Wie stehen Sie zur Digitalisierung in der Zivil- und Fachgerichtsbarkeit? Wie begründen Sie Ihr Nein bei der Abstimmung am 17.11.2023?
Guten Tag Herr Koob,
Warum stimmten sie gegen denn Videokonferenzen in der Zivil- und Fachgerichtsbarkeit Gesetzentwurf vom 17.11.2023 ?
https://dserver.bundestag.de/btd/20/080/2008095.pdf
Wie begründen sie dies?
Was müsste passieren, damit sie dem zustimmen?
Wie passt die Ablehnung des Gesetzentwurfs mit den Forderungen der CDU/CSU nach Digitalisierung und Bürokratieabbau in Deutschland zusammen? Wenn die Digitalisierung Geschichtlich direkt zu weniger oder schnellerer Bürokratie geführt hat.
Vielen Dank für eine ehrliche und klare Antwort.
Felix.B
Sehr geehrter Herr B.
haben Sie herzlichen Dank für Ihre an mich gestellte Frage zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in den Zivil- und Fachgerichtsbarkeiten.
Das Ziel, die Justiz zu modernisieren, ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings enthält der Gesetzentwurf – neben wenigen zu befürwortenden Regelungen, wie z.B. die Ermöglichung von Video-Rechtsantragsstellen für mehr Bürgerfreundlichkeit – verschiedene Regelungen, die die Verfahren verlangsamen und die richterliche Verfahrensgestaltung einschränken werden. Ebenfalls kann die Beweisaufnahme und die Vergleichsbereitschaft erschwert werden. Die Änderungen, die mit dem Änderungsantrag eingebracht wurden, haben den Gesetzentwurf sogar noch weiter verschlechtert.
Mit Möglichkeit der vollvirtuellen Videoverhandlung, bei der sich auch die oder der Vorsitzende nicht mehr im Sitzungssaal aufhalten muss und eine Videoverhandlung beispielsweise auch aus dem heimischen Arbeitszimmer leiten kann, dürfte der Autorität des Gerichts und der Bürgernähe der Justiz wenig zuträglich sein. Der Eindruck, dass künftig Urteile vom heimischen Esszimmertisch aus gesprochen würden, dürfte der Akzeptanz richterlicher Entscheidung nicht förderlich sein. Wenn eine am Verfahren interessierte Öffentlichkeit an einer solchen Sitzung teilnehmen möchte und lediglich einen „öffentlich zugänglichen Raum im Gericht“ vorfinde, in den die Videoverhandlung übertragen wird, und sich außer dem Publikum keine weiteren Personen dort befinden, entspricht dies nicht den Vorstellungen und den Ansprüchen, die sich die breite Bevölkerung von einer und an eine solche öffentliche Sitzung eines Gerichts macht und hat.
Die Möglichkeit der Zuschaltung der Verfahrensbeteiligten von einem beliebigen Ort aus ist ebenfalls kritisch zu sehen. Die Qualität der Videoübertragung kann nicht gewährleistet werden, ebenso ist eine Beeinflussung nicht auszuschließen.
Das Ermessen der Gerichte wird stark eingeschränkt, wenn sie auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten den Einsatz von Videokonferenztechnik anordnen sollen.
Darüber hinaus wird die Begründungspflicht für den Fall ablehnender Entscheidungen für Gerichte deutlich Mehrarbeit bedeuten. Die Begründungspflicht korrespondiert nicht mit einer besseren Verfahrensförderung, sondern dient niemandem und erweckt zudem den Eindruck eines nicht begründeten Misstrauens des Gesetzgebers.
Bei Sachverständigen oder sog. „Berufszeugen“ – beispielsweise Notare – kann eine Videobeweisaufnahme im Einzelfall allerdings zu einer Entlastung führen, ohne dass damit eine Einbuße an Aussagekraft für das Beweismittel einhergehen muss. Für alle anderen Zeugen ist die Möglichkeit kritisch zu sehen.
Für meine Fraktion und mich ist klar: Eine digitale Justiz braucht gutes Personal, braucht moderne Räume und eine bessere technische Ausstattung. Es ist nicht ausreichend, einzelne digitale Leuchttürme zu fördern – es braucht Hilfe in der Fläche. Mit dem Pakt für den Rechtsstaat, den die Ampelparteien in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, können die notwendigen Ressourcen in die Breite der deutschen Gerichtsbarkeit ankommen und unser Justizwesen zukunftsfest und digitaler machen!
Daher haben meine Fraktion und ich aus guten Gründen diesen Gesetzentwurf abgelehnt.
Mit besten Grüßen
Markus Koob