Frage an Maria Klein-Schmeink von Klara W. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Klein-Schmeink,
im Jahresbericht Organspende/Transplantation 2017 der DSO https://www.dso.de/uploads/tx_dsodl/JB_2017_web_01.pdf steht auf Seite 54, dass von 863 Zustimmungen nur 170 oder 19,7 Prozent nachweisbare Zustimmungen der Explantierten waren.
693 bzw. 81,3 Prozent oder 4 von 5 Zustimmungen zur Organ- und Körperspende erfolgten ohne die Einwilligung der Sterbenden, einzig durch den "Kunstbegriff" Angehörige.
In den letzten Jahren ist mit Tausenden Sterbenden ohne ihre Zustimmung so verfahren worden, das ist unfassbar und den meisten Bürgern sicher völlig unbekannt.
Angehörige müssen gemäß § 4 TPG nicht einmal Verwandte sein, es kann irgendwer sein, der dem "Organ- oder Gewebespender..in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahegestanden hat..", der Mitbewohner, der Friseur, die Putzfrau, jedermann.
Angehörige müssen in den letzten zwei Jahren vor der Freigabe persönlichen Kontakt gehabt haben (wie oft?), dabei ist nicht einmal generell davon auszugehen, dass sie dem Sterbenden etwas gutes tun wollen; oftmals gibt es große Spannungen in Familien aus unterschiedlichsten Gründen und Rachegelüste.
Die bekannte positive Einstellung zur Organspende (der Empfang von Organen und/oder die Entnahme bei sich?), eine Sinngebung des plötzlichen Todes für die Angehörigen (der Tod soll einen Nutzen haben!), altruistische Motive (Mitgefühl) sowie sonstige Gründe (Welche?) veranlassten die Angehörigen zur Zustimmung zur Organspende (Seite 57).
Keiner dieser angeführten Gründe hat das Allergeringste mit einer mutmaßlichen Zustimmung des Sterbenden zu tun oder lässt Rückschlüsse darauf zu.
Es ist unglaublich, dass in den allerwenigsten Fällen der Organ- und Gewebeentnahme selbst zugestimmt werden muss, sondern aussenstehende Dritte diese Zustimmung, gesetzeskonform, erteilen.
Werden Sie größte Sorge dafür tragen, dass einzig der Betroffene ausdrücklich und nachweisbar Ja gesagt haben muss und dieses Gesetz schnellstens zu Fall kommt?
Sehr geehrte Frau Waldmann,
ich setze mich für die Verbesserung der Organspenderate ein. Der Schlüssel dafür liegt in den Strukturen der Kliniken. Ein entsprechendes Gesetz ist am 1.4.2019 in Kraft getreten. Darüber hinaus lehne ich die von Gesundheitsminister Spahn und Karl Lauterbach vorgeschlagene Widerspruchsregelung ab. Schweigen darf bei dieser zutiefst persönlichen Frage keine Zustimmung bedeuten. Im internationalen Vergleich findet sich kein Beleg für die Annahme, dass durch die Widerspruchsregelung mehr Organspenden realisiert würden. Zusammen mit einer interfraktionellen Parlamentariergruppe habe ich einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die selbstbestimmte, gut informierte und freiwillige Entscheidung für die Organspende stärkt. Neben dem Organspendeausweis soll die Entscheidung auch selbstständig in ein Online-Register eingetragen werden können. Bei sich widersprechenden Erklärungen entscheiden nicht die Angehörigen sondern es gilt die aktuellste Erklärung. Lässt sich diese nicht ermitteln, gilt die Entscheidung mit der geringsten Eingriffstiefe. Im Zweifel werden also keine Organe entnommen. Wenn gar keine Erklärung abgegeben wurde, werden aber weiterhin die Angehörigen befragt. Ich gebe Ihnen Recht, dass die Rolle von Angehörigen bei der Entscheidung über eine Organspende mitunter problematisch sein kann. Auch für die Angehörigen kann es in der ohnehin belastenden Situation unter dem Verlust eines nahestehenden Menschen zusätzlich belastend sein, diese Entscheidung zu treffen. Deswegen ist es so wichtig, alle Menschen zu ermutigen sich mit der Organspende auseinanderzusetzen und eine Entscheidung zu dokumentieren. Dazu gezwungen werden sollte allerdings niemand.
Mit freundlichen Grüßen
Maria Klein-Schmeink