BW verfehlt mit 0,21 % das 2 %-Wildnisziel deutlich. Selbst die geplante Erweiterung des NLP reicht nicht aus. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um das Ziel dennoch zu erreichen?
Hintergrund der Frage ist die Veröffentlichung der Wildnisstudie:
https://wildnisindeutschland.de/wp-content/uploads/2024/12/Handout_Wildnisbilanzierung.pdf
Lieber Herr B.,
entschuldigen Sie bitte vielmals meine späte Antwort.
Ich war bis 23. Dezember durch Haushaltsberatungen und andere dienstliche Verpflichten dermaßen eingedeckt, daß ich erst jetzt direkt zum Beginn des neuen Jahres 2025 zu einer Antwort komme.
Haben Sie jedenfalls vielen Dank für Ihr Interesse für den Naturschutz - speziell an dem für die Biologische Vielfalt wichtigen Aspekt der Wildnis.
In der Tat, eine Untersuchung von Zoologischer Gesellschaft Frankfurt, Sielmann-Stiftung und hat ergeben, daß es in Baden-Württemberg im Augenblick erst 0,21% der Landesfläche sind, auf denen wir Flächen von mind. 1000 ha, in begründeten Einzelfällen von min. 500 ha "Wildnis" (also ohne aktuelle Eingriffe und Nutzungen, "Wildnis" ist das ja dann noch nicht) nachweisen können.
Im relativ dicht besiedelten Baden-Württemberg sind relativ große Nullnutzungsflächen deutlich schwerer zu erreichen als in den neuen Ländern oder auch Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz, die sehr viel weniger dicht besiedelt und durch größere Straßen zerschnitten sind.
Trotzdem: 0,21% sind wenig und ich sehe es als wichtiges Ziel an, diesen Prozentsatz zu erhöhen.
Unklar ist mir trotz allerdings, warum unsere großen Moore beim Wurzacher Ried, dem Federsee und beim Pfrunger-Burgweiler Ried nicht mit in die Berechnungen eingeflossen sind.
Gemeinsames Ziel der Landesregierungen unter grüner Federführung war es, 10% des Staatswaldes aus der Nutzung zu nehmen - wobei Peter Hauk als für Forstwirtschaft zuständiger Minister hier bremst und sich ja selbst gegen die im Koalitionsvertrag festgehaltene Erweiterung des Nationalparks ausspricht.
Bei diesen 10% nutzungsfreien Flächen sind und wären dann allerdings auch kleinere Flächen als 1.000 ha eingerechnet - und damit beispielsweise auch die Kernzonen der beiden Biosphärengebiete Schwäbische Alb und Schwarzwald.
Der Anteil an Nullnutzungsflächen in Baden-Württemberg ist daher deutlich höher als die 0,21%, allerdings nicht nach den o.g. Kriterien für "Wildnisgebiete".
Ein weiterer Grund für die Schwierigkeit, in Baden-Württemberg großflächige Areale für Naturschutzzwecke zu finden, ist unsere Geschichte mit der nur im Süden Deutschlands verbreiteten Realteilung.
Sie wissen sicherlich, daß dies zu "handtuchgroßen" Grundstücken in den meisten Teilen des Landes führte, was übergeordnete Konzeptionen und deren Umsetzung - auch - im Naturschutz erheblich erschwert.
Dennoch kann ich Ihnen versichern, es war und ist uns GRÜNEN in Baden-Württemberg und auch mir persönlich ein großes Anliegen, Großschutzgebiete und damit auch in deren Kernzonen Wildnisgebiete zu etablieren und weiterzuentwickeln.
Seitdem die GRÜNEN in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten stellen, wurde 2014 der Nationalpark im Nordschwarzwald sowie 2016 das Biosphärengebiet im Südschwarzwald begründet. Außerdem findet derzeit eine erhebliche Erweiterung des Biosphärengebietes Schwäbische Alb sowie die Erweiterung des Nationalparks statt. Darüber hinaus aktuell in Oberschwaben-Allgäu ein Prüfprozess, an dessen Ende die Gemeindevertretungen vor Ort über die Gründung eines neues Biosphärengebietes entscheiden werden.
Mit einer Vervierfachung der Mittel für Naturschutz seit 2011 (damals 30 Mio. Euro, 2016 dann 60 Mio, 2021 90 Mio. und 2026 120 Mio. Euro) zeigen wir, wie wichtig uns ein Abbremsen beim Insektensterben sowie generell dem Schwund Biologischer Vielfalt ist - sowohl in Schutzgebieten wie auch auf der gesamten Fläche des Landes.
Ich wünsche Ihnen ein erfreuliches Jahr 2025 mit vielen Menschen, die sich für die Erhaltung unserer Biologischen Vielfalt sowohl in Wildnisgebieten wie in den Kulturlandschaften einsetzen
Ihr Markus Rösler