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Margrit Spielmann
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Frage von Klaus P. •

Frage an Margrit Spielmann von Klaus P. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Dr. Spielmann,

Die Zürcher Gesundheitsdirektion will sich dafür einsetzen, dass Krankenkassen ihre Reserven abbauen und die Prämien im Kanton Zürich somit gesenkt werden können.
Die Prämienanträge der Kassen werde man analysieren und allenfalls intervenieren.
Die Zürcher Gesundheitsdirektion wird die Prämien-Anträge der Krankenkassen für das Jahr 2009 «kritisch prüfen», wie sie in einer Mitteilung vom Donnerstag schreibt. Besonderes Augenmerk will sie dabei auf die Reserven der jeweiligen Kasse werfen.
Sollten einzelne Versicherer über grosse Reserven verfügen und somit zu hohe Prämien verlangen, wird die Gesundheitsdirektion beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) intervenieren und die Öffentlichkeit informieren.(NZZ. vom 07.08.08)
Und dann diese Nachricht:
Rechnungshof: 130.000 Euro Gehalt sind genug
Überdies hält der Rechnungshof die Bezüge von Krankenkassenvorständen für überzogen. Deshalb soll eine Verdienstobergrenze vom Bundesgesetzgeber vorgegeben werden. "Ausgangspunkt für die Festlegung von Vergütungsobergrenzen könnten beamtenrechtliche Regelungen sein", zitierte die Zeitung. In dem Papier werde nahe gelegt, dass ein Jahreseinkommen von etwa 130.000 Euro ausreichend sei..(http://wirtschaft.t-online.de/c/15/81/27/18/15812718.html)
Zwei Meldungen die kaum unterschiedlicher sein könnten.
Wann kann man in Dt. einmal solche Meldung lesen, wie die
Schweizer.
Warum brauche wir hunderte Krankenkassen?
Im Gesundheitssektor sollte es keine Konkurrenz geben, sondern eine gute ausreichende Basisversicherung und
wer eine Luxusbehandlung will, zahlt eben noch extra.
Mittlerweile haben wir ja unsere Gemeindeschwester zurück, sehen wir bald die SVK oder eine ähnliche Form wieder.
Beim Gesundheitsfonds kann ich nicht erkennen, wie man
der Verschwendung bei KK (KV, Prunkbauten usw.) unterbinden
will.
Wann glauben Sie, kann man endlich sagen, die Mitgliederbeiträge werden optimal eingesetzt und
es gibt keine Reibungsverluste.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Peter

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Peter,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Lassen Sie mich Ihnen zunächst kurz Grundsätzliches zu unserem Gesundheitssystem erläutern. Deutschland hat ein modernes und leistungsfähiges Gesundheitswesen, das allen Bürgerinnen und Bürgern Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung und zugleich rund 4,2 Millionen Beschäftigten und Selbständigen Arbeitsplätze bietet. Das Gesundheitswesen ist damit eine dynamische Wirtschaftsbranche mit Innovationskraft und erheblicher ökonomischer Bedeutung für den Standort Deutschland.

Im internationalen Vergleich ist das deutsche Gesundheitswesen wettbewerbsfähig, und die Qualität der Gesundheitsversorgung wird hierzulande als hoch eingeschätzt. Allerdings belegen nationale Studien und internationale Vergleiche auch, dass die Mittel zur Gesundheitsversorgung nicht überall effizient eingesetzt werden, so dass es auch zu Über- und Unterversorgung kommt, die Qualität der Versorgung erheblich variiert und Ressourcen nicht nur an den Schnittstellen suboptimal eingesetzt werden.

Das Gesundheitssystem muss demographiefest gemacht werden, damit es den Arbeitsmarkt nicht belastet. Angesichts großer Herausforderungen, insbesondere des demografischen Wandels und des medizinischen und medizinisch-technischen Fortschritts muss das Gesundheitswesen ständig weiterentwickelt werden. Das gilt sowohl für die Finanzierungs- wie für die Versorgungsseite. In den nächsten zwei Jahrzehnten wird die Zahl älterer Menschen in Deutschland deutlich zunehmen. Damit wird ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf erforderlich. Eine grundlegende Reform der Finanzierungsstrukturen und damit der Einnahmeseite im Gesundheitswesen muss verbunden sein mit einer Reform auf der Ausgabenseite, die sicherstellt, dass die Mittel effizient und effektiv eingesetzt werden.

Sehr geehrter Herr Peter, ich erläutere Ihnen ausführlich was die Gesundheitsreform, die die große Koalition auf den Weg gebracht hat, den Versicherten bringt. Ich kann Ihnen versichern, dass für uns der Erhalt unserer solidarischen Krankenversicherung und der Erhalt von medizinischen Versorgungsstrukturen für alle, auch für die kommenden Generationen, oberste Priorität hat.

Mit der Gesundheitsreform 2006 wurde das deutsche Gesundheitswesen zukunftsweisend umgestaltet: in den Strukturen, in der Organisation, in den Finanzen und auch im Bereich der privaten Krankenversicherung. Alle Maßnahmen haben das Ziel, die Qualität der Versorgung zu verbessern, Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten der Versicherten zu erhöhen und insgesamt durch mehr Wirtschaftlichkeit, höhere Transparenz, stärkeren Wettbewerb und systematischen Bürokratieabbau die finanzielle Stabilität der gesundheitlichen Versorgung der Bürgerinnen und Bürgern zu sichern.

Für die Versicherten zählt allein ihre Gesundheit und die hierfür notwendige medizinischeVersorgung -- heute und für die Zukunft.

Der Staat sorgt dafür, dass jeder die medizinische Hilfe bekommt, die er benötigt. Doch auch der Einzelne trägt eine Verantwortung: für die eigene Gesundheit und für einen sorgsamen Umgang mit den medizinischen Versorgungsangeboten. Um diese Verantwortung zu fördern, werden die Teilnahme an Untersuchungen zur Vorsorge und Früherkennung und ein therapiegerechtes Verhalten im Krankheitsfall stärker belohnt.

Mehr Wirtschaftlichkeit bedeutet mehr Qualität

Die Versicherten haben einen Anspruch darauf, dass jeder Euro dahin fließt, wo er ihnen am meisten nützt. Die Gesundheitsreform beinhaltet umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit:

- Nicht jedes Arzneimittel, das teuer ist, ist auch gut. Deshalb wird geprüft, ob die Preise für Arzneimittel in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem therapeutischen Nutzen stehen. Aufgrund dieser Kosten-Nutzen-Bewertungen können für bestimmte Arzneimittel Höchstbeträge für die Kostenübernahme bestimmt werden.

- Alle Arzneimittelpreise sind Höchstpreise und können im Einzelfall unterschritten werden. Höchstpreise bedeuten für die Apotheken, dass sie diese Arzneimittel preiswerter abgeben können, indem sie eine Ermäßigung auf den höchstzulässigen Handelszuschlag gewähren. Bei der Abgabe von Arzneimitteln auf Kassenrezept kann die Apotheke dadurch auf die Erhebung von Zuzahlungen gegenüber den Versicherten teilweise verzichten. Höchstpreise bedeuten für die Pharmaunternehmen, dass die Krankenkassen Rabatte mit Arzneimittelherstellern vereinbaren und dadurch die Arzneimittelzuzahlungen für ihre Versicherten senken können.

- Vier-Augen-Prinzip: Bei der Verordnung von speziellen, hochinnovativen und teuren Arzneimitteln, insbesondere bio- und gentechnologisch hergestellten Arzneimitteln und Diagnostika, muss vorher eine ärztliche Zweitmeinung bei einem dafür eigens ausgewiesenen Arzt eingeholt werden. Das erhöht die Sicherheit der Patienten sowie die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung.

Mehr Wahlfreiheit für die Versicherten

Die Versicherten profitieren von einem umfassenden Qualitätswettbewerb im Gesundheitswesen. Die Krankenkassen müssen professioneller, flexibler und kundenorientierter arbeiten und ihren Versicherten eine hohe Versorgungsqualität anbieten. Denn Versicherte haben nun die Wahl zwischen vielen unterschiedlichen Tarifangeboten ihrer Krankenkasse:

- Jeder Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung kann einen Selbstbehalt wählen, das heißt er zahlt die Behandlungskosten bis zu einem gewissen Betrag selbst. Im Gegenzug vereinbart er einen günstigeren Tarif mit seiner Krankenkasse. Diesen Tarif können jetzt alle gesetzlich Krankenversicherte wählen.

- Versicherte können sich für die Kostenerstattung entscheiden. Die Höhe
der Kostenerstattung kann dabei variabel gestaltet werden.

Einfache und transparente Finanzierung -- So funktioniert der Gesundheitsfonds

Ab 1. Januar 2009 gilt bundesweit ein einheitlicher Beitragssatz. Das bedeutet: Alle Krankenkassen verlangen den gleichen prozentualen Beitragssatz. Diesen Beitragssatz legt die Bundesregierung fest. Die Beiträge, die wie bisher vom beitragspflichtigen Einkommen berechnet und von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt werden, fließen gemeinsam mit Steuermitteln in den neuen Gesundheitsfonds. Der Gesundheitsfonds wird ab 1. Januar 2009 die Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung transparenter machen. Er bringt den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern mehr Klarheit, wohin ihre Gelder fließen. Jeder Versicherte kann unmittelbar erkennen, ob seine Kasse wirtschaftlich arbeitet. Und zwar daran, ob seine Kasse ihm Geld zurück erstattet oder einen Zusatzbeitrag erheben muss. Damit werden die von Ihnen angesprochenen Reibungsverluste minimiert. Dies setzt ein deutlicheres Preissignal als die gegenwärtigen, nur in Prozentpunkten benennbaren Unterschiede zwischen den verschiedenen Beitragssätzen der Kassen. Den Krankenkassen werden mit der Reform umfangreiche neue Möglichkeiten für eine wirtschaftliche Versorgung der Versicherten an die Hand gegeben. Sie können mit Arzneimittelherstellern Rabattverträge schließen, mit Heilmittelerbringern verhandeln, Hilfsmittel günstig durch Ausschreibung einkaufen, Verträge mit besonders qualifizierten Ärzten schließen, mit Krankenhäusern die ambulante Behandlung für schwer kranke Versicherte vereinbaren. Eine Krankenkasse, die diese Möglichkeiten gut nutzt, wird ihre Versicherten an den Einsparungen teilhaben lassen und ihnen Prämien auszahlen können. Kommt eine Kasse hingegen mit dem aus dem Fonds zugewiesenen Geld nicht aus, muss sie von ihren Versicherten einen Zusatzbeitrag erheben.

Eine Klausel schützt vor Überforderung

Grundsätzlich gilt: Erhebt eine Kasse einen Zusatzbeitrag oder erhöht den Zusatzbeitrag, besteht ein Sonderkündigungsrecht. Der Versicherte kann kündigen und zu einer anderen Krankenkasse wechseln. Auf jeden Fall muss die Krankenkasse ihre Mitglieder auf die Möglichkeit des Kassenwechsels hinweisen. Um ihre Mitglieder nicht zu überfordern, gilt darüber hinaus generell: Der monatliche Zusatzbeitrag darf ein Prozent des beitragspflichtigen Einkommens nicht übersteigen. Dabei kann eine Kasse zwischen einem festen Zusatzbeitrag in Euro und einem prozentualen Zusatzbeitrag wählen. Verlangt eine Kasse von ihren Mitgliedern einen festen Zusatzbeitrag bis zu acht Euro, findet keine Einkommensprüfung statt.

Dies ist ein Beitrag zur Entbürokratisierung. Liegt der Zusatzbeitrag einer Kasse über acht Euro, erfolgt eine Einkommensprüfung, und der Versicherte zahlt in jedem Fall höchstens ein Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen. Grundsätzlich zahlt jedes Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung den Zusatzbeitrag seiner Kasse. Für seine Kinder oder den mitversicherten Partner zahlt man keinen Zusatzbeitrag. Versicherte, die Sozialhilfe erhalten oder Grundsicherung, weil ihre Rente gering ist, oder Heimbewohner, die ergänzende Sozialhilfe bekommen, zahlen einen möglichen Zusatzbeitrag nicht selbst. Wenn die Krankenkasse einen Zusatzbeitrag erhebt, übernimmt das Grundsicherungs- oder das Sozialamt auch den Zusatzbetrag. Die faire Verteilung der Beitragseinnahmen schafft mehr Wettbewerb um die beste Qualität der Angebote. Denn für die Kassen steht nicht mehr die Frage des eigenen Beitragssatzes im Mittelpunkt. Sie können sich um das Eigentliche kümmern -- um den Wettbewerb, um den besten Service, um die beste Betreuung, um die beste Versorgung für ihre Versicherten.

Sehr geehrter Herr Peter, das deutsche Gesundheitssystem ist äußerst komplex und ein ständiger Prozess. Ich hoffe Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Margrit Spielmann