Frage an Marieluise Beck von Andre D. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Beck.
Mich als ein skeptisches und zunehmend zweiflerisches Mitglied ihrer Partei würde interessieren, wie sie als Kandidatin meines Wahlkreises zu den in jüngerer Vergangenheit verstärkt in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückten Themen der sogenannten Männer- bzw. Väterrechte stehen.
Sehen sie diese gesellschaftliche Bewegung, wie ich, als begrüssenswerte emanzipatorische Bewegung, aufgrund einer offensichtlichen geschlechtsspezifischen und gesellschaftlichen Benachteiligung im Bereich Familie, insbesondere Familienrecht (z.B: nicht sanktionierter Boykott von Müttern bei Umgangsregelungen, Vaterschaftstests, Regelungen zu Unterhalt, wenn Unterhaltspflichtigen untersagt wird, für ein Kind mit einer neuen Partnerin Erziehungsurlaub zu nehmen usw.), oder verstehen sie sich wie viele aus der Parteiprominenz als Steigbügelhalter eines in diesem Bereich von femministischer Dogmatik geprägten Machtgefüges (siehe Äusserungen von Volker Beck u.a.)??
Wie stehen sie zu der Beobachtung, dass die heutige Familienrechtssprechung tief in der Tradition des dritten Reiches verwurzelt ist ( "das heilige Recht jeder Mutter auf ihr Kind" - nicht das Recht des Kindes auf beide Elternteile)??
Wie stehen sie zu der Tatsache, das Teile der (vermeintlich?) emanzipatorischen Bewegung des Femminismus mehr oder weniger subtil erschreckend nah orientiert an dieser Programmatik argumentieren ?
Es würde mich freuen, hierauf von ihnen Antworten zu erhalten. Oder sollen diese wichtigen, elementare Grundrechte eines jeden Menschen berührenden Themen, aus der Not geboren weiterhin überwiegend den Konservativen, bzw. der Bild - Zeitung überlassen bleiben?
Sehr geehrter Herr Dittman,
tatsächlich gilt es, das Kindschaftsrecht immer wieder zu überprüfen und den Wandlungen unserer Gesellschaft anzupassen. Die derzeitige rechtliche Lage besagt, dass eine gemeinsame Sorge für das Kind ohne die Zustimmung der Mutter nicht möglich ist. Hierbei ist es unerheblich, ob der Vater seinen Unterhaltspflichten nachkommt oder nicht. Gegen diese „Vetorecht der Mütter“ waren mehrere Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig, die das „Vetorecht“ bestätigten. Hierbei wurde argumentiert, dass, sobald ein einvernehmliches Miteinander der Eltern nicht möglich ist, der Staat einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind übertragen darf. Dabei kann man wohl davon ausgehen, dass in der Regel die Mutter die engere Bindung zum Kind hat und somit die Hauptverantwortung für das Kind erhalten sollte.
Natürlich haben auch Väter Elternrechte. Das uneingeschränkte „Vetorecht der Mutter“ stellte hier in meinen Augen eine Ungerechtigkeitslücke dar, die es zu schließen gilt. Vorbildhaft hierfür könnte die geltende Übergangsregelung für das Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern (Altfälle) sein, die eine Einzelfallprüfung vorsieht. So könnte der Vater, so lange er dazu Willens und in der Lage ist, ein gleichberechtigtes Sorgerecht für das Kind erhalten, auch wenn die Mutter dagegen ist. Sollte die Mutter schwerwiegende Gründe gegen ein gemeinsames Sorgerecht haben, werden diese auch in einer Einzelfallprüfung Bestand haben.
Aber wir sollten nicht vergessen, dass es hierbei immer um das Wohl des Kindes gehen muss. Deshalb sind wir von Bündnis 90/DIE GRÜNEN für ein Umdenken hin zu einem Kindschaftsrecht, das eine Konfliktschlichtung mit vorsieht. Anhand des „Cochemer Modells“ kann man sehen, wie man sehr erfolgreich über Beratung einvernehmliche Lösungen finden kann und so ein zerreißen des Kindes zwischen den sich streitenden Eltern verhindert. Wir haben deshalb im Zuge der Reform der Freiwilligen Gerichtsbarkeit einen Gesetzentwurf in Arbeit gegeben, der im Interesse des Kindeswohls das Verfahren beschleunigen und auf einvernehmliche Lösungen orientieren soll. Zusätzlich wollen die GRÜNEN ein entsprechendes Aufklärungs- und Beratungsnetz knüpfen sowie die Aus- und Fortbildung von Juristen auf das spezielle Thema hin fördern. Es geht darum von einer Konfliktsituation im Interesse des Kindes zu einem konstruktiven Miteinander zu kommen. Cochem hat in der Praxis bewiesen, dass das in der Regel gut funktioniert.
Mit freundlichen Grüßen,
Marieluise Beck MdB