Frage an Marieluise Beck von Kirsten T. bezüglich Gesundheit
- Sicherung des Hebammenberufes
Sehr geehrte Frau Beck,
Wie will die Bundesregierung eine qualitativ hochwertige, professionelle Geburtshilfe gewährleisten? Wie will die Bundesregierung zum Erhalt des ältesten Gewerbes der Menschheit beitragen?
Die professionelle Versorgung von Frauen in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett durch fachkompetente Hebammen ist in der Bundesrepublik aufgrund wirtschaftlicher Interessen von Versicherungsanbietern massiv infrage gestellt. Ein Berufszweig soll aufgrund wirtschaftlicher Interessen abgewickelt werden - zu Lasten einer für Frauen und Neugeborenen hochqualitativen, gesunden, wenig invasiven Geburtshilfe, die für die Krankenkassen auch noch die kostengünstigste Form der Geburtshilfe darstellt. Wissenschaftlich erwiesen ist inzwwischen die hohe Sicherheit der Hausgeburtshilfe in der BRD. Zwar steigen die Haftpflichtsummen aus der Geburtshilfe - dies geschieht aber NICHT aufgrund vermehrter Versicherungsfälle, diese gehen sogar zurück, sondern, weil die Pflege bei Folgeschäden kostenintensiver wird, die Menschen mit Geburtsschäden eine längere Lebenserwartung haben (zum Glück!) und weil deren Sozialversicherungs-träger vermehrt Kosten einklagen.
Schwangeren Frauen und ihren Partner wird die Wahl des Geburtsortes für ihr Kind genommen. Hebammen haben einen sehr geringen Verdienst, die Hebammengebühren-ordnung steht in keinem Verhältnis zu den seit Jahren drastisch steigenden Haftpflichtversicherungskosten.
Nun hat die letzte Versicherung eine erneute, drastische Erhöhung angekündigt und ihren Aussteig aus dem Bereich für den Sommer 2015. Damit wird diesem Berufszweig, dem ältesten Gewerbe der Welt, faktisch die Möglichkeit genommen, zu praktizieren.
Sehr geehrte Frau Beck, setzen Sie sich bei Bundesgesundheitsminister Gröhe und der Familienministerin Schwesig für die Sache von Hebammen und gebärenden Frauen und ihrer Neugeborenen ein!
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Tiedemann M.A.
Historikerin/ ehemalige Hebamme
Sehr geehrte Frau Tiedemann,
vor genau einem Jahr bin ich Großmutter geworden und habe die Betreuung und fürsorgliche Begleitung meiner Tochter durch ihre Hebamme mit großem Respekt und Dankbarkeit verfolgen dürfen. Wie Sie sicherlich wissen, liegt uns Grünen die Absicherung der Hebammentätigkeit sehr am Herzen. Und ebenso wichtig ist es uns, dass die Wahlfreiheit für werdende Eltern, wo sie ihr Kind bekommen möchten, bestehen bleibt. Darum nehmen wir die massiv steigenden Haftpflichtprämien für Hebammen und Geburtshelfer mit großer Sorge zur Kenntnis. Meine Kolleginnen und Kollegen in der Bundestagsfraktion haben mit den uns zur Verfügung stehenden parlamentarischen Instrumenten immer wieder auf die bestehende Problematik der Finanzierung der Haftpflichtversicherung hingewiesen. Unter Schwarz-Gelb sind wir dabei keinen Schritt weitergekommen. Aktuell haben wir einen Antrag dazu vorgelegt (BT-Drs. 18/850), in dem wir die Bundesregierung auffordern, schnell eine Lösung zu finden. Denn geredet worden ist genug, jetzt muss gehandelt werden. Die Debatte zur 1. Lesung des Antrags fand am 20. März 2014 im Deutschen Bundestag statt.
