Frage an Margrit Spielmann von Kai B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Spielmann,
da sie leider nicht auf normale Mails antworten, stelle ich meine Frage hier öffentlich.
Die Äußerungen und Begehrlichkeiten unsere werten Herrn Bundesinnenminister Schäuble bereiten mir große Sorgen. Sei es nun das Thema Onlinedurchsuchung, Telekommunikationsüberwachung, Nutzung der Mautbrücken für Fahndungszwecke und auch das Hinterlegen von Fingerabdrücken in den Meldeämtern - das sind Methoden eines Polizeitstaates und nicht die einer Demokratie.
Innenminister Schäuble möchte sogar das Grundgesetz ändern um seine Visionen in die Tat umzusetzen. Er geht davon aus, dass die Mehrheit der Bevölkerung hinter ihm steht.
Von Politik und Medien wird m.E. eine in diesem Maße unbegründete Terrorangst geschürt, die immer wieder als Vorwand für den weiteren Abbau der Bürgerrechte und Einschränkung der persönlichen Freiheit herhalten muss. Unsere Bürger sind auf dem besten Wege "Gläserne Bürger" zu werden.
Durch diese Überwachung wird man doch nur Kleinkriminelle ertappen, wirkliche Terroristen werden durchaus wissen was Kryptographie ist und diese auch nutzen.
Wie beurteilen Sie die ganze Situation? Wie stehen Sie zur Datenspeicherung in der Telekommunikation? Mache ich mir umsonst Sorgen?
Viele Grüße aus Treuenbrietzen
Kai Blitz
Sehr geehrter Herr Blitz,
vielen Dank für Ihre Anfrage. In Ihrer mail haben Sie Bedenken gegenüber der gesetzgeberischen Umsetzung der europäischen Richtlinie zur „Vorratsdatenspeicherung““ formuliert.
Die grundsätzlich bis Herbst 2007 umzusetzende Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten und damit auch Deutschland zur Einführung von Speicherungspflichten für bestimmte Telefon- und Internetdaten zu Zwecken der Terror- und Verbrechensbekämpfung für eine Dauer von mindestens sechs und höchstens 24 Monaten.
Die SPD-Bundestagsfraktion nimmt sowohl ihre Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung als auch ihre Verpflichtung für Bürgerrechte ernst. Sie hat ihren Vorbehalt gegen die EU-Regelung zur „Vorratsdatenspeicherung“ erst aufgegeben, nachdem die Bundesregierung in Brüssel einen Kompromiss erzielt hat, dem letztlich auch das Europäische Parlament zustimmte. Der deutschen Regierung ist es auf europäischer Ebene gelungen, die „Vorratsdatenspeicherung“ auf das zu reduzieren, was zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität tatsächlich erforderlich und angemessen ist.
Sehr geehrter Herr Blitz, trotz des Erfolges der SPD-Bundestagsfraktion teile ich einige Ihrer Bedenken. In einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages wird bezweifelt, ob die Richtlinie in der beschlossenen Form mit dem Europarecht vereinbar ist. Dies betrifft zum einen die Wahl der Rechtsgrundlage, zum anderen die Vereinbarkeit mit den im Gemeinschaftsrecht anerkannten Grundrechten. Sollte das Umsetzungsgesetz, welches zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorliegt, verfassungswidrig bzw. eine verfassungskonforme Umsetzung generell nicht möglich sein, ändert dies jedoch nichts an der weiter bestehenden europarechtlichen Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie. Eine Abänderung des Inhalts der Richtlinie kann nur auf europäischer Ebene erlangt werden. Rechtschutz gegen die Richtlinie kann vor dem EuGH, der bereits mit ihr befasst ist, erlangt werden. Gegen das Umsetzungsgesetz kann vor dem Bundesverfassungsgericht mittels Verfassungsbeschwerde, abstrakter Normenkontrolle und konkreter Normenkontrolle vorgegangen werden. Sollten sich in einem solchen Verfahren Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Richtlinie ergeben, ist die entsprechende Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
Sehr geehrter Herr Blitz, wie Sie dieser mail entnehmen können, habe ich auch einige Bedenken hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung. Ich habe mir erlaubt Ihr Anfrage an die SPD-Bundestagsfraktion (AG und Ausschuss) weiterzuleiten und darum gebeten, die dargestellten Argumente in der Diskussion zu berücksichtigen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Margrit Spielmann, MdB