Frage an Markus Koob von Ingrid L. bezüglich Soziale Sicherung
Demnächst steht die Abstimmung zur sog. Rentenreform an. Diese Reform mindert zwar die Ungerechtigkeit bei der Anrechnung von Erziehungszeiten, aber gleichzeitig erzeugt sie neue Ungerechtigkeiten mit der abschlagsfreien Rente ab 63 und der Einbeziehung von Zeiten der ARbeitslosigkeit. Werden die Ausbildungszeiten (Lehrzeit) eigentlich mitgerechnet, dann haben viele bereits mit 60 Jahren die 45 Beitragsjahre erreicht. Eigentlich müsste der Jahrgang 1951 bereits 5 Monate länger arbeiten und nun eine abschlagsfreie Rente ab 63 für die jüngeren Rentner? Die Jahrgänge, die unmittelbar nach Kriegsende geboren wurden, dieses Land mit aufbauten und bereits bei gleichen Bedingungen mit Abschlägen in Rente geschickt wurden - nicht immer freiwillig, denn die AG konnten es kaum erwarten sich von ihren älteren Mitarbeitern zu trennen - müssen nun die Kosten für diese Regelung mittragen. Sie werden abgestraft durch die lebenslangen Abschläge, durch die Mitfinanzierung der Kosten über die niedrigeren Rentenanpassungen und von der Riester-Rente konnten diese auch nicht profitieren. Eine ungerechtere Regelung hat es bisher nur bei der Anrechnung der Erziehungszeiten gegeben.
Diese sog. Mütterente muss aus Steuermitteln gezahlt werden, ebenso wie die Aufstockungsbeiträge zur sog. Lebensleistungsrente. Diese Leistungen sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben und dafür muss der Steuerzahler - also auch Politiker und Beamte und alle nicht in der RV versicherten - aufkommen.
Wie werden sie abstimmen?
Sehr geehrte Frau Lößl,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht vom 19. Mai 2014 bezüglich des Rentenpaketes der Bundesregierung.
Die Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag haben sich auf die Details zum Rentenpaket verständigt. Das Gesetzgebungsverfahren im Deutschen Bundestag wurde mit zweiter und dritter Lesung am 23. Mai 2014 abgeschlossen. Ich habe dem Rentenpaket am 23. Mai 2014 zugestimmt. Wenn der Bundesrat in seiner Sitzung am 13. Juni 2014 keine Einwände hat und der Bundespräsident das Gesetz ausfertigt, können die Neuregelungen mit einigen Änderungen wie geplant zum 1. Juli 2014 in Kraft treten.
Mit dem Rentenpaket werden die Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung für vor 1992 geborene Kinder um ein Jahr verlängert, es wird eine abschlagfreie Rente ab 63 nach 45 Beitragsjahren eingeführt. Zudem kommt es zukünftig bei der Erwerbsminderungsrente zu Verbesserungen bei der Bewertung von Zeiten und schließlich wird das Rehabilitationsbudget vorrübergehend angehoben.
Mütterrente
Die Mütterrente ist für uns ein Herzensanliegen und das Herzstück dieser Rentenreform. Die Anrechnung der Kindererziehungszeit soll für alle Mütter und Väter verbessert werden, die vor 1992 geborene Kinder erzogen haben. Davon werden rund neun Millionen Menschen profitieren.
Die Verbesserung der Mütterrente ist eine Anerkennung der Lebensleistung. Frauen, die vor 1992 Kinder großgezogen haben, hatten nicht die Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder, die es heute gibt, und damit nicht so gute Chancen wie Frauen heute, einem Beruf nachzugehen.
