Frage an Markus Koob von Bernhard N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Koob,
gestern habe ich per Zufall während einer Fernsehreportage vernommen, dass demnächst die Bundeskanzlerin Psychologen in das Kanzleramt zu Arbeit- oder Beratungsgesprächen eingeladen hat. Dabei ist der englische Begriff "nudging" gefallen.
Ich habe mir dann diesen Begriff des Wortes anhand des Internets verständlich gemacht und habe daraus gelesen, dass dies bedeutet Politik mit unterschwelliger psychologischer Beeinflussung zu praktizieren. So wird das schon in England und in den USA angewendet.
Ich frage mich nun ob dies nicht gegen das Grundgesetz verstößt, da durch unterbewusste politische Handlungsweise, die freie Willensentscheidung nicht mehr gegeben wäre. Als Bürger bin ich natürlich täglich in der Werbung diesem Phänomen ausgesetzt und ich habe inzwischen gelernt mich einigermaßen dieser Beeinflussung zu wehren. Aber im Zusammenhang mit politischen Gegebenheiten dürfte es für die meisten Bürger schwierig sein, eine derartige Beeinflussung zu durchschauen. Ich sehe hiermit das Grundrecht der freien Willensentscheidung des individuellen Bürgers gefährdet!
Ich frage Sie hiermit ob es nicht besser ist dem Bürger ehrlich entgegenzutreten und einen wahrhaften Bürger-Dialog zu pflegen?
Mit freundlichem Gruß
B. Nachbauer
Sehr geehrter Herr Nachbauer,
vielen Dank für Ihre Frage vom 13. April 2015, in der Sie den Begriff des „nudging“ thematisieren.
Zunächst möchte ich einmal betonen, dass es sich hierbei nicht um Manipulation oder Zwang handelt. Das Konzept des „wirksamen Regierens“ geht sogar eher in die gegenteilige Richtung. Die Aufgabe dieses im Bundeskanzleramt angesiedelten Projektes ist es, sich zu überlegen, wie die Erfolge des Regierungshandelns verbessert werden können, ohne nach gesetzlicher Regulierung, verstärkten Kontrollen oder schlimmeren Sanktionen zu rufen. Ihren Ursprung hat sie in der Verhaltensökonomie und ist damit ein völlig neuer Ansatz neben dem klassischen Bereich besserer Rechtsetzung und lässt sich in vielen Problemfeldern anwenden.
Ein Beispiel findet man im Straßenverkehr: Durch die Installation von Countdown-Anzeigen an Ampeln hat sich gezeigt, dass viel weniger Menschen bei Rot die Straße überqueren, wenn sie wissen, wie lange sie noch warten müssen. Diese Maßnahme hat sich als wirkungsvoller und auch effizienter herausgestellt als beispielsweise die drastische Erhöhung des Bußgeldes oder das Abstellen eines Polizisten neben jede Ampel.
Das Setzen solcher Anreize kann durchaus als eine Alternative zu einer harten Verbots- und Regulierungspolitik verstanden werden und schränkt die Bürger damit auch nicht in ihren Freiheitsrechten ein. Sie verursachen keine hohen Kosten und kommen ohne ein langwieriges Gesetzgebungsverfahren aus. Sollte es sich herausstellen, dass sich ein Anreiz als nicht wirksam erweist, lässt er sich leicht korrigieren.
Sie haben allerdings insofern Recht, dass der direkte Dialog zwischen Politik und Bürger dadurch nicht ersetzt werden kann. Der am Montag, den 13. April 2015, von der Bundeskanzlerin und dem Bundesminister für Wirtschaft und Energie eröffnete Bürgerdialog soll den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern über die Vorstellungen von Lebensqualität zum Ziel haben. In zahlreichen bundesweiten Veranstaltungen haben Sie die Gelegenheit, sich mit ihren Vorstellungen und Wünschen einzubringen. Unter https://www.gut-leben-in-deutschland.de/DE/Home/home_node.html finden Sie alles Wissenswerte rund um diesen Bürgerdialog, z.B. auch Termine für Veranstaltungen in Ihrer Nähe.
Als gewählter Vertreter Ihres Wahlkreises ist mir der direkte Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern ebenfalls wichtig, sodass Sie sich bei Fragen und Problemen stets gerne auch direkt an mich wenden können.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Koob, MdB