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Marieluise Beck
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Frage von Jakob M. •

Frage an Marieluise Beck von Jakob M. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Beck,
die CDU hat zusammen mit der SPD das Zugangserschwerungsgesetz verabschiedet, die FDP hat dagegen gestimmt. Die Grünen haben sich in der Abstimmung zweifelhaft verhalten (teils enthalten).

Wie bewerten Sie das Abstimmungsverhalten zu dem Gesetz? Was werden die Grünen und sie als mögliche Bundestagsabgeordnete im Zusammenhang mit dem Gesetz unternehmen um Bürgerrechte zu sichern und den dokumentierten Missbrauch von Kindern zu unterbinden?

Wie bewerten Sie die Aussagen des Grünen Bürgerschaftsabgeordneten Matthias Güldner aus der welt online? Auf welche Quellen bezieht er seine Daten, wenn er von \´positive(n) Erfahrungen mit vergleichbaren Gesetzen\´ aus Skandinavien spricht? Welche Konsequenzen hat Herr Güldner auf Grund seiner Äußerungen zu dem Thema zu erwarten?

Mit freundlichem Gruß
JM

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Marquardt,

ich gehören zu den 15 grünen Abgeordneten, die sich bei der Abstimmung zum Zugangserschwerungsgesetz enthalten haben. Ich habe zu der Abstimmung eine persönliche Erklärung abgegeben, in der ich meine Beweggründe für diese Entscheidung darlege. Diese Erklärung finden Sie in den Protokollen des Bundestags aber auch auf meiner Internetseite.
Ich habe über das Gesetz und mein Abstimmungsverhalten mit vielen Mitgliedern der Bremer Grünen und auch des Bremer Chaos Computer Clubs diskutiert. Dabei stellte sich heraus, dass wir es hier mit einem Grundkonflikt zwischen Schutz der Freiheit und zu bekämpfenden Unrecht zu tun haben. Was die Äußerungen von Matthias Güldner angehen, so kann nur er selbst über seine Quellen Auskunft geben. Auf seiner Internetseite gibt es einen Text, in dem er noch einmal Stellung zu den heftigen Reaktionen auf seinen Beitrag nimmt.
Um noch einmal etwas genauer auf die Beweggründe für mein Abstimmungsverhalten einzugehen:
Richtig ist, dass das Gesetz keine absolute Sperre gegen die Verbreitung von Kinderpornographie im Netz bewirken kann. Es darum, die Schwelle für den Abruf solcher Seiten höher zu legen. Das ist nicht gering zu schätzen. Die forensischen Untersuchungen, die in der Ausschussanhörung zum Gesetz vorgestellt worden sind, betonen, dass gerade die Erschwerung des Abrufs einen Nutzen habe. Die Uni Regensburg, die zu Täterprofilen von pädosexuellen Menschen (zumeist Männern) arbeitet, führt aus, dass der Konsum von kinderpornographischen Materialien stimulierend wirkt und zunehmend zu der Verwischung von Realität und Phantasie führt. Im Volksmund nennt man das "Anfixen". Die Erhöhung der Zugangsschwelle sei wünschenswert, weil deren Umgehung ein erhöhtes Maß an krimineller Energie erfordere und damit vermutlich ein Teil der potentiellen Täter vom Einstieg in diese Welt abgehalten werden könne.
Insofern kommt die Forensik der UNI Regensburg auch zu dem Schluss, dass eine technische Sperrung derartiger Seiten einen wichtigen Beitrag zum Opferschutz bieten würde. (s. Stellungnahme Prof. Osterheider in der Anh. des Wirtschaftsausschusses vom 25.5.09)
Niemand behauptet im übrigen, dass das access-blocking die Antwort auf den Missbrauch von Kindern in der Pornographie sein könne. Es ist immer nur von einem Baustein, einer flankierenden Maßnahme die Rede. Strafrechtlich ist die Kinderpornographie ganz eindeutig normiert. Insofern halte ich auch den Begriff der Zensur für falsch, denn es kann nicht um das Recht auf eine Straftat gehen. So gibt es im BKA eine "Zentralstelle Kinderpornografie", die die Identifizierung von Tätern und Opfern im In- und Ausland bearbeitet. Alle diese Ansätze sollten in der Tat deutlich verstärkt werden.
Mir ist immer wieder das Argument begegnet, man könne - ähnlich wie die Banken, die mit dem Phishing zu kämpfen haben - durch das Löschen weit erfolgreicher sein als durch das acces-blocking. Mir wurde dazu aus unterschiedlichen Quellen erklärt, dass hier keine Vergleichbarkeit der Sachverhalte vorliege.
Natürlich ist der Missbrauch technischer Überwachungsmöglichkeiten durch die staatliche Exekutive auch in einem Rechtsstaat nie auszuschließen. Würden wir allerdings die bloße Möglichkeit eines Missbrauchs bereits zum Argument gegen solche Techniken machen, müssten wir jeden Fingerabdruck, jeden fälschungssicheren Personalausweis, jede DNA Entnahme ablehnen, denn in autoritären Systemen erhöhen alle diese Techniken den Zugriff des Staates auf die Bürgerinnen und Bürger. Ich glaube aber, dass unser demokratisches System durchaus in der Lage ist, Kontrolle über solche Techniken auszuüben. Die hier geführte Debatte ist ein Teil davon.
Zum Schluss muss ich darauf hinweisen, dass ich mich wie meine 14 Kolleginnen und Kollegen bei der Abstimmung zum Gesetz enthalten habe. Eine Enthaltung ist aber keine Zustimmung. Ich wollte damit bewusst zu Ausdruck bringen, dass ich das Gesetz der Familienministerin in der vorliegenden Form für nicht zustimmungsfähig halte, aber das Grundanliegen des Schutzes der Unversehrtheit von Kindern teile.
In Bezug auf neue Medien wie das Internet bin ich der festen Überzeugung, dass weite Teile von Politik und Gesellschaft noch gar nicht erfasst haben, in welch tiefgreifender Weise das Internet in unser aller Leben eingreift. Und dabei geht es nicht nur um das Verhältnis zwischen Bürger und Staat sondern auch um das Verhältnis der Bürger untereinander, sei es das Verständnis dafür, z. B. dass das Netz nie vergisst oder die Erkenntnis, dass im Netz auch das scheinbar Private schnell öffentlich ist. Wir stehen vermutlich erst am Anfang einer gesellschaftliche Auseinandersetzung damit.

Mit freundlichen Grüßen
Marieluise Beck