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Frage von Falk M. •

Frage an Margrit Spielmann von Falk M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Spielmann,

in Ihrer Antwort an Dr. Thomas bzgl. Netzsperren (28.5.09), stellen sie folgende Behauptungen auf:

— Die Verbreitung von Kinderpornographie habe in den letzten Jahren dramatisch(!) zugenommen, insbesondere(!) im Internet, mit Tendenz zu immer jüngeren Opfern.
— Die Hemschwelle (für den Abruf kinderpornographischen Materials?) sei in den letzten Jahren deutlich(!) gesunken.

Da diese Behauptungen, die in letzter Zeit von vielen Seiten verbreitet werden, ja scheinbar das argumentatorische Fundament für die geplanten – und mitlerweile verabschiedeten – Netzsperren zu sein scheinen, bekäme ich das gerne noch einmal näher erleutert.

Von welchem Zeitraum sprechen Sie, wenn sie sich auf die letzten Jahre beziehen?

Was bedeutet dramatische Zunahme, eine neue Größenordnung?

Wie hat sich die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet (im speziellen durch Websites) im Vergleich zu anderen Verbreitungswegen entwickelt?

Woraus leiten sie die “deutlich” sinkenden Hemmschwellen ab?

Sollte sich Ihre Argumentation auf die altbekannten, i. d. R. fehlinterpretierten Statistiken stützen, die – wenn dann mal Belege kommen – immer angeführt werden, können Sie sich die Schreibarbeit aber auch sparen. (Siehe z. B. diese Demontage: http://www.heise.de/ct/Die-Argumente-fuer-Kinderporno-Sperren-laufen-ins-Leere--/artikel/135867 )

Wieso wird gerade der unbedeutende Verbreitungsweg der Websites angegangen? (Laut LKA München und dem Bund deutscher Kriminalbeamter sind die hauptsächlichen Verbreitungswege E-Mail, Tauschbörsen und Post. Websites spielen kaum eine Rolle.) Wenn man Bürgerrechte einschränkt, dann müsste man einen beträchtlichen Erfolg zu erwarten haben, um so einen Eingriff zu rechtfertigen. Das haben Sie aber nicht!

Wie stehen sie zu den aufkommenden Ideen, die Netzsperren auf andere Bereiche, wie z. B. “Killerspiele”, auszuweiten?

Für wie wirksam halten Sie eine quartalsmäßige, stichprobenartige Überprüfung der Sperrlisten?

Mit freundlichen Grüßen

Falk Meyer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Meyer,

vielen Dank für Ihre Anfrage.
In der Tat kann die Bundesregierung in diesem Bereich nur in begrenztem Maß auf gesicherte Erkenntnisse und Zahlen zurückgreifen. Dass es sich bei der Kinderpornographie um einen Markt handelt, der sich in einem verborgenen illegalen Raum bewegt, macht es ja gerade so schwierig, an konkrete Zahlen zu kommen. Im Wesentlichen müssen wir daher mit Dunkelziffern, Schätzungen, Ermittlungserkenntnissen, psychologischen Tätererkenntnissen, Untersuchungen von NGOs u.ä. arbeiten. So verzeichnet z.B. die polizeiliche Kriminalstatistik seit Jahren einen Anstieg bei der Verbreitung der Kinderpornographie im Netz. Allein in Deutschland ist danach im Zeitraum von 2006 auf 2007 ein Zuwachs von 111% zu verzeichnen (2936 auf 6206 Fälle).

Zudem hat die SPD-Bundestagsfraktion umfangreiches Datenmaterial ausgewertet, darunter auch die Stellungnahmen der Experten bei der öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses zu diesem Thema. Auch wurden Gespräche mit Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen geführt wie z.B. mit Frau Heine, der Mitinitiatorin der Petition. Damit wurde sowohl den Bedenken der in der Anhörung vertretenen Experten und des Bundesrates als auch in wichtigen Punkten Bedenken, die von der "Internet-Community" geäußert wurden, Rechnung getragen.

