Frage an Marieluise Beck von Malte D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Abgeordnete,
mit Sorge musste ich gestern erfahren, dass die Vorratsdatenspeicherung (VDS), die jetzt Höchstspeicherungsfrist heißt, wieder eingeführt wird. Dadurch wird durch massenhafte Speicherung von Kommunikationsdaten unschuldiger BürgerInnen möglich. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um den Rechtsstaat und meine Freiheit. Nun meine Fragen:
1. Wie stehen Sie zum Gesetzentwurf? Lehnen Sie eine VDS ab? Wenn nein, warum?
2. Es gibt technische Möglichkeiten, die VDS zu umgehen, z.B. durch im Ausland stehende Telefon- oder IP-Server. Werden Sie nach Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes diese Umgehungen selber nutzen? Wenn nein, warum nicht?
3. Im Rahmen dieser Debatte fällt häufiger der Satz „Ich habe doch nichts zu verbergen“. Was ist damit gemeint?
4. Wäre es nicht konsequent, wenn man alle Kommunikationsdaten speichert, auch DNS-Profile und Fingerabdrücke aller BürgerInnen zu speichern?
Ich bedenke mich schon mal im Voraus für die Beantwortung der Fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Malte Dierwald
Sehr geehrter Herr Dierwald,
die Vorratsdatenspeicherung (VDS), also die anlasslose und massenhafte Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten aller Bürgerinnen und Bürgern auf Vorrat, ist seit Jahren eine der zentralen Fragen der Bürgerrechtspolitik. Nicht ohne Grund hatte bereits das Bundesverfassungsgericht die Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht mit unserer Verfassung für nicht vereinbar erklärt. Das Gericht stellte in seinem Urteil deutlich heraus, dass die Streubreite der Maßnahme extrem weit sei und die Vorratsdatenspeicherung tief in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreife. Es mahnte eine „Überwachungsgesamtrechnung“ an und gab den Gesetzgeber die Hausaufgabe auf, eine solche auch hinsichtlich ähnlicher Datenspeicherungen zwingend zu berücksichtigen. Zwischenzeitlich hat auch der Europäische Gerichtshof die bislang von den Befürwortern für die Notwendigkeit einer Neuauflage in Deutschland stets ins Feld geführte Richtlinie als nicht vereinbar mit geltendem EU-Grundrecht und damit für nichtig erklärt.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs war zweifellos auch eine Ohrfeige für die deutsche Bundesregierung, die von diesem fragwürdigem Instrument bis heute nicht lassen will. Statt sich für eine verbesserte personelle und technische Ausstattung der Polizeiarbeit und eine zielgerichtete Arbeit in Zeiten realer terroristischer Bedrohungen einzusetzen, wird den Strafverfolgungsbehörden ein Instrument an die Hand gereicht, dessen sicherheitspolitischer Nutzen – empirisch nachweisbar – hart gegen Null geht. So erhöht man keine Sicherheit, gefährdet jedoch gleichzeitig Grund- und Freiheitsrechte.
Seit langem verweisen die Gegner der Vorratsdatenspeicherung darauf, dass durch die Speicherung sämtlicher, sehr aussagekräftiger Kommunkationsverbindungsdaten aller Menschen auf staatliche Anweisung höchst risikobehaftete Datenberge angehäuft werden. Gerade die derzeitigen, gravierenden IT-Angriffe auf den Bundestag, das US-amerikanische Regierungsnetz oder auch auf die IT-Sicherheitsfirma Kaspersky haben noch einmal gezeigt, welch Risiken hier bestehen. Als Grüne Bundestagsfraktion sagen wir klar: Die Vorratsdatenspeicherung ist und bleibt falsch. Aus diesem Grund haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder, gegen das Instrument der anlasslosen Massenüberwachung ausgesprochen. Wiederholt haben wir entsprechende Initiativen in den Bundestag eingebracht. Wir haben, gemeinsam mit vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern, bereits das letzte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall gebracht und behalten uns vor, erneut gegen dieses Vorhaben der Großen Koalition vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen.
Mit freundlichen Grüßen
Marieluise Beck