Frage an Maria Klein-Schmeink von Beatrice B. bezüglich Soziale Sicherung
Guten Tag Frau Klein-Schmeink
als auch MCS (Multiple-Chemical-Sensitivity)-Betroffene wollte ich Sie etwas fragen. Da ich selbst immer wieder im Kontakt mit weiteren Betroffenen bin – erfahre ich immer wieder in welcher großer gesundheitlichen, wie existenziellen Not die MCS-Betroffene kommen können, bzw. sind. Die Bundesregierung wurde dazu bereits 1998 – von einigen Abgeordneten befragt (13/11125) – das ist jetzt über 20 Jahre her! Es geht ja um die Gesundheit / Teilhabe von Teilen der Bevölkerung – genauso wie um Prävention!
Immer wieder gibt es von politischer Seite Anfragen an die Bundes-oder Landesregierungen zum Themenkomplex: Umweltassoziierte Erkrankungen. Die letzte mir bekannte von den Grünen an die Bundesregierung - war 2017) – der aktuellste Vorstoß derzeit, soweit ich weiß, in Bayern als Antrag (18/4872)
Könnten Sie mir bitte sagen ob es hierzu auf Bundesebene weitere Aktivitäten gibt?
Und könnten Sie mir die jeweiligen Ansprechpartner – für folgende Ansätze nennen?
Eine Aufnahme von MCS in den Landesaktionsplan für Behinderte, wie in Schleswig-Holstein
Einflussnahme auf die Erweiterung des Leistungskatalogs der Krankenkasse, zur Entlastung der Patienten sowie den Anreiz für die Ärztekammern zur Fortbildungen.
Aufklärung der Bevölkerung, bspw. wie in einer Broschüre „Umwelt und Gesundheit“ in NRW
Herabsetzung der Barrieren, in Form von duftstofffreien öffentlichen Gebäuden und Mitarbeitern bzw. Deklaration von bedufteten Innenräumen.
Hilfe beim Abbau weiterer Barrieren in Form von Unterstützung bei der Wohnungssuche (verträglicher Wohnraum), Anerkennung des erhöhten Bedarfs bei Textilien, Körperpflege, Nahrung usw.) Entwicklung von Informationsblättern für die entsprechenden Behörden.
Deutschlandweit – werden im Moment zwei Fachstellen der EUTB für MCS benannt…kann dies ausgebaut werden?
Vielen Dank für ihre Rückmeldung.
Sehr geehrte Frau Bucher,
herzlichen Dank für Ihre Frage.
Ich kann Ihr Anliegen und die damit verbundenen Beeinträchtigungen und Sorgen gut verstehen. Wie Ihr Beispiel zeigt, können Umweltbedingungen, in ihrem Fall Schadstoffe in der Umwelt, krank machen. Das zeigt, dass ein gesundes Leben nicht nur vom individuellen Verhalten, sondern ganz entscheidend auch von gesundheitsförderlichen Rahmenbedingungen bzw. gesetzlichen Regelungen wie etwa dem Immissionsschutz- oder dem Chemikalienrecht abhängt. Gesundheitsförderung und Gesunderhaltung der Menschen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dafür müssen die Themen Umwelt und Gesundheit stärker zusammen gedacht werden. In dieser Wahlperiode haben wir in der Grünen Bundestagsfraktion daher auch zum ersten Mal eine Sprecherfunktion für den Bereich Umweltgesundheit eingerichtet, die von Frau Dr. Bettina Hoffmann ausgefüllt wird. Gleichzeitig ist sie Sprecherin für Umweltpolitik.
Im Umweltgesundheitsbereich ist die Auseinandersetzung mit möglichen Gesundheitsgefahren durch Chemikalien ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Wir wissen noch zu wenig darüber, wie synthetische Chemikalien, mit denen wir im Alltag täglich konfrontiert sind, auf Mensch und Umwelt wirken. Vor allem die Wechselwirkungen dieser unterschiedlichen Chemikalien im menschlichen Körper sind noch zu wenig erforscht. Verbraucher*innen haben darüber hinaus oft keine Möglichkeit Informationen darüber zu erhalten, welche Chemikalien in welchen Produkten enthalten sind. Nachweislich schädliche Chemikalien bleiben zu lange im Umlauf oder werden durch weniger gut erforschte Chemikalien mit ähnlicher Wirkung ersetzt.
