Frage an Marieluise Beck von Benjamin G. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Beck,
ich bin seit 2010 Gesundheits- und Krankepfleger und habe als Praxisanleiter im Krankenhaus täglich mit Auszubildenden zu tun und habe bisher mit großer Freude die Bemühungen im Bereich der Ausbildungsreform im Bereich der Pflege, also des Pflegeberufsgesetz, hin zu einer generalistischen Ausbildung einer Pflegefachkraft und weg von den bisher drei getrennten Bereichen Kranken- Alten- und Kinderkrankenpflege, durch den Bundesgesundheitsminister Gröhe beobachtet.
Dieses Vorhaben ist meiner Meinung nach alternativlos um die positive Weiterentwicklung der Pflege in Deutschland sicherzustellen.
Nur durch eine Reform dieser Art wird es möglich sein die Auszubildenden und zukünftigen Pflegefachkräfte ganzheitlich in allen Bereichen auszubilden um die Versorgung in jeder Situation in der sich die Pflegefachkräfte befinden auf einem hohen Niveau sicherzustellen.
In meinem Bereich, der Versorgung von Patienten im Krankenhaus, wird es durch den steigenden Altersdurchschnitt der Patienten und der damit verbundenen Multimorbidität immer wichtiger sich im geriatrischen Bereich weiterzubilden um ältere Menschen, vor allem an Demenz erkrankte Patienten, auf einem hohen Niveau zu versorgen.
Leider liest man nun durch verschiedene Quellen, dass massive Lobbyarbeit durch die Unternehmer- und Arbeitgeberverbände betrieben wird, um die Modernisierung der Ausbildung und der damit verbunden Verbesserung der Versorgungsqualität der Patienten und Pflegebedürftigen zu verhindern, da diese Bemühungen anscheinend den wirtschaftlichen Interessen entgegenstehen.
Daher bitte ich sie darum das Gesetzesvorhaben zum Pflegeberufsgesetz zu unterstützen und dafür zu stimmen!
Sollten Sie gegen dieses Gesetz abstimmen wollen, bitte ich Sie mir ausführlich darzulegen warum Sie dieses Gesetz ablehnen und ob Sie durch Lobbyarbeit zu diesem Standpunkt gebracht worden.
Vielen Dank für Ihre Antwort!
Freundliche Grüße
Benjamin Groß
Sehr geehrter Herr Groß,
vielen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner Position.
Ich teile die Meinung der Grünen zu der Reform des Pflegeberufsgesetzes: Ohne eine eingehende Überarbeitung des Gesetzentwurfs werde ich der Reform nicht zustimmen.
Die Befürworter einer generalistischen Ausbildung, die alle drei Pflegeausbildungen in einen Beruf zusammenführen will, sehen in dem Entwurf eine Chance, den Pflegeberuf in allen Bereichen aufzuwerten. Die Gegner der Reform befürchten jedoch einen Rückgang der Ausbildungszahlen, insbesondere in der Altenpflege, und damit eine Verschärfung des Fachkräftemangelns, aber auch einen Verlust von fachpflegerischen Kompetenzen.
Der nun vorliegende Gesetzentwurf zur Reform der Pflegeberufe der Bundesministerien für Gesundheit und Familie lässt nicht erwarten, dass dadurch die notwendige Aufwertung der Pflegeberufe gelingen kann. Zu viele Fragen bleiben offen, zu viele Unwägbarkeiten tun sich auf, zu viele Unsicherheiten werden geschaffen: Wie sehen die Ausbildungsinhalte aus und wie umfassend sind die Vertiefungsbereiche? Gibt es genug Kapazitäten bei den Praxisstellen und der Praxisanleitung, um eine generalistische Ausbildung umsetzen zu können? Müssen sich die generalistisch ausgebildeten Pflegekräfte auf eigene Kosten nachqualifizieren? Zudem bedient sich der Kabinettsentwurf einer veralteten Berechnungsgrundlage, was höhere Kosten für die Ausbildung und die Kostenträger erwarten lässt.
Unsere Expertin für Pflegepolitik, Elisabeth Scharfenberg, ist überzeugt, dass zwar einige, wenn auch längst nicht alle, Krankenpflegekräfte die reine Generalistik wünschen. Es gibt zu viele ungeklärte Punkte und das Gesetzgebungsverfahren war von Beginn an intransparent. Außer Frage aber steht, dass politischer Handlungsdruck besteht, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und somit den Fachkräftemangel in der Pflege zu entschärfen. Unser grünes Reformmodell sieht eine integrierte Pflegeausbildung - eine gemeinsame Grundausbildung von 1,5 bis 2 Jahren mit anschließender Spezialisierung und entsprechendem Abschluss - vor.
Wir haben daher ein Moratorium veranlasst, welches so lange gelten wird, bis folgende Prozesse geklärt sind:
1. Eine umfassende Risikofolgenabschätzung, die die Auswirkungen der geplanten Reform auf die Qualität der pflegerischen Versorgung sowie auf die Quantität der Ausbildungs- und Absolventenzahlen der Pflegeausbildung untersucht.
2. Eine detaillierte und realistische Kostenkalkulation und Aufschlüsselung der finanziellen Mehrkosten, die durch die Reform der Pflegeausbildung für die jeweiligen Kostenträger entstehen.
3. Die Veröffentlichung des Verordnungsentwurfs noch vor der ersten Lesung des Gesetzes im Deutschen Bundestag.
Auch der Berufsverband Kinderkrankenpflege Deutschland und der Deutsche Berufsverband für Altenpflege lehnen den Gesetzentwurf in seiner derzeitigen Form ab. Beide haben das grüne Moratorium zur Aussetzung des Gesetzgebungsverfahrens unterzeichnet.
Es ist richtig, die Pflegeausbildung zu reformieren und zu modernisieren, um eine angemessene pflegerische Versorgung durch geschultes Fachpersonal zu gewährleisten. Doch dieses Gesetz wird weder die Attraktivität des Pflegeberufs verbessern, noch zu mehr Ausbildungsplätzen führen. Darum muss das Gesetzgebungsverfahren gestoppt werden, bis die Fehler behoben sind.
Mit freundlichen Grüßen nach Mahndorf,
Marieluise Beck