz zur Verabschiedung eines Landesstrafvollzugsgesetzes wird. Dazu gehört auch die Verabschiedung eines eigenen Jugendstrafvollzugsgesetzes, dessen Notwendigkeit seit Jahren unumstritten ist.
Helfen Sie mir und meiner Partei mit einer Verbesserung des Jugendstrafvollzugs voranzukommen.
Geben Sie Ihre Zweitstimme am Sonntag der FDP!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Dr. Martin Lindner