Im Einzelnen sind nun gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf im verabschiedeten Gesetz folgende Änderungen umgesetzt worden:

*1. Grundsatz „Löschen vor Sperren“*

Im Gesetz wurde der Grundsatz „Löschen vor Sperren“ verankert. Denn das Löschen der Inhalte ist wirksamer. Danach kommt eine Sperrung nur dann in Betracht, wenn Maßnahmen, die auf eine Löschung abzielen, nicht möglich oder nicht in angemessener Zeit Erfolg versprechend sind.

*2. Kontrolle der BKA-Liste*

Die Neuregelung nimmt den (auch in der einschlägigen ePetition problematisierten) Wunsch nach mehr Transparenz und Kontrolle auf und etabliert ein unabhängiges Expertengremium beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.

Die Mitglieder sind berechtigt, die Sperrliste jederzeit einzusehen, zu überprüfen und zu korrigieren. Mindestens einmal im Quartal erfolgt zudem zusätzlich auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben eine Prüfung, ob die Einträge auf der Sperrliste kinderpornografische Inhalte betreffen.

Sollte die Mehrheit des Gremiums zu der Auffassung kommen, dies sei nicht der Fall, hat das Bundeskriminalamt den Eintrag bei der nächsten Aktualisierung von der Liste zu streichen. Mit Blick auf die vornehmlich juristischen Aufgaben, muss die Mehrheit der Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums die Befähigung zum Richteramt haben.

*3. Datenschutz*

Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.

*4. Spezialgesetzliche Regelung *

Die im Gesetzentwurf ursprünglichen für das Telemediengesetz vorgeschlagenen Regelungen zur Zugangserschwerung werden in einem Spezialgesetz geregelt. Ausschließliches Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Mit dem neuen Regelungsstandort in einem besonderen Gesetz wird eine Ausweitung auf weitere Inhalte ausgeschlossen. Die Änderung geht damit auf die vielfach geäußerten Befürchtungen ein, die Zugangserschwerung könnte weiter ausgedehnt werden. Aus diesem Grund wurde auch bestimmt, dass mit der neuen Infrastruktur keine zivilrechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden können.

*5. Befristung*

Die Geltungsdauer des Gesetzes ist befristet. Das Gesetz läuft automatisch am 31. Dezember 2012 aus. Auf der Grundlage der nach zwei Jahren vorzunehmenden Evaluierung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob die Maßnahme erfolgreich war, um dann neu zu entscheiden.

Der zentrale Vorwurf aus Teilen der „Internet-Community“, mit dem Gesetz werde eine Infrastruktur geschaffen, die später auch für die Sperrung anderer, beliebiger Inhalte genutzt werden könne, trägt nicht. Eindeutiger als wir kann man nicht regeln, dass die Sperren nicht auf andere Inhalte oder Zwecke übertragbar sind.

Eines kommt hinzu: Auch ohne Gesetz befindet sich die technische Infrastruktur bereits im Aufbau. Durch Verträge zwischen BKA und den größten Internet-Providern in Deutschland wurden diese nämlich verpflichtet, die Infrastruktur bereitzustellen und entsprechende Sperrungen in nächster Zeit vorzunehmen – und zwar ohne hinreichende Schutzvorschriften in den Verträgen. Nur mit dem Gesetz konnten wir diese nun verankern.

Ein besonders wesentlicher Aspekt für mich ist dabei folgendes. Es gibt zum Täterprofil Pädosexueller neuere Erkenntnisse, die eine Entwicklung vom Konsumenten kinderpornographischer Bilder hin zum eigenen "unmittelbaren" Missbrauch aufzeigen. Diese Entwicklung kann im Stadium eines "erst geneigten" Pädosexuellen mit Hilfe präventiver Maßnahmen wie einer Sperrung unterbrochen werden, was für mich als zuständige Berichterstatterin für Kinder- und Jugendgesundheit an erster Stelle steht.

Ich danke Ihnen für Ihr Interesse und verbleibe mit herzlichen Grüßen

Dr. Margrit Spielmann