Frage an Marieluise Beck von Ottmar M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Frau Beck,
im DLF kritisierten Sie heute die Menschenrechtsverletzungen in Weißrußland. Warum kritisieren Sie eigentlich nicht die westlichen Menschenrechtsverletzungen, die es ja ebenfalls zu Hauf gibt? Der DLF berichtete heute zum wiederholten Mal über systematische israelische Menschenrechtsverletzungen in den Palästinensergebieten. Wo bleibt die Kritik daran? Ich vermisse ebenfalls die Forderung nach Freilassung des US-Gefreiten Manning, der schwerste Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen des US-Militärs im Irak bzw. Afghanistan an die Öffentlichkeit weitergab. Ist Manning nicht auch ein politischer Gefangener? Er hat doch nichts anderes getan, als Zivilcourage zu zeigen und unglaubliche Menschenrechtsverletzungen an die Weltöffentlichkeit weiterzugeben! Nun wird von einflussreichen Kreisen in den USA wegen angeblichem Hochverrat die Todesstrafe bzw. eine langjährige Haftstrafe gefordert. Weshalb soll nur Weißrussland sanktioniert werden? Warum nicht Israel? Warum nicht die USA? Gelten hier andere Menschenrechte? Warum wird nicht die Bestrafung der Verantwortlichen gefordert? Die übliche formale Kritik an Israels Besatzungspolitik ist etwas wenig, finden Sie nicht, denn die interessiert in Israel ohnehin niemanden? In Afghanistan wird angeblich auch für Frauen- und Menschenrechte Krieg geführt. Warum, Frau Beck, gibt es nicht einmal substantielle Kritik an Israel und den USA?
O. Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
als Sprecherin für Osteuropapolitik der Grünen Bundestagsfraktion habe ich es mir zur Aufgabe gemacht die Entwicklungen in Weißrussland, Russland und den Ländern des westlichen Balkan genau zu beobachten und kritisch zu begleiten. Leider haben die Menschen in dieser Region oft nicht die Möglichkeit offen über Politik und auch Menschenrechtsverletzungen in ihrem Land zu diskutieren. Das Lukanschenko Regime in Weißrussland etwa schränkt die Presse und Meinungsfreiheit massiv ein und lässt die politische Opposition im Gefängnis schmoren. In den von Ihnen angesprochen Ländern - Israel und den USA - können Menschenrechtsverletzungen hingegen offen kritisiert werden. Presse, NGOs und Oppositionsparteien können die Politik der Regierung beanstanden und auf Veränderung drängen, ohne Leib und Leben fürchten zu müssen. Der Fall des Gefreiten Bradley Manning wird in den Medien der USA und auch in Washington kontrovers diskutiert. Dass die Politik der USA allerdings auch in Deutschland nicht von scharfer Kritik verschont bleibt, lässt sich unter anderem an dem Konflikt über den Krieg gegen Saddam Hussein im Jahr 2003 gut beobachten. Die Differenzen zwischen der damaligen rot-grünen Bundesregierung und der US-Administration führten zu heftigen Spannungen in den transatlantischen Beziehung. Durch die Wahl Barack Obamas hat sich das transatlantische Verhältnis glücklicherweise wieder deutlich verbessert. Doch auch die Politik von Präsident Obama wird von deutschen Medien und der deutschen Politik oft kritisch hinterfragt. Das gleiche gilt auch für die Politik der israelischen Regierung. Die einzigartige Beziehung zu Israel und die Verpflichtung gegenüber seinem Recht auf Sicherheit sind für uns unverrückbare Eckpfeiler deutscher Außenpolitik. Dies heißt allerdings nicht, dass wir uns Sicherheitsbegriffe und Sicherheitsvorstellungen zu eigen machen oder kritiklos akzeptieren, durch welche die Sicherheit Israels auf Kosten der Sicherheit oder des Selbstbestimmungsrechts seiner NachbarInnen durchgesetzt werden soll. Wir setzen uns für eine Zwei-Staaten-Regelung ein, um den Fortbestand Israels als demokratischer Staat sowie die Schaffung eines souveränen, lebensfähigen und demokratischen palästinensischen Staates zu erreichen. In Pressemitteilungen, Interviews und Kommentaren nehmen wir Grüne regelmäßig kritisch Stellung zu den aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten. Wir kritisieren dabei auf beiden Seiten jene Kräfte, die auf Konfrontation und Gewalt setzen und sich einem Friedensprozess verschließen. Unsere Unterstützung hingegen gehört den friedenswilligen und dialogbereiten Kräften in der Region.
Mit freundlichen Grüßen
Marieluise Beck