Frage an Mario Brandenburg von Anna S. bezüglich Digitale Agenda
Sehr geehrter Herr Brandenburg,
Nach meinem Verständnis ist ein Hauptanliegen der FDP die Digitalisierung, die verstärkte Nutzung und der Ausbau digitaler Infrastruktur in allen Bereichen des Lebens. Gleichzeitig ist aber ein wohl noch größeres Anliegen der FDP die Freiheit des Marktes, zu der entscheidend beiträgt, dass Monopole vermieden und Wettbewerb ermöglicht werden.
Die aktuelle Situation ist aber doch die, dass einzelne, insbesondere US-amerikanische, Unternehmen die verschiedenen Branchen der digitalen Welt letztlich für sich in Anspruch genommen haben. Konkurrenz wird strukturell unterbunden, beispielsweise durch das Aufkaufen potentiell vielversprechender Mitbewerber, etwa durch Facebook. Die Dominanz dieser Unternehmen ist ein noch größeres Problem, bedenkt man, wie viel manipulatives Potential soziale Plattformen bieten oder wie wichtig eine vor Angriffen geschützte Infrastruktur ist.
Wie stehen Sie zu diesem Widerspruch und was unternehmen Sie, um ihm entgegenzuwirken? Wie lässt sich Digitalisierung in Einklang bringen mit den Werten unserer Demokratie und einem freien Markt?
Auf das Thema aufmerksam gemacht hat mich ein Artikel der Süddeutschen Zeitung (Nr. 160, Dienstag, 14. Juli 2020, S. 9), in dem das Grundsatzpapier „European Public Sphere – Gestaltung der Digitalen Souveränität Europas“ (www.acatech.de/european-public-sphere) vorgestellt und diskutiert wird. Mich würde auch interessieren, wie Sie zu den in diesem Grundsatzpapier vorgetragenen Forderungen stehen.
Wie Sie sich vorstellen können liegt mir als neunzehnjährige Studentin dieses für die Zukunft mit Sicherheit prägende Thema am Herzen.
Vielen Dank für Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen,
A. S.
Sehr geehrte Frau Schmitt,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu einem Thema, dass mir ebenfalls am Herzen liegt!
Wie Sie richtig beschrieben haben, sehen wir eine deutliche Dominanz weniger Unternehmen in entscheidenden Bereichen der digitalen Transformation. Auch in einer sozialen Marktwirtschaft brauchen wir einen starken Schiedsrichter, der für die Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern, aber auch im Interesse des freien Wettbewerbs eingreifen kann. Die Kompetenz und Verantwortung dafür liegt insbesondere bei der Europäischen Union. In meinen Augen ist das auch sinnvoll, um die ganze Schlagkraft nutzen zu können, die aus der Größe des europäischen Marktes erwächst. Meine liberale Kollegin Margrethe Vestager hat hierbei als EU-Kommissarin für Wettbewerb in den letzten Jahren beachtliche Erfolge erzielen können.
Gleichwohl müssen wir weiter daran arbeiten, die Schlagkraft der Wettbewerbshüter zu erhöhen. Wir müssen zum Beispiel Verfahren beschleunigen, um schnell auf Beschwerden über Marktmachtmissbrauch reagieren zu können. Wo große Konzerne versuchen, den Zugang für Wettbewerber zu erschweren, müssen wir politisch den Rahmen so gestalten, dass zum Beispiel die Pflicht zum Einbau offener Schnittstellen den Wechsel zu Konkurrenzprodukten ohne den Verlust der eigenen Daten ermöglicht. Notfalls müssen bestimmte Geschäftspraktiken auch untersagt und entstandener Schaden kompensiert werden.
Auch wenn die Verankerung auf europäischer Ebene den meisten Erfolg verspricht, ist Deutschland damit natürlich nicht aus der Pflicht genommen. Auch im eigenen Land können und müssen wir dem entstandenen Ungleichgewicht entgegenwirken. Aus dem Grund unterstützen die Freien Demokraten im Deutschen Bundestag auch Ideen, die der Förderung von Unternehmertum dienen. Wir bringen selbst immer wieder Ideen dazu ein, wie ein innovationsoffenes Umfeld bewahrt werden kann, in dem Wettbewerber möglich bleibt. Einen umfangreichen Antrag der Fraktion finden Sie zum Beispiel unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/082/1908264.pdf. Ferner fordere ich auch, dass wir gerade bei der digitalen Transformation unserer Verwaltung davon Gebrauch machen, innovative Technologie- und Digitalunternehmen aus der EU mit der Nachfragemacht des Staates als Kunde zu unterstützen - auch dezentralen Lösungen den Vorzug zu geben, bei denen nicht ein großer Datensammler allein von Netzwerkeffekten profitiert.
Die von Acatech vorgebrachten Ideen passen in meinen Augen sehr gut zu dieser Vorgehensweise, da sie auch auf die Schaffung eines innovations- und wettbewerbsfreundlichen digitalen Ökosystems abzielen. Entsprechend interessiert habe ich das Grundsatzpapier gelesen und werde im Rahmen meiner Möglichkeiten die weitere Umsetzung begleiten.
Die kurze Antwort auf Ihre Frage nach der Auflösung des Widerspruchs ist also, dass wir nicht versuchen auf den Markt selbst oder die Unternehmen restriktiv einzuwirken. Sondern uns zum Ziel gesetzt haben, den freien und fairen Wettbewerb auch unter den Bedingungen der zur Monopolbildung neigenden Plattformökonomie zu gewährleisten. Das bedeutet nicht, dass eine Entflechtung der Monopole als ultima ratio nicht denkbar scheint. Dazu gibt es auch in den USA immer wieder Überlegungen. Jedoch sehen wir die staatlichen Möglichkeiten bis dahin als noch lange nicht ausgereizt an, weshalb wir uns entsprechende Forderungen derzeit nicht zu eigen machen.
Mit freundlichen Grüßen
Mario Brandenburg, MdB