Wer bereits Rente bezieht, erhält für jedes vor 1992 geborene Kind monatlich einen pauschalen Rentenzuschlag von 28,61 Euro (West) bzw. 26,39 Euro (Osten). Dieser Betrag wird jedes Jahr zum 1. Juli um den Prozentsatz erhöht, um den die Rentenbeiträge generell angehoben werden. Wer noch aktive/r Arbeitnehmer/in ist, erhält für jedes vor 1992 geborene Kind einen Entgeltpunkt zusätzlich auf seinem Rentenkonto gutgeschrieben
Abschlagsfreie Rente ab 63 nach 45 Beitragsjahren
Die abschlagfreie Rente ab 63 nach 45 Beitragsjahren belohnt diejenigen Menschen, die in jungen Jahren ins Arbeitsleben gestartet sind und jahrzehntelang durchgearbeitet haben. Sie haben somit ihren Beitrag zur Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung geleistet. Vor diesem Hintergrund ist die Rente mit 63 noch vertretbar, zumal im Gesetzgebungsverfahren auf Betreiben der CDU/CSU-Fraktion Ergänzungen durchgesetzt werden konnten.
Mit den Veränderungen am Gesetz, die wir in den Koalitionsfraktionen beschlossen und umgesetzt haben, verhindern wir vor allem den Missbrauch dieser Regelung. Zudem wird das Renteneintrittsalter nach 45 Beitragsjahren bis zum Jahr 2029 schrittweise wieder auf 65 Jahre angehoben. Es gilt also: Wer vor dem 1. Januar 1953 geboren ist und noch keine Rente erhält, bekommt sie tatsächlich ab 63. Bei danach geborenen Versicherten wird die Altersgrenze stufenweise angehoben um zwei Monate pro Jahr ab dem Geburtsjahr 1953 angehoben. Für die Jahrgänge ab 1964 liegt das normale Eintrittsalter in die vorgezogene abschlagsfreie Rente folglich wieder bei 65 Jahren.
Wichtig ist: Die Rente mit 67, so wie wir sie vor Jahren auf den Weg gebracht haben, ist nicht verzichtbar. Die Menschen werden immer älter, es werden zu wenige Kinder in Deutschland geboren, so dass wir dem drohenden Fachkräftemangel begegnen müssen.
Um eine Frühverrentungswelle und damit einen Missbrauch der Neuregelung auszuschließen, werden Zeiten der Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor der abschlagsfreien Rente mit 63 nicht mitgezählt. Lediglich in zwei Fällen werden in diesem Zeitrahmen Ausnahmen gemacht: Im Fall der Insolvenz eines Arbeitgebers oder bei vollständiger Geschäftsaufgabe. Der Bezug von Arbeitslosenhilfe oder ALGII ist dementsprechend auch nicht anrechnungsfähig.
Wenn die Regelung zum 1. Juli 2014 in Kraft tritt, gilt sie nur für Neurentner ab diesem Stichtag. Mit Blick auf geltendes Rentenrecht (§ 34 Abs. 4 SGB VI) ist es dann für diejenigen, denen vorher schon eine abschlagbehaftete vorgezogene Altersrente bestandskräftig bewilligt wurden, nicht möglich, in die abschlagfreie vorgezogene Rente zu wechseln. Wir wissen, dass dies für viele, die derzeit schon mit Abschlägen im Rentenbezug sind, als ungerecht empfunden wird. Wir haben geprüft, ob es Übergangsregelungen geben sollte. Allerdings ist es hier auch aus finanziellen Gründen nicht möglich, praktikable und gerechte Alternativen zu finden.
Verbesserung der Erwerbsminderungsrente
Weiterhin sieht das Rentenpaket Verbesserungen in der Erwerbsminderungsrente für diejenigen vor, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten konnten. Diese Rente ist im Moment so hoch, als hätten die Betroffenen noch bis zum vollendeten 60. Lebensjahr gearbeitet und dafür ihren alten Verdienst bekommen. Ab dem 1. Juli 2014 soll sich ihre finanzielle Situation verbessern, nämlich durch eine Anhebung der sogenannten Zurechnungszeit vom 60. auf das vollendete 62. Lebensjahr. Versicherte, die im Alter von unter 62 Jahren in Erwerbsminderungsrente gehen, werden also ab Juli so gestellt, als ob sie mit ihrem bisherigen durchschnittlichen Einkommen bis 62 weitergearbeitet hätten. Ich halte diesen Schritt für absolut richtig, sozial ausgewogen und mühelos finanzierbar.
