Positionen zu Reform sogenannter "Chatkontrollen" bzw. Client-Side Scanning
Hallo Herr Rösler,
in wenigen Tagen soll ein Entwurf der EU-Kommission vorgelegt werden, der im weitesten Sinne als "Chatkontrolle" in den Medien aufgegriffen wird.
Siehe zB
https://www.golem.de/news/chatkontrolle-ccc-warnt-vor-fundamental-fehlgeleiteter-technologie-2205-165187.html
https://www.heise.de/news/Chatkontrolle-Buergerrechtler-laufen-Sturm-gegen-EU-weite-Massenueberwachung-6593664.html
https://netzpolitik.org/2021/eu-kommission-warum-die-chatkontrolle-so-gefaehrlich-ist/
Grundidee ist der bessere Schutz von Minderjährigen durch bessere digitale Nachverfolgung.
Ich wüsste gerne wie sie persönlich zu dem Vorschlag stehen und wie die Haltung ihrer Partei ist. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag oder wird sie ihn ablehnen? Ist es vertretbar das jeder Bürger pauschal unter Generalverdacht gestellt wird und damit rechnen muss das die Technik versagt und nicht strafbare Bilder/Texte an die Behörden übermittelt werden?
MIt freundlichen Grüßen
Arthur W.
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema „Chatkontrolle“! Es freut mich, dass sie Interesse an meiner politischen Arbeit haben.
Der offizielle Gesetzesentwurf zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet soll heute am 11.5.2022 vorgestellt werden.
Laut Presseberichterstattung zieht die EU-Kommission die Einführung des Client-Side-Scanning (CSS) als Möglichkeit in Erwägung.
Die Pläne der EU, ein solches Gesetz als Teil ihrer Strategie gegen Kindesmissbrauch zu verabschieden, verfolgen meine Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion im Bundestag und auch ich aufmerksam.
Grundsätzlich begrüßen wir es, daß die EU-Kommission ein Gesetzespaket zur Bekämpfung der Darstellung von Kindesmissbrauch verabschieden möchte. Denn wir als Grüne setzen uns mit aller Entschlossenheit für Verbesserungen im Kampf gegen sexualisierte Gewalt ein, insbesondere gegen Kinder und Jugendliche. Gleichzeitig ist uns klar, daß die Privatsphäre der Bürger*innen und ihrer Kommunikation geschützt werden muss und daß die Maßnahmen im Kampf gegen Kindesmissbrauch immer dazu im Verhältnis stehen müssen.
Sollte die Kommission also tatsächlich das Client-Side-Scanning einführen, so hielte ich dies für falsch. Denn die Durchsuchung von Inhalten auf den Geräten der Nutzer*innen noch vor einer Verschlüsselung wäre ein gravierender Eingriff in die digitale Selbstbestimmung. Sie wäre nach meiner derzeitigen Einschätzung unverhältnismäßig.
Zudem droht die immer vorhandene Fehlerwahrscheinlichkeit der Algorithmen zahlreiche Falschmeldungen zu verursachen, was eine großen Gefahr für die Privatsphäre unbescholtener Bürger*innen bedeuten könnte.
Außerdem betonen Rechtgutachten die Unvereinbarkeit eines solchen Gesetzes mit den europäischen Grundrechten (www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2021/03/Legal-Opinion-Screening-for-child-pornography-2021-03-04.pdf).
Auch die Berliner Ampel-Regierung positioniert sich in ihrem Koalitionsvertrag klar gegen eine solche Massenüberwachung und allgemeine Überwachungspflichten. Des Weiteren spricht sie sich auch klar gegen das Scannen privater Informationen und verpflichtende Uploadfilter aus. Stattdessen werden im Koalitionsvertrag ein Recht auf Verschlüsselung, die Stärkung der digitalen Bürgerrechte und der IT-Sicherheit gefordert. Somit lässt sich meines Erachtens die Einführung des Client-Side-Scanning auch nicht mit der Haltung der Bundesregierung vereinbaren.
Sollte die EU-Kommission also tatsächlich eine verpflichtende „Chatkontrolle“ vorsehen bzw. gar beschließen, so müsste die Bundesregierung sich auf EU-Ebene gegen eine solche Maßnahme einsetzen.
Herzliche Grüße nach Vaihingen!
Ihr Markus Rösler