Frage an Martin Lindner von Manfred S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Lindner!
Sie haben bei "Anne Will" am 1.11.2009 sinngemäß erklärt, das System der Krankenversicherung sei veraltet und überholt. Es muß radikal verändert werden, denn es stammt noch aus Zeiten des Reichskanzlers Otto Bismarck.
Sehr geehrter Herr Lindner, wenn Sie schon für so radikale Veränderungen sind, dann frage ich Sie, ob Sie und Ihre FDP auch für die Abschaffung bzw. Modifizierung des Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes sind? Absatz 5 lautet: Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.
Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums sind schützende Bestimmungen gegen grundlegende Veränderungen des Beamtenrechts, insbesonders bei der Altersversorgung. Die hergebrachten Grundsätze sind im Wesentlichen nichts anderes als Gesetze des Beamtentums aus der Kaiserzeit nach der Reichsverfassung von 1871. Mit der Weimarer Reichsverfassung von 1919 wurden diese Gesetze in modifizierter Form übernommen und 1949, nach der Nazizeit, zum Bestandteil des Grundgesetzes gemacht.
Ist es nicht höchste Zeit die veralteten hergebrachten Grundsätze aus der Kaiserzeit abzuschaffen, denn sie sind Grundlage für ein Zwei-Klassensystem in der Krankenversicherung und bei der Altersvorsorge und einzigartig in Europa?
Sehr geehrter Herr Schmidtlein,
vielen Dank für Ihre Frage vom 07.11.2009.
Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion haben sich die in Art. 33 Abs. 5 GG geregelten Grundsätze des Berufsbeamtentums bewährt. Sie haben bereits in der Vergangenheit genug Spielraum für Modernisierungen gelassen. Seit der Föderalismusreform I kommt noch der ausdrückliche Auftrag, die Grundsätze fortzuentwickeln, hinzu. Für die FDP ist die Modernisierung des Berufsbeamtentums Daueraufgabe im Interesse von Bürgern, Staat und Gesellschaft. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine kritische Auseinandersetzung mit Art. 33 Abs. 4 GG, der den sog. Funktionsvorbehalt regelt. Die FDP bekennt sich zum Berufsbeamtentum. Allerdings ist es vernünftigerweise auf einen Kernbereich zu beschränken. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass das Berufsbeamtentum auch Vorteile bietet, wie z. B. das Streikverbot und eine breite Einsetzbarkeit der Beamtinnen und Beamten, die ihren Dienst grundsätzlich dort zu versehen haben, wo die Arbeit anfällt. Im Übrigen empfiehlt sich stets ein Vergleich der Lebenszeiteinkommen. Im Hinblick auf die spätere Altersvorsorge sind die Gehälter der Beamten beispielsweise niedriger gehalten, als die vergleichbarer Tarifbeschäftigter. Das Beihilfesystem bei der Krankenversicherung bietet grundsätzlich den Vorteil, dass Kosten nur anfallen, wenn auch tatsächlich ärztliche Leistungen in Anspruch genommen werden.
Mit freundliche Grüßen
Dr. Martin Lindner, MdB