Verbesserung bei Leistungen der Rehabilitation
Teil der Reform ist zudem eine Anhebung des Budgets für Rehabilitationsmaßnahmen. Die Erhöhung wird unter anderem bedingt durch die demografische Entwicklung. Die Generation der Babyboomer ist in einem Alter (45+), in dem Reha-Leistungen häufiger notwendig werden. Dies führt dazu, dass das so genannte Reha-Budget der gesetzlichen Rentenversicherung in den letzten Jahren immer stärker ausgeschöpft und im Jahr 2012 sogar um 12 Millionen Euro überschritten wurde. Um sicherzustellen, dass die Träger der Deutschen Rentenversicherung auch in Zukunft die notwendigen Leistungen zur Rehabilitation an ihre Versicherten erbringen können, ist eine Anpassung an die demografische Entwicklung erforderlich.
Grundsätzlich bleibt es, vor dem Hintergrund der gestiegenen Lebenserwartung und der sinkenden Geburtenraten, bei der stufenweisen Anhebung der Regelaltersgrenze für den Renteneintritt. Das Rentenpaket nimmt sich nun jedoch jenen Mitbürgern an, die ihr Arbeitsleben bereits in sehr frühen Jahren begonnen haben, die über Jahrzehnte hinweg erwerbstätig waren und durch Pflege- und Erziehungsarbeit einen gesamtgesellschaftlichen Beitrag geleistet haben.
Wir gehen davon aus, dass das Rentenpaket nach Maßgabe der Berechnungen durch die Bundesregierung solide finanziert ist. Natürlich sind Prognosen in die ferne Zukunft immer mit Unsicherheiten behaftet. Gerade die jüngere Vergangenheit hat uns gelehrt, dass sich die Finanzlage der Deutschen Rentenversicherung deutlich besser entwickelt, als die vor einigen Jahren von den Experten vorausgesagt wurde. Während der Beitragssatz nach den Schätzungen aus dem Jahr 2009 bis zum Jahr 2014 bei 19,9% geblieben wäre, ist er tatsächlich über 19,6 Prozent auf nun 18,9 Prozent gesunken. Gleichzeitig ist die Nachhaltigkeitsrücklage in der Rentenversicherung auf über 32 Mrd. Euro angewachsen. Aus unserer Sicht sind in dieser Nachhaltigkeitsrücklage entsprechend der Einzahlungen in die Rentenversicherung neben den Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch Steuermittel durch die Bundeszuschüsse und Beiträge des Bundes anteilig enthalten. So zahlt der Bund derzeit mit rund 12 Mrd. Euro jährlich mehr für Kindererziehung ein als die Rentenversicherung mit 6,5 Mrd. Euro für Kindererziehungszeiten Ausgaben hat.
An der langfristigen Bewältigung der demografischen Entwicklung sowie der Finanzierung der nicht beitragsgedeckten Leistungen einschließlich der Leistungen für Kindererziehung beteiligt sich auch der Bund ab dem Kalenderjahr 2018 mit zusätzlichen Mitteln in Höhe von anfänglich 2 Milliarden Euro. Daher greift aus unserer Sicht der Vorwurf nicht, die Mütterrente sei systemwidrig nur durch die Beitragszahler finanziert. Auch der Bund ist beteiligt. Klar ist nur, dass Leistungsverbesserungen wie die Mütterrente oder die Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente nicht zum Nulltarif zu haben sind. Wir werden nun die weitere Finanzentwicklung genau beobachten und gegebenenfalls den Handlungsbedarf prüfen.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Koob, MdB