Auch das Krankheitsbild der Multiplen Chemikaliensensibilität (MCS) ist ein Ausdruck dieser Allgegenwart synthetischer Chemikalien. MCS und anderen möglichen Umwelterkrankungen fehlt es an wissenschaftlicher und rechtlicher Anerkennung. Menschen wie Sie, die unter diesen Erkrankungen leiden, werden allzu oft nicht ernst genommen. Der Leidensdruck von an MCS Erkrankten und die damit einhergehenden Teilhabebeeinträchtigungen, die bis in die Isolation führen können, sind uns sehr bewusst.
Um die Unsicherheiten in Bezug auf MCS und andere mögliche Umwelterkrankungen abzubauen sowie eine anerkannte Einordnung und Therapie zu ermöglichen, sollte intensiver als bisher zu Ursachen, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten von MCS und anderen Umwelterkrankungen geforscht werden.
Wir wollen, dass es für die Betroffenen von Umwelterkrankungen einfacher wird, sowohl eine passgenaue medizinische Betreuung zu erhalten als auch angemessene sozialrechtliche Ansprüche, beispielsweise nach schadstoffarmen Wohnräumen oder Möbelbeihilfen für Neuanschaffungen, geltend machen zu können.
Um das Leben der Betroffenen zu verbessern, wollen wir uns konkret für folgende Änderungen einsetzen:
• Wir wollen eine beim Bundesgesundheitsministerium angesiedelte Ombudsstelle für Umwelterkrankte einrichten. Eine Ombudsfrau oder ein Ombudsmann soll als eine unparteiische Schiedsperson als direkte
Anlaufstelle für Betroffene dienen und zwischen den Betroffenen und Verursacherinnen und Verursachern oder Behörden vermitteln. Die Ombudsstelle schafft mehr Aufmerksamkeit für Umwelterkrankungen und kann Hilfestellung bei der Suche nach umweltmedizinischer Beratung geben. Die soll mit ausreichend Personal ausgestattet sein, um einen schnellen und unkomplizierten Kontakt zu garantieren. Die Expertinnen und Experten in der Ombudsstelle sollen ohne große bürokratische Hürden erreichbar sein.
• Prinzipiell lassen sich chemikalienbedingte Barrieren unter die „umweltbedingten Barrieren" nach § 3 BGG fassen, dementsprechend beinhaltet die gesetzliche Definition für Barrierefreiheit laut §4 BGG auch eine chemikalienbedingte Barrierefreiheit. Bei den konkreten Ausführungsbestimmungen, z.B. durch das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN), spielt dieser Aspekt aber bisher kaum eine Rolle. Wir streben eine explizite Integration von "chemikalienbedingten" Behinderungen, das heißt des Abbaus chemischer Barrieren, in allgemeine Vorgaben zur Barrierefreiheit, z.B. im Baurecht, Arbeitsschutzrecht oder Regelungen des Verbraucherschutzes zu bestimmten Produkten, an. Als Maßnahmen zum Abbau von Barrieren könnten zum Beispiel die Einrichtung von beduftungs,- und schadstofffreien bzw. schafstoffarmen Räumen gelten.
• Außerdem streben wir an, dass Umwelterkrankungen wie MCS im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention berücksichtigt werden. Als Vorbild kann hier der Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Land Schleswig-Holstein dienen.
• Wir fordern die Beschleunigung von Prozessen auf europäischer Ebene, um schädliche Chemikalien vom Markt zu nehmen. In diesem Zusammenhang haben wir im letzten Jahr zwei Kleine Anfragen an die Bundesregierung zur Chemikalienregulierung der Europäischen Union und die Chemikaliengruppe der hormonaktiven Stoffe gestellt („Qualitätsmängel bei der Chemikalienregulierung unter REACH“, Bundestags-Drucksache 19/5712 und „Kreidezähne und Bisphenol A“, Bundestags-Drucksache 19/8513). In Bezug auf Pestizide fordern wir konkrete Reduktionsziele, wie in unserem Antrag für einen Pestizidreduktionsplan, Bundestags-Drucksache 19/835, dargelegt.
Wir werden uns weiter mit dem Thema beschäftigen und uns insbesondere für eine effizientere, vorsorgeorientierte Chemikalienregulierung einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Maria Klein-Schmeink