Frage an Marja-Liisa Völlers von Birgit D. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Völlers,
mit Fassungslosigkeit habe ich gerade gelesen, dass Sie auch für die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration gestimmt haben. Das ist ein Skandal. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass auch die SPD eine Tierquäler-Partei ist. Das ging schon mit dem Koalitionsvertrag los, indem sich die SPD gemeinsam mit CDU/CSU darauf geeinigt hat, Tierschützer, die in Ställe „einbrechen“ (um Missstände aufzudecken!), härter bestrafen zu wollen. Im September hat die SPD zusammen mit CDU/CSU zwei verschiedene Anträge von FDP und Grünen zu Verschärfungen bei Tiertransporten abgelehnt. Und nun diese unselige Fristverlängerung!
Genau dieses "Weiter-So-für-die-Wirtschaft-koste-es-was-es-wolle" ist der Grund dafür, dass der SPD die Wähler in Scharen weglaufen.
Bitte erläutern Sie mir Ihre ganz persönlichen Beweggründe, warum Sie dafür gestimmt haben, dieses qualvolle Prozedere beibehalten zu wollen.
Und kommen Sie mir nicht mit einer vorformulierten Textwüste von Ihrem SPD-Kollegen Rainer Spiering. Und auch nicht mit dem Totschlagargument Arbeitsplätze (ich weiß, eine makabre Wortwahl in Zusammenhang mit dem sensiblen Thema Tierschutz). Wenn Geschäftsgrundlagen ethisch nicht vertretbar sind und zu gesundheitlichen Gefahren von Mensch, Tier und Umwelt führen, dürfen Arbeitsplätze kein Argument mehr sein.
Mich interessiert wirklich, ob Sie als Politikerin noch Empathiefähigkeit für andere Lebewesen haben, und wie Sie persönlich zum Thema Tierschutz stehen.
Mit freundlichen Grüßen,
B. D.
Sehr geehrte Frau D.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Sehr gerne lege ich Ihnen dar, warum ich für eine zweijährige Übergangszeit gestimmt habe, in der das Verbot noch nicht sofort in Kraft tritt. Ich kann schon an dieser Stelle sagen: An den Arbeitsplätzen lag es nicht (nur).
Vor über fünf Jahren hat die Bundesregierung entschieden, die betäubungslose Ferkelkastration ab 2019 zu verbieten. Dieses Anliegen unterstütze ich. Leider wurde seit dieser Entscheidung einiges verschlafen, finde ich. Die damalige Regierung hat zwar die betäubungslose Kastration verboten, aber keine brauchbaren Alternativen geboten. Das hat das Bundeslandwirtschaftsministerium leider auch bis heute nicht getan. Denn die anderen Methoden, die bisher bekannt sind, haben sich nicht als passende Lösungen herausgestellt – und das aus ganz unterschiedlichen Gründen. Hätten wir also die betäubungslose Kastration ab 2019 verboten, hätten alle Ferkelbauer in Deutschland dicht machen müssen.
Aber wie Sie ganz richtig sagen, sind Arbeitsplätze in diesem Zusammenhang kein gutes Argument.
Mein Problem sind die Auswirkungen, die dem Verbot folgen würden: Die Unternehmen, die bisher von deutschen Ferkelbauern gekauft haben, würden auf Anbieter aus dem Ausland zurückgreifen. Grundsätzlich wäre das kein Problem, wenn diese dem Tierschutz mehr Gewicht geben würden als Anbieter in Deutschland. Das ist aber nicht der Fall. Schon heute kaufen einige Unternehmen Schweine im Ausland, die entweder wie hier ohne Betäubung kastriert wurden oder per Lokalanästhesie, die nicht dem deutschen Tierschutzgesetz entspricht. Den Tieren würde so also nicht geholfen. Man könnte sogar einwerfen, dass sie noch mehr leiden müssen, weil sie jetzt auch noch über weite Strecken transportiert werden müssten.
Ein jetzt eingesetztes Verbot würde also nur der deutschen Wirtschaft schaden, den Schweinen aber nicht helfen. Darum habe ich für die Übergangszeit gestimmt. Diese ist übrigens nicht einfach nur eine Fristverlängerung – das hätte ich auch nicht mitgemacht. Wir haben klar festgehalten, was das Bundeslandwirtschaftsministerium jetzt machen muss, z.B. die entsprechenden Arzneimittel zulassen und notwendige Geräte in der Fläche verfügbar machen. Das muss so schnell geschehen wie möglich, damit die betäubungslose Ferkelkastration bis spätestens Ende 2020 beendet werden kann. Sollten die Voraussetzungen schon vorher vorliegen, wird die betäubungslose Ferkelkastration auch schon vorher verboten. Das könnte also schon im Laufe des Jahres 2019 passieren.
Wir haben uns für diesen Schritt entschieden, um den Tierschutz wirklich zu gewährleisten. Denn auf den Tierschutz im Ausland haben wir keinen Einfluss. Wir können nur die Gesetze in Deutschland festlegen. Die Tierschutzgesetze in der EU sind leider nicht einheitlich. Ich bedauere, dass in den vergangenen fünf Jahren im Bundeslandwirtschaftsministerium anscheinend nicht an der Problematik gearbeitet wurde. Das kritisiere ich, denn diese jetzt notwendige Übergangszeit hätte vermieden werden können.
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Marja-Liisa Völlers, MdB