Werden Sie für die Prüfung eines AfD-Verbots durch das Bundesverfassunsgericht stimmen?
Sehr geehrter Herr Koob,
in den kommenden Wochen wird ein fraktionsübergreifender Antrag im Bundestag Thema werden, initiiert u.A. von Ihrem Fraktionskollegen Wanderwitz, der die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens beim BVerfG fordert.
Gerade in Anbetracht der jüngsten Ereignisse in Thüringen hat sich erneut gezeigt, dass die AfD-Abgeordneten nicht als Demokraten in die Parlamente einziehen, sondern als Feinde der Demokratie, die die demokratischen Institutionen blockieren und ausnutzen.
Historisch ist dies schon einmal gelungen, mit grauenhaften Folgen. Oder, wie Goebbels sagte: "Das wird immer einer der besten Witze der Demokratie bleiben, daß sie ihren Todfeinden die Mittel selber stellte, durch die sie vernichtet wurde. [...] Aus der demokratischen Dummheit ließ sich vortrefflich Kapital schlagen."
Gerade ob dieser Erfahrung schufen die Väter des Grungesetzes eine wehrhafte Demokratie. Daher frage ich: Planen Sie, für die Prüfung eines AfD-Verbots durch das BVerfG zu stimmen?

Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihr Schreiben und Ihr Engagement für den Schutz unserer Demokratie. Ich nehme Ihr Anliegen sehr ernst und möchte Ihnen meine Position sowie die Haltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in dieser wichtigen Frage erläutern.
Der Deutsche Bundestag hat sich am 30. Januar 2025 erstmals mit zwei Gruppenanträgen befasst, die das Ziel verfolgen, die Verfassungswidrigkeit der AfD durch das Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen. Im Anschluss an die Aussprache wurden die Anträge an den federführenden Innenausschuss überwiesen, wo sie nun weiter beraten werden.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat nach intensiver Diskussion mit überwältigender Mehrheit entschieden, den Gruppenanträgen zur Einleitung eines Verbotsverfahrens nicht beizutreten. Diese Entscheidung, die auch ich unterstütze, beruht auf einer Reihe von Erwägungen, die ich Ihnen im Folgenden darlegen möchte:
- Juristische Erfolgsaussichten: Die Hürden für ein Parteiverbot sind durch das Bundesverfassungsgericht sehr hoch gesetzt. Zwar wird die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus geführt, doch reichen die derzeit vorliegenden Beweise nach unserer Einschätzung nicht aus, um die strengen Kriterien für ein Verbot einer politischen Partei zu erfüllen. Eine Verurteilung im Verbotsverfahren erfordert den Nachweis, dass die Partei aktiv darauf ausgerichtet ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen, und dass sie dabei ein gewisses Maß an Wirksamkeit erreicht hat. Diese Voraussetzungen sehen wir aktuell nicht als erfüllt an.
- Dauer des Verfahrens und politische Konsequenzen: Ein Parteiverbotsverfahren dauert in der Regel mehrere Jahre. Selbst wenn der Antrag erfolgreich wäre, könnte die AfD sich weiterhin an Wahlen beteiligen und sich dabei als Opfer politischer Verfolgung stilisieren. Dies könnte ihre Anhängerschaft eher stärken als schwächen.
- Fehlende Tatsachengrundlage: Ein fundierter Verbotsantrag erfordert eine umfassende Sammlung von Beweisen, die durch die Verfassungsschutzbehörden erhoben und abgesichert werden müssen. Diese liegt derzeit nicht in einer Form vor, die den hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügt. Zudem verlangt das Gericht „strikte Staatsfreiheit“ in der Beweiserhebung – also den Ausschluss von V-Leuten und verdeckten Ermittlern als Beweisquellen. Dies kann nur die Bundesregierung oder die Landesregierungen gewährleisten.
- Risiko eines gescheiterten Verbotsverfahrens: Ein abgelehnter Verbotsantrag hätte schwerwiegende Konsequenzen. Die AfD würde dann ein verfassungsgerichtliches „Gütesiegel“ erhalten, das ihr sogar nützen könnte, indem es sie als rechtlich unantastbare Partei legitimiert. Dieses Risiko halten wir für nicht verantwortbar.
- Politische Auseinandersetzung statt juristischer Maßnahmen: Wir sind der Überzeugung, dass die AfD nicht durch juristische Verfahren bekämpft werden sollte, sondern durch eine klare politische Auseinandersetzung. Es ist entscheidend, die Sorgen und Ängste vieler Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen und ihnen echte politische Lösungen anzubieten, um den gesellschaftlichen Rückhalt für extremistische Parteien zu verringern.
Ich verstehe Ihr Anliegen und Ihre Besorgnis über die zunehmenden extremistischen Tendenzen in der AfD. Dennoch sind wir überzeugt, dass ein Parteiverbot derzeit nicht das geeignete Mittel ist, um dieser Bedrohung effektiv zu begegnen. Vielmehr setzen wir auf eine konsequente politische Auseinandersetzung sowie eine nachhaltige Bekämpfung der Ursachen, die zur Unterstützung der AfD führen.
Selbstverständlich werde ich die weitere parlamentarische Diskussion und die Beratungen im Innenausschuss aufmerksam verfolgen und meine Haltung auf Basis der weiteren Entwicklungen bewerten. Ich danke Ihnen für Ihre engagierte Mitwirkung an der demokratischen Debatte und stehe Ihnen für weitere Fragen oder einen Austausch gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Koob