Es hat uns gefreut, dass im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Koalition zu lesen ist: „Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe ist uns wichtig. Wir werden daher die Situation der Geburtshilfe und der Hebammen beobachten und für eine angemessene Vergütung sorgen.“ Wir werden die Einlösung dieses Versprechens genau verfolgen. Zunächst sollte die Bundesregierung kurzfristig, das heißt sofort, darauf hinwirken, dass die gesetzliche Vereinbarung, den Hebammen durch die gesetzlichen Krankenkassen die Mehrausgaben für die Haftpflichtversicherung zu vergüten, auch wirklich eingehalten wird. Freiberufliche Hebammen müssen schnellstmöglich in die Lage versetzt werden, aus ihrer Vergütung die Haftpflichtprämien bezahlen zu können.
Aktuell droht vielen freiberuflichen Hebammen durch den Ausstieg der Nürnberger Versicherung im Jahr 2015 aus den beiden verbliebenen Konsortien zumindest im Bereich der eigentlichen Geburtshilfe faktisch das berufliche Aus, wenn sich keine andere Versicherung findet, die die Versicherten der Nürnberger übernimmt. Hier wird deutlich, dass nicht nur die hohen Beiträge ein Problem sind. Es ist auch für die Versicherungen unattraktiv, Haftpflichtversicherungen für Hebammen anzubieten. Minister Gröhe hat zugesagt, mit den Versicherungen in Gespräche zu treten, damit sie weiterhin Gruppentarife anbieten. Wir nehmen ihn beim Wort und sind gespannt auf die Ergebnisse dieser Gespräche.
Mit einer bloßen Steigerung der Vergütung und mit Gesprächen allein kann das Problem der steigenden Haftpflichtprämien jedoch nicht vollends gelöst werden. Es muss daher mittelfristig, das heißt, bestenfalls noch dieses Jahr, eine Übergangsregelung geben, die den Anstieg der Haftpflichtprämien stoppt bzw. diese senkt. Es befinden sich verschiedene Lösungsvorschläge in der Diskussion, z.B. ein staatlich bzw. durch die Krankenkassen finanzierter Haftungsfonds, der eintritt, wenn eine bestimmte Haftungsgrenze überschritten wird, oder eine Beschränkung der Regressansprüche der Sozialleistungsträger. Die Bundesregierung prüft diese Vorschläge bereits sehr lange. Diese Prüfung muss nun abgeschlossen und dann schnell ein Gesetzentwurf vorgelegt werden.
Auf Dauer aber kann die Haftpflichtproblematik nicht gesondert für die Hebammen gelöst werden. Alle Gesundheitsberufe leiden unter steigenden Haftpflichtprämien. Darum sollte langfristig auch eine Lösung für alle Gesundheitsberufe gefunden werden. Wir halten die Übertragung der Regelungsprinzipien der Unfallversicherung auf eine Berufshaftpflichtversicherung für alle medizinischen Berufe für vielversprechend. Damit gingen wir das Problem von Grund auf an, da die Prinzipien der Unfallversicherung, wie bspw. nicht gewinnorientierte Prämien, Versicherungspflicht und Stärkung der Patientensicherheit mit den Anforderungen an eine Berufshaftpflicht für Gesundheitsberufe vereinbar sind. Darum fordern wir die Bundesregierung auf, im Rahmen einer grundlegenden Neuordnung der Haftpflichtversicherung für Gesundheitsberufe diese Möglichkeit zu prüfen.
Die Situation sowohl der Hebammen als auch der werdenden Eltern kann nicht losgelöst von der Versorgungssituation gesehen werden. Eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung mit Geburtshilfe muss dauerhaft gesichert werden. Dazu fordern wir die Bundesregierung als erstes auf, eine regelmäßige Bestandsaufnahme der geburtshilflichen Versorgung in Deutschland vorzunehmen. Auf deren Basis können dann Empfehlungen zur Verbesserung und zur Gewährung einer flächendeckenden und qualitätsgesicherten Versorgung abgegeben werden.
Bis jetzt hat die Bundesregierung viel versprochen, aber noch keine konkreten Lösungsvorschläge gemacht. Wir werden das weitere Handeln der Bundesregierung sehr kritisch, aber konstruktiv im Sinne einer zügigen Lösung begleiten und darauf achten, dass es nicht bei schönen Worten bleibt.
Ich hoffe sehr, ich konnte Ihnen unsere grüne Position nachvollziehbar darlegen.
Mit freundlichen Grüßen
Marieluise Beck