Frage an Margrit Spielmann von Dr. Steffen T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geeherte Frau Dr. Spielmann,
Ministerin Ursula v.d.Leyen will zusammen mit den Minister Guttenberg und Zypries eine sogenannte Kinderpornosperre (Stoppschild) einführen.
Das Kinderpornografie zu den schändlichsten Verbrechen überhaupt gezählt werden kann, wollen wir erst einmal außen vorlassen. Die technische Problematik bei der geplanten Sperre ist die, das sie innerhalb weniger Sekunden ausgehebelt werden kann und sogar etliche Provider sich gar nicht an den Sperrmaßnahmen beteiligen müssen.
Rechtlich-moralisch ist das Problem, das die Angebote weiterhin exisitieren. Eine Verschärfung derStrafverfolgung der Anbieter von Kinderpornographie ist in diesem Zusammenhang nicht angedacht. Ein weiteres Problem ist, das (entgegen den Äußerzngen v.d. Leyens) durchaus eine Echtzeiterfassung der Zugriffe auf die Stopp- Server gedacht ist, woraus auf Grund der Nichtdiffernzierbarkeit von gewollten und ungewollten Zugriffen eine verdachtsunabhägige Kriminalisierung stattfinden kann.
Und auch demokraisch bekommt die Problematik langsame eine interessante Dimension. So äußert ihr Parteikollege Dr. Wiefelspütz sich dahin gehend, das eine von knapp 100000 Bürgern gezeichnete Petition das Gesetzgebungsverfahren nicht beeinflussen wird!
Dazu meine Fragen an Sie: Zum einen wäre ich brennend daran interessiert zu erfahren, wie Sie dieme Problemkreis Internetsperrungen gegenüber stehen und zum anderen interssiert mich, ob die Äußerungen von Herrn Dr. Wiefelspütz stellvertretend für das Demokrativerständinis der SPD stehen?
MfG
St. Thomas
Sehr geehrter Dr. Thomas,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 25. Mai 2009, in dem Sie sich kritisch mit dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen auseinandersetzen.
Sexuell orientierte Gewalt gegen Kinder ist ein abscheuliches Vergehen. In den vergangenen Jahren haben wir deshalb das Herstellen, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornographie lückenlos unter Strafe gestellt. Die Verbreitung von Kinderpornographie hat insbesondere im Internet in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Gleichzeitig ist eine Tendenz zu immer jüngeren Opfern festzustellen.
Der kommerziellen Verbreitung über das Internet darf nicht tatenlos zugesehen werden. Bereits nach heutiger Rechtslage werden Kinderpornographie-Seiten, die sich auf deutschen Servern befinden, von den Internprovidern heruntergenommen. Dieser direkte Zugriff ist im Ausland nicht möglich. Deshalb ist es notwendig, den Zugang zu entsprechenden kinderpornographischen Internetangeboten von Deutschland aus zu sperren.
Der SPD-Bundestagsfraktion war bereits zu Beginn dieser Diskussion voll bewusst, dass wir uns in einem Spannungsfeld zwischen dem notwendigen Kampf gegen Kinderpornographie im Internet und den hierdurch betroffenen Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger bewegen. Deshalb haben wir stets deutlich gemacht, dass wir für eine entsprechende Internetsperre eine gesetzliche Grundlage für erforderlich halten, um rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen zu können. Wie Sie wissen, hat es ja vor kurzem vertragliche Vereinbarungen mit großen Internetprovidern gegeben, die jedoch rechtlichen Zweifeln unterliegen.
Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf verfolgen wir das Ziel, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten zu erschweren. Uns ist bekannt, dass versierte Nutzer diese Sperrung technisch umgehen können. Es kommt uns aber entscheidend darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine Stoppseite mit entsprechenden Informationen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat durchgesetzt, dass es zum Gesetzentwurf am 27. Mai eine Anhörung des Wirtschaftsausschusses geben wird. Die Ergebnisse der gestrigen öffentlichen Anhoerung zum Kinderpornografiebekaempfungsgesetz belegen in aller Deutlichkeit, wie wichtig und notwendig es war, dass die SPD-Bundestagsfraktion auf der Durchfuehrung einer solchen Anhoerung zu so einem komplexen Gesetzgebungsverfahren bestanden hat. Die ueberwiegende Mehrheit der geladenen Sachverständigen war sich in den folgenden Punkten weitgehend einig:
1. Der wirksame Kampf gegen Kinderpornografie erfordert eine
Vielzahl von Massnahmen. Fast alle meinen, in diesem Rahmen
koenne die Sperrung von kinderpornografischen Internetseiten
unter bestimmten Voraussetzungen eine sinnvolle Massnahme sein.
2. Die Sperre koenne umgangen werden, deshalb sei es richtig,
dass der Gesetzentwurf lediglich von einer Erschwerung spricht.
3. Keiner der geladenen Sachverstaendigen hat die Auffassung
vertreten, dass prinzipielle Gruende von vornherein gegen
Internetsperren gegen Kinderpornografie sprechen.
4. Entscheidend sei aber, dass der Gesetzentwurf bezueglich
Rechtsstaatlichkeit des Vorhabens und der Effektivitaet der
Sperrungen von kinderpornografischen Inhalten auf auslaendischen
Servern noch erheblich ueberarbeitet werden muss.
Fuer die SPD-Bundestagsfraktion geht es dabei vor allem um die Frage der Verhaeltnismaessigkeit der Sperrmassnahmen, also um eine Abwaegung zwischen dem Schutz gegen kinderpornografische Darstellungen und den damit verbundenen Eingriffen in Grundrechte.
Dabei hat die Anhoerung deutlich gemacht, dass der Gesetzentwurf noch zahlreiche inhaltliche und rechtliche Fragen aufwirft, die wir nun im weiteren parlamentarischen Verfahren klaeren muessen. Dies sind aus Sicht der SPD-Fraktion insbesondere die Forderung nach einer spezialgesetzlichen Regelung anstelle einer Aenderung des Telemediengesetzes und die datenschutzrechtliche und verfahrensrechtliche Absicherung. Hierzu gehoeren aus unserer Sicht die gerichtliche Kontrolle der BKA-Sperrliste sowie die Klaerung der Problematik im Zusammenhang mit der Weitergabe der Daten an Strafverfolgungsbehoerden. In diesen Punkten sind wir fuer Aenderungen am Gesetzentwurf. Fuer die SPD-Fraktion stellen wir in aller Deutlichkeit fest, dass wir - so wie im Uebrigen alle Sachverstaendigen - eine Ausweitung der Internetsperren auf andere Straftatbestaende ablehnen.
Der wichtige Kampf gegen Kinderpornografie im Internet und die Rechte der Internet-Nutzer muessen sich nicht ausschliessen.Dies kann aber aus unserer Sicht nur auf rechtsstaatlicher Grundlage und nicht auf der Basis von rechtlich fragwuerdigen Vertraegen zwischen dem BKA und den Internetprovidern erfolgen. Solch weitreichende Massnahmen, und auch dies hat die Anhoerung klar bestaetigt, sind aus unserer Sicht nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage und in einem rechtsstaatlichen Verfahren denkbar und moeglich.
Außerdem ist klar: Weitere Schritte sind erforderlich, um Kinderpornographie effektiv zu bekämpfen. Die SPD-Fraktion hat dazu mit einem Anfang Mai beschlossenen 10-Punkte-Plan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung ein umfassendes Konzept mit weiteren konkreten Maßnahmen vorgelegt.
Ich hoffe, dass ich Ihnen damit Ihre Fragen beantworten konnte. Für weitere Anfragen stehe ich Ihnen natürlich gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Margrit Spielmann