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Marieluise Beck
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Frage von Gerd S. •

Frage an Marieluise Beck von Gerd S. bezüglich Wirtschaft

Wie stehen Sie zu der Teilprivatisierung der Deutschen Bundesbahn?

MfG

Gerd Schwertfeger

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schwertfeger,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Teilprivatisierung der Deutschen Bahn.

Ich bitte zu entschuldigen, dass Sie erst jetzt eine Antwort erhalten. Ich möchte Ihnen dennoch gerne meine Position darlegen und Ihnen antworten. Ich lehne den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes entschieden ab.

Der vorgelegte Gesetzentwurf hat grundlegende Mängel:

1.Der Gesetzentwurf ist verfassungswidrig.
2.Der Gesetzentwurf ist ein verqueres Rechtskonstrukt, das grundlegende Ziele der Bahnreform ignoriert.
3.Private InvestorInnen erhalten Zugriff auf das Netz. Eigentumssicherung wird vorgetäuscht.
4.Der Bund enteignet sich mit diesem Gesetz ökonomisch und politisch selbst!
5.Öffentliches Vermögen im Wert von ca. 130 Milliarden Euro wird für einen einstelligen Milliardenbetrag verschleudert.
6.Künftigen privaten MiteigentümerInnen werden auf Jahre öffentliche Milliarden-Zuwendungen versprochen.
7.Gemeineigentum und Gemeinwohlorientierung werden sehenden Auges dem privaten Renditeinteresse geopfert.

Dieses Privatisierungsgesetz schadet dem Schienenverkehr, den Kundinnen und Kunden, den Ländern, dem Bund und der Wirtschaft.

Es ist ein Skandal, dass die große Koalition drauf und dran ist, die Deutsche Bahn samt Schienennetz teilweise an private Investoren zu verscherbeln. Zwar behauptet die Regierung, mit ihrem Modell würde das ganze Netz aus der DB AG herausgelöst und in eine eigene Gesellschaft überführt, die im unmittelbaren Eigentum des Bundes verbleibt. Diese Aktion ist aber ein großes Täuschungsmanöver. Der Bund wird zwar formal Eigentümer des Netzes, tritt aber im gleichen Moment alle relevanten Eigentumsrechte für mindestens 15 Jahre an die DB AG ab. Zu behaupten, der Bund würde weiterhin die Kontrolle über das Schienennetz ausüben, ist daher ein großer Etikettenschwindel.

Daran ändert auch das Volksaktien-Modell nichts, dem sich Minister Tiefensee nun notgedrungen und gegen eigene Überzeugung angeschlossen hat. Es macht aus einem schlechten Börsengang keinen guten Börsengang der Deutschen Bahn AG! Mit den stimmrechtslosen Vorzugsaktien sollen Aktionäre eine Vorzugsrendite garantiert bekommen. Damit würde der Renditedruck auf die DB AG weiter verstärkt. Schon heute handelt der Bahnvorstand vielfach so, als müsste er private Kapitalinteressen bedienen. Warum sollte dies durch das Volksaktien-Modell besser werden? Selbst die Stimmrechtslosigkeit ist nicht gesichert. Bleiben die Gewinne zwei Jahre aus, lebt das Stimmrecht automatisch wieder auf. Und da die Deutsche Bahn bis vor zwei Jahren immer nur Verluste gemacht hat, ist dies ein wahrscheinliches Szenario. An der gesamten widersinnigen Konstruktion der Übertragung wirtschaftlichen Eigentums an die Deutsche Bahn AG rüttelt das Volksaktien-Modell nicht. Die Grundstruktur des Eigentumssicherungsmodells bleibt davon unberührt.
Die DB AG als Netzmonopolist und größter Nutzer der Schienenwege wird das ihr übertragene Netz hemmungslos nach eigenen Konzerninteressen gestalten, zum Schaden des Wettbewerbs und des Wachstums dieses umweltfreundlichen Verkehrsträgers.

Zudem werden das Netz und die Bahnhöfe zum Renditeobjekt privater Investoren. Bis 2011 soll das mit Milliarden Euro staatlich alimentierte Netz mehr Geld erwirtschaften als alle anderen Sparten. Das geht nur, wenn tausende Kilometer unrentable Strecken im ländlichen Raum stillgelegt werden und wenn die staatlichen Zuschüsse dauerhaft, üppig und faktisch unkontrolliert fließen. Und genau das ist geplant: Der DB AG soll das Schienennetz auf mindestens 15 Jahre mit einer gigantischen Mitgift von insgesamt 37,5 Milliarden Euro übertragen werden, wobei die Regeln für die Netzqualität und die finanzielle Vereinbarung zwischen Bund und Bahn bewusst unscharf formuliert sind.

Will der Bund nach 15 Jahren wieder vollständiger Eigentümer des Schienennetzes werden, muss er den privaten InvestorInnen einen so genannten Wertausgleich zahlen, der sich am bilanziellen Eigenkapital der Infrastrukturgesellschaften bemisst. Nach heutigem Stand sind dies 8 Milliarden Euro.

Der Privatisierungserlös für einen Teilverkauf DB AG einschließlich aller Transportgesellschaften wird deutlich niedriger liegen. Die Konstruktion ist bewusst so gewählt, um einen Rückfall des Netzes an den Bund faktisch unmöglich zu machen. Das Privatisierungsgesetz in dieser Form ist der integrierte Börsengang, wie er von Tiefensee und Mehdorn immer gewollt wurde, durch die kalte Küche. Der Staat wird entmachtet und beraubt sich aller Möglichkeiten, in der Zukunft noch Bahnpolitik machen zu können.
Bündnis 90/Die Grünen lehnt dieses Privatisierungsmodell ab. Der vorliegende Gesetzentwurf ist wettbewerbsfeindlich, eher staatskapitalistisch als marktwirtschaftlich und geht ordnungspolitisch in die falsche Richtung. Er läuft dem umwelt- und verkehrspolitischen Ziel zuwider, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen.

Die grüne Bundestagsfraktion hat daher einen Antrag in den Bundestag eingebracht: "Schieneninfrastruktur ist öffentliche Aufgabe - Moratorium für Privatisierung der Deutsche Bahn AG", den Sie im Internet unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/052/1605270.pdf downloaden können.

Mit freundlichen Grüßen
Marieluise Beck