Frage an Martin Lindner von Michael R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lindner,
ich habe diese Fragen auch an Frau . L. . gestellt, habe aber zu spät gesehen, dass bei ihr fast nur ´Standardantworten´ vorhanden sind. deshalb nochmal:
Auf Grund der täglich neuen Meldungen rund um die Snowden-Veröffentlichungen und deren Auswirkungen, fühle ich mich (und sicher bin ich da nicht alleine) erheblich verunsichert, und frage mich, ob überhaupt das seit vielen, vielen Jahren hochgehaltene Grundgesetz noch von Politik und Justiz ´ernst´ genommen wird. Zur Zeit schaut es für mich eher so aus, als ob durch ´Geheimabkommen´ mit den Siegermächten dieses GG umgangen oder ignoriert wird und Verstöße nicht abgestellt werden. Bei Einbrechern diskutiert man ja normalerweise auch nicht, ob diese sich im Haus aufhalten und die Wertsachen mitnehmen dürfen.
Was mich brennend interessiert:
Gibt es die, in verschiedenen Medien (z.B. Spiegel, SZ) aufgeführten, ´Geheimabkommen´ wirklich und sind diese noch gültig? Wenn ja: Warum?
Ist das Grundgesetz überhaupt noch gültig oder ist es nur bedrucktes Papier?
Falls gültig: Was wird gegen die offensichtlichen Verstöße gegen unser Grundgesetz von unseren ´Freunden´ (Siegermächte) getan?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Reeps
Sehr geehrter Herr Reeps,
das Bundesverfassungsgericht hat erst vor wenigen Jahren das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (IT-Grundrecht) aus unserer Verfassung abgeleitet. Ich bin davon überzeugt, dass diese Fortentwicklung des Post- und Fernmeldegeheimnisses heute wichtiger ist denn je. Daran sind in Deutschland Legislative, Exekutive und Judikative gebunden. Für mich besteht kein Zweifel daran, dass dies in Deutschland von allen Staatsgewalten ernst genommen und geachtet wird. Die Bundeskanzlerin hat vollkommen recht, wenn sie darüber hinaus von allen einfordert, dass sie sich auf in Deutschland an deutsches Recht halten. Wir müssen und werden auch auf europäischer Ebene und weltweit für diese Errungenschaften kämpfen und klar machen, dass man die Freiheit nicht verteidigen kann, indem man sie einschränkt.
Die von Herrn Snowden öffentlich gemachten Datenerhebungen unvorstellbaren Ausmaßes finden durch ausländische Geheimdienste statt. Das erschwert die Aufklärung sehr. Daher müssen wir erst ermitteln, in welchen Umfang tatsächlich Daten erhoben worden sind. Eine geheime Rundumüberwachung – und die Behauptung steht im Raum – ist absolut inakzeptabel.
Auch wenn Großbritannien aus der gemeinsamen Innen- und Rechtspolitik der EU austritt, bleiben die Briten an die Grundrechtecharta der Europäischen Union und damit auch an das Grundrecht auf Datenschutz gebunden. Andauernde Verstöße gegen geltendes EU-Recht zu Lasten der Grundrechte der EU-Bürger sind nicht akzeptabel. Die Kommission muss ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH gegen Großbritannien schnell prüfen.
Geheimabkommen aus dem Jahr 1968 mit den damaligen Siegermächten sollen diesen zugesichert haben, auf Informationen zuzugreifen, über die deutsche Geheimdienste verfügten. Seit der Wiedervereinigung sind nach Auskunft der Behörden keine Anträge der Dienste der USA, Großbritanniens und Frankreichs mehr gestellt worden. Die Abkommen spielten daher faktisch keine Rolle mehr. Eine Aufhebung der Abkommen wird derzeit geprüft und vorbereitet.
Die FDP hat ein 13-Punkte-Programm mit Maßnahmen und Forderungen zur Reaktion auf die Enthüllungen veröffentlicht, das Sie unter folgendem Link finden: http://www.liberale.de/sites/default/files/uploads/2013/07/08/13-Punkte-Programm%20f%C3%BCr%20Datenschutz.pdf
Mit besten Grüßen
Dr. Martin Lindner