Frage an Markus Schneider-Johnen von Sebastian B. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Aus St. Pauli werden seit vielen Jahren die Menschen rausgedrängt, die das Viertel mal ausgemacht haben. Sie können es sich einfach nicht mehr leisten, weil die ganzen Yuppies, die hierhin wollen, die Preise so nach oben treiben (Nachfrage und Zahlungsfähigkeit). Wie will die Linke auf St. Pauli die Verdrängung stoppen?
Hallo Sebastian Buhlmann,
die Verdrängung aus St. Pauli ist für DIE LINKE im Viertel seit ihrer Gründung 2007 ein ganz zentrales Thema. Für mich ist erster Ansatzpunkt dagegen anzugehen das Mitwirken in Initiativen im Stadtteil. Um das Thema transparent zu machen und den Widerstand gegen die Verdrängung zu stärken, haben wir kontinuierlich Veranstaltungen zu diesem Thema durchgeführt und in Pressemitteilungen sowie der Sankt PauLinX, unserer eigenen Publikation zahlreiche Artikel, Meldungen und Kommentare veröffentlicht, in denen wir eindeutig Stellung bezogen haben. Näheres ist nachzulesen unter http://www.sankt-paulinx.de .
Die Initiativen vor Ort haben wir zudem unterstützt durch das Einbringen von Anfragen und Anträgen. Auch als zugewählter Einwohner St. Paulis im bezirklichen Bau- und Denkmalschutzausschuss und im Ausschuss für Wohnen und soziale Stadtentwicklung setze ich mich ein für den Erhalt günstiger Mietwohnungen und gegen die seit vielen Jahren andauernde Zerstörung von bezahlbarem Wohnraum und die damit einhergehende Verdrängung aus St. Pauli
Unser klare Position zur Verdrängung haben wir in das Bezirksparlament getragen, in deren Bauausschuss wir als einzige Fraktion gegen zahlreiche Bauanträge argumentiert und gestimmt haben, die hochpreisige Miet- und/oder Eigentumswohnungen zum Inhalt hatten oder Bauvorhaben auf den Weg brachten, die die Verdrängung befördern, z.B.
- gegen das BNQ und gegen den Abriss der Pension Flehmig,
- gegen die Tanzenden Türme und das daran angeschlossene 4-Sterne-Hotel,
- gegen den Neubau eines 4-Sterne-Hotels einer Hotelkette auf der „Heißen Ecke“,
- gegen den Bartels-Fraatz-Neubau Talstr. 45-47,
- gegen den Neubau Beim Grünen Jäger 6, in dem Eigentumswohnungen zu Kaufpreisen von bis zu 837.500 Euro entstehen,
- gegen den Abriss und Neubau Annenstr. 31, wo nun tierisch teure Luxus-Eigentumswohnungen zum Verkauf stehen,
- gegen die Bebauung des Bambule-Geländes an der Vorwerkstraße.
Dies alles sind keine isolierten Bauvorhaben, sondern wichtige Bestandteile zur scheinbaren Aufwertung des Stadtteils. Sie haben enorme Auswirkungen auf ihre Umgebung, insofern sie zu Mietwucher und zur Verdrängung aus dem Viertel beitragen.
Während die anderen Fraktionen uns stets von der Infizierung der Politik durch das Tina-Syndrom (tina = there is no alternative) überzeugen wollen, ist es unsere Überzeugung, dass es möglich wäre, Einfluss zu nehmen auf den Inhalt von Bauanträgen, z.B. ob Sozialwohnungen entstehen. Fast alle Bauanträge enthalten nämlich Anträge auf Befreiungen vom Baurecht. Es ist rechtlich möglich, die Erteilung von Befreiungen vom beabsichtigten Wohnungsstandard abhängig zu machen und dies bezügliche Vereinbarungen vertraglich festzuhalten. Dies scheitert bislang am politischen Unwillen der anderen Parteien.
Es ist aber auch festzustellen, dass Bauanträge in letzter Zeit bisweilen nicht mehr in jedem Fall durchgewunken wurden, sondern der Widerstand im Parlament und vor allem durch die Initiativen auf der Straße Früchte trägt. Manche Vorhaben, Eigentumswohnungen zu bauen, wurden fallen gelassen, öffentliche Förderungen für Wohnungsneubauten werden häufiger angeraten. Dies sind aber nur Einzelerfolge. Andererseits ist noch zu erwähnen, dass wir in zunehmendem Maße nicht mehr zu Gesprächen mit Investoren eingeladen wurden - laut Aussage von Osterburg (GAL), weil wir Protokolle weitergäben. Unser Ausschluss ist zwar einerseits als Affront gegen unser Mitwirken in der Bezirksversammlung, andererseits aber auch als Kompliment aufzufassen, insofern die Ausgrenzung auf unsere konsequente oppositionelle Haltung zur Bau- und Stadtentwicklungspolitik u.a. auf St.Pauli resultiert. Mit dieser Haltung wollen wir zukünftig mehr Erfolge erreichen. Dafür brauchen wir eine breite Bewegung in den Stadtteilen.
Ahoi,
Markus Schneider